Kaiserslautern Pfalztheater malt „Body-Bilder“ im Fitness-Studio

„Wer gut aussieht, hat’s einfach einfacher“: Philipp Adam im Pfalztheater-Projekt „Body-Bilder“.
»Wer gut aussieht, hat’s einfach einfacher«: Philipp Adam im Pfalztheater-Projekt »Body-Bilder«.

Die erste Vorstellung seiner „Rauswärts“-Gastspiele führte das Pfalztheater am Sonntagabend ins Fitness-Studio der Lauterer Uni. „Body-Bilder“ nennt Regisseurin Natascha Rose ihre Text-Collage, die Schauspiel und Tanz kombiniert. Klingt interessant und ist es auch. Doch in der Premiere wollte der Funke trotz gut aufgelegter Darsteller nicht recht zünden.

Wenn der Saarländer eine Mahlzeit hinter sich hat, die ihm nicht so recht behagen mag, dann meckert er nicht, sondern sagt höflich: „’s war mal was anderes.“ So ähnlich ist es mit den „Body-Bildern“ der in Braunschweig geborenen Regisseurin Natascha Rose, die seit fünf Jahren im Pfalztheater arbeitet. In ihren „Stadtnach(t)klängen“ hat sie schon einmal einen Spaziergang mit Szenen und Rezitation konzipiert. „Performativer Audiowalk“ heißt das. Der Gedanke eines Stationentheaters liegt auch den „Body-Bildern“ zugrunde.

Publikum und Ensemble durchmessen verschiedene Stationen in Kaiserslauterns universitärem Fitness-Studio. Gleichzeitig schwitzen und stöhnen die echten Leibesertüchtiger auf ihren physikalisch wie physiologisch ausgeklügelten Gerätschaften, ohne der Theaterdarbietung größeres Interesse entgegenzubringen. Körper und Geist sind eben zwei verschiedene Paar Schuhe und bleiben es auch hier.

Reflexionen über die Körperlichkeit

Natascha Rose verbindet eigene Texte mit Gedanken der Schweizer Aktionskünstlerin Julia Haenni und des 2022 nach Berlin emigrierten russischen Dramatikers Vladimir Sorokin. Auch das Ensemble steuert Reflexionen über Körperlichkeit und Ästhetik bei. Mitglieder des Ballettkorps führen vor, wie der menschliche Körper selbst bei massiver Anstrengung seine Ebenmäßigkeit entfalten kann. Wege zu Kraft und Schönheit.

Schauspieler Philipp Adam – seit 2020 am Pfalztheater und ein außerordentlich reifer, subtil tiefschürfender Menschendarsteller von allzeit verlässlicher Vielseitigkeit – hat in den vergangenen Monaten „sehr viel abgenommen“, wie er sagt; wer regelmäßig ins Theater geht, konnte die Verschlankung schrittweise miterleben. In den „Body-Bildern“ hat er einen Monolog auf dem Fahrrad-Ergometer, der um die These kreist: „Wer gut aussieht, hat’s einfach einfacher.“

Gesagt, gedacht, vorgeführt

Der 31-Jährige streift die Sportklamotten ab und räsoniert übers allgemeine Körper- und Selbstwertgefühl, über gesellschaftliche und persönliche Erwartungen an die eigene „Schönheit“. Aus anderen Perspektiven und Attitüden haben das zuvor auch schon seine Kolleginnen Paula Vogel (28 Jahre alt) und Hannelore Bähr (62) getan.

Das Gesagte, Gedachte und Vorgeführte kreist um Fragen, die mehr oder weniger, so oder so, dann und wann alle Gegenwartsmenschen der westlichen Hemisphäre beschäftigen: Lassen wir uns durch oktroyierte „Ideale“ manipulieren? Geben wir uns freiwillig sexistischen Äußerlichkeiten hin? Wann und wie sind wir „endlich mal wir selbst“? Wo endet Diätanspruch und fängt Schönheitswahn an? Wer gibt vor, was schön und hässlich, dick und dünn, anziehend und abstoßend, beglückend und quälend, heilsam und ungesund ist? Wie hängen Sex-Appeal und Attraktivität von durchtrainierten Muskeln ab?

Tröstliche Erkenntnis

Die wirkliche Frage aller Fragen ist – und das lassen auch Rose & Co. zweifelsfrei durchblicken – eine ganz andere: Können gesunde und glückliche Seelen nur in schönen, sportlich gestählten Körpern wohnen? Nein!

Mit dieser tröstlichen Erkenntnis verlassen alle unattraktiven, alten, dicken, dürren, wabbeligen, spargelbeinigen, hühnerbrüstigen, krummen, keuchenden, zügel- und antriebslosen, verfressenen, zechenden Durchschnitts- und Mittelmaß-Menschen das Theater im Unifit.

Iso-Getränk statt Chips

Sich auf dem heimischem Sofa wohlig aalend, pfeifen sie sich eine Tüte Chips rein, blättern im „Playboy“ oder „GQ“. Während die Stubenhocker im Fernsehen „Mein Leben mit 300 kg“ einschalten, zapfen sich die anderen im Studio ein Iso-Getränk und setzen sich auf dem Laufband, Stepper oder Spinning-Rad ihre Kopfhörer auf, um ja nicht durch Nebengeräusche aus dem ehrgeizigen Körper-Konzept zu geraten.

Das Stück lehrt: Beide Gruppen mögen die eigene Position gelegentlich überdenken. Bei richtiger Dosierung können beide selig werden.

Ich sage: Das hätte ich, der durchschnittlich gebaute Sportmuffel, auch ohne die „Body-Bilder“ des Pfalztheaters gewusst. Auf jeden Fall war’s mal was anderes.

Info

Weitere Aufführungen an den Samstagen, 5. und 19. Oktober, jeweils 18 Uhr, im Unifit, Paul-Ehrlich-Straße 27, 67663 Kaiserslautern.
Infos auf der Internetseite www.pfalztheater.de

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