Kaiserslautern Mutig unbekanntes Land beschritten

91-95697680.jpg

Mit einer interessanten programmatischen Dramaturgie wartete die Benefizgala der „Freunde des Pfalztheaters“ am Samstag auf: Vor restlos ausverkauftem Großen Haus setzte man beim turbulenten Spiel unter dem Motto „Alles nur ein Spiel“ alles auf eine Karte und gewann trotz mutig beschrittenen Neulands (Spielemusik zu Computerspielen) die Gunst des Publikums im Sturm.

Es ist eine hohe Kunst, bei einem solchen Gala-Konzert den konventionellen Konzertablauf dramaturgisch zu durchbrechen, um das nur scheinbar Belanglose zur eigentlichen Attraktion zu machen: Während sich derzeit viele Anbieter über Agenturen und Gastspielunternehmen der Illusion einer ausreichenden Berieselung hingeben, setzte hier die Gala ein Ausrufezeichen hinter Tugenden wie Organisation, Präsentation und Information. Es war aber auch keine Moderation im trockenen Lexikonstil, sondern das Erfolgsduo Marsha Zimmermann und Rainer Furch vom Schauspiel-Ensemble begleitete das Publikum mit szenischen Auflockerungen, theatralischen Gags wie Slapsticks in Hülle und Fülle: Überraschender Szenenwechsel, Krimiszenen, Einbeziehen von Dirigent und Konzertmeister, und sogar Michael Krauss vom Förderverein durfte ran: Da waren der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Musik und Humor waren in gesunder Symbiose Trumpf, um sich zugunsten der großen spartenübergreifenden Produktion „The Tempest“ („Der Sturm“) nach William Shakespeare und in der Vertonung des Barock-Komponisten Henry Purcell mit vereinten Kräften einzubringen. Die Premiere ist am 3. Juni, die Barock-Oper wird von Intendant Urs Häberli inszeniert und von Generalmusikdirektor Uwe Sandner dirigiert. Das zweite erfolgsverwöhnte Duo an der Rampe setzte auch neben seiner Stimme auf schauspielerische Darstellungskraft, wo andere Pflichtübungen nur absingen: Der Musicalblock mit Adrienn Cunka und Astrid Vosberg lebte nicht nur von den lupenreinen gesanglichen Höhenflügen bei Kostproben aus Broadway-Musicals wie „Funny Girl“ und „Chicago“. Neben der hohen gestalterischen Intensität und stimmlichen Expressivität Vosbergs und der Reinkultur mit sehr leichter Stimmansprache von Cunka fiel deren Bühnenpräsenz und lebendige Darstellung ins Gewicht. Eine Herkulesaufgabe hatte das Pfalztheaterorchester zu stemmen, zumal Filmmelodien und Begleitmusiken zu Computerspielen nicht zum gängigen Repertoire eines klassischen Orchesters gehören und auch die jazzig angehauchten Musicals – wie die genannten Kostproben – nicht unbedingt zu den Stärken des Klangkörpers zählen. Vielseitigkeit, stilistische Offenheit sowie Flexibilität sind einerseits Stärken, die aber im Vergleich zu spezialisierten Klangkörpern auch wieder interpretatorische Annäherungswerte mit sich bringen. Am überzeugendsten gelangen die zwischen Filmmusik und spätromantischen sinfonischen Dichtungen und reiner Gebrauchsmusik wechselnden Klangbeispiele der sogenannten „Spielemusik“, bei denen Sandner durch Akribie und Esprit die Arrangements von Andrew Skeet enorm aufwertete: Ein Genre, das nach digitalisierter Fassung nun zunehmend auch orchestriert den Musikmarkt erobert und durch gut nachvollziehbares Kampfgetöse oder raffinierte Klangwirkungen beim Spiel um den Ausweg aus einer Unterwasserstadt illustriert. Bei den Filmmelodien packte Sandner manchmal der sinfonische Ehrgeiz, versuchte er etwa bei der Ouvertüre zum Film „Herr der sieben Meere“ von Erich Wolfgang Korngold das Äußerste an Klangenergien zu entfesseln; um die Spieler – so die Bläser in zungenbrecherischer übertriebener Rasanz – zu Höchstleistungen anzuspornen. Was nicht immer zur Musik und schon gar nicht zum Orchester passte. Dagegen blieben Ausschnitte zu hochdramatischen Filmszenen von Hitchcock etwa (in der Musik von Herrman Bernard) musikalisch zu flach, nicht stringent genug. Gut ausgeformt erklang dagegen das Leitthema zum Filmklassiker „Jenseits von Afrika“ mit einer subtil entwickelten Musik von John Barry. Dagegen versuchte die Interpretation von Max Steiners „Casablanca-Suite“ bei breit angelegten Kantilenen ständig die Spannung zu erhöhen, was mehr irritierte als inspirierte. Licht und Schatten wechselten auch orchestral beim Musical-Block, da nach dem großartigen Hochzeitstanz aus der laufenden Musical-Produktion „Anatevka“ mit einem glanzvollen Klarinettensolo die Ernüchterung folgte: Hinsichtlich jazziger Einflüsse und Stilistik offenbarten die Musicals von Jule Styne und John Kander den größten Nachholbedarf. Ob pulsierender Drive oder stilgerechte Bläsereinwürfe, da ist an stilistischer Charakterisierung noch einiges zu entdecken. Im Konzertsatz von Philip Glass aus dessen Violinkonzert zeichnete sich Pierre-Eric Monnier durch spielerische Brillanz aus. Dass sein Solo-Part nicht immer synchron mit dem Orchester war, ist nicht ihm anzulasten. Dazu stellte James Sutherland eine Choreographie vor, die hier in Ausschnitten zu sehen war, die Premiere ist am 1. April. Der mit Sutherland erkennbare Wandel von klassischer, stilisierter Tanzästhetik in allegorischer Ausdeutung hin zu ekstatischer Intensität mit plakativer Wirkung kam zum Ausdruck.

91-95696848.jpg
91-95696847.jpg
x