Kaiserslautern Retter des Pfalztheaters: Vor 75 Jahren kam Intendant Heinz Robertz
Nur vier Monate nach dem Untergang stellten Mitglieder des Pfalztheaters einen ersten Lieder- und Kammermusikabend auf die Beine. Der reguläre Spielbetrieb begann wenig später auf der Bühne eines Kinos in der heutigen Rudolf-Breitscheid-Straße. Die künstlerische Arbeit war schwierig. Es fehlte an Geld und Material. Ein Intendant gab die schwierige Aufgabe an den nächsten weiter. Zwischen 1945 und ’49 hatte das Pfalztheater fünf verschiedene Chefs.
„Dennoch hielten das treue Kaiserslauterer Stammpublikum und die theaterbegeisterten Pfälzer ihrem Landestheater die Treue“, berichtete 1950 die RHEINPFALZ – und rühmte schwülstig „die heroischen Bemühungen des Oberbürgermeisters Alex Müller und seines Theaterdezernenten Dr. Reber“ um den Fortbestand der Bühne.
Von Kinosaal zu Kinosaal
Mit Beginn der Saison 1949/50 bezog das Theater ein neues Domizil am Fackelrondell, wo gleichfalls ein ehemaliger Kinosaal zur Spielstätte umfunktioniert wurde. Darüber hinaus wurde ein neuer Intendant berufen, der „trotz der Schwierigkeiten der heutigen Zeitverhältnisse“ das Haus in ein ruhigeres Fahrwasser bugsierte: Heinz Robertz.
Der Konditorsohn aus Köln war Doktor der Philosophie, 41 Jahre jung und nicht nur ein erfahrener Theatermann, sondern der Lauterer Bühne bereits seit einigen Monaten als Verwaltungsdirektor und Oberspielleiter verbunden. Mit ihm begann ein neues, glückliches Kapitel in der wechselvollen Geschichte des Pfalztheaters.
Ein-Zimmer-Wohnung in der kriegszerstörten Stadt
Heinz Robertz, der einen Zwillingsbruder namens Theo hatte, studierte in seiner Heimatstadt und in Wien Theater- und Musikwissenschaft, außerdem 15 Jahre lang Klavier. 1935 wurde er Regieassistent am Kölner Opernhaus. Stationen in Hagen, Beuthen (Schlesien), Remscheid und Krefeld folgten, ehe er ab 1944 als frei schaffender Opernregisseur in Görlitz, Saarbrücken und Dresden arbeitete. 1948 kam er nach Kaiserslautern.
„Er wohnte in einer Ein-Zimmer-Wohnung, weil es im kriegszerstörten Kaiserslautern keinen Raum gab“, berichtet seine Tochter Ewe, die in jenem Jahr zur Welt kam. Erst später übersiedelten auch sie, die ältere Schwester Dagmar und ihre Mutter an die Lauter. Die Mädchen besuchten hier das St.-Franziskus-Gymnasium, in der Mannheimer Straße fand die Familie eine neue Bleibe.
Verrückt nach den Töchtern
„Mein Vater war verrückt nach seinen Töchtern – und umgekehrt“, sagt Ewe Bischoff-Robertz. „Er war einer von jenen Männern, die gern den Kinderwagen schieben. Damals war das eher eine Seltenheit.“ Die Kinder durften ins Theater mitkommen, waren bei Proben und Premieren dabei, übernahmen Papas zur Musik.
Das „neue“, mit 724 Sitzplätzen ausgestattete Pfalztheater wurde am 30. September 1950 mit der vom Intendanten inszenierten Beethoven-Oper „Fidelio“ eingeweiht. Am Pult stand Wolfgang Habermehl, auf der Bühne Josef Walden als Florestan und Maria Elisabeth Schreiner als Lenore.
Kaiserslautern als Sprungbrett
Das Schauspiel eröffnete mit Hofmannsthals „Jedermann“, für den der jahrzehntelang in Kaiserslautern tätige Bühnenbildner Wolfgang Hardt die Bauten entworfen hatte. Die Titelrolle spielte der später in Gelsenkirchen aktive Wolfgang Molander, als Tod erschien das Pfalztheater-Urgestein Felix Lademann. Der nicht minder populäre Hans Quaiser stieß wenig später zum Ensemble – und gab im Hause Robertz alljährlich den Weihnachtsmann.
Im Übrigen holte der umtriebige Theaterdirektor einige Künstler in die Pfalz, die später sehr berühmt wurden. Für Sänger wie die Baritone Ernst Grathwohl und Heinz Friedrich sowie den Bassisten Max Proebstl war Kaiserslautern das Sprungbrett zur großen Karriere, ebenso für Fernseh-Star Günther Mack (Goldene Kamera für den Dreiteiler „Hiob“), die unlängst verstorbene Sopranistin Annelie Waas und die Operettensoubrette Ila Jendritzko. Kollegin Irma Cooper machte sich später einen Namen als Gründerin des Opernhauses von Columbus im US-Bundesstaat Ohio.
Erika Köth; „Hier liegt die Christel von der Post“
Intendantentochter Ewe erinnert sich im RHEINPFALZ-Gespräch, wie die blutjunge Erika Köth einmal während einer „Vogelhändler“-Aufführung stürzte und geistesgegenwärtig den Text abänderte in: „Hier liegt die Christel von der Post“. Die aus Rumänien stammende Sängerin Raina Simeone – berühmt für ihre Koloraturen als „Königin der Nacht“ – sang für die Robertz-Kinder ein Schlaflied „und immer ,Jingeling’ statt ,Jüngling’“, wie Ewe berichtet.
1958 engagierte ihr Vater den gerade 31-jährigen Heidelberger Rolf Reinhardt als Generalmusikdirektor; er sollte später viele Schallplatten des Kuseler Tenors Fritz Wunderlich auf dem Klavier begleiten. Als Regisseur zeichnete Robertz für den „Maskenball“ und „Falstaff“ von Verdi, Puccinis „Madame Butterfly“ und Bizets „Carmen“ verantwortlich, vor allem für Mozart-Opern wie „Die Zauberflöte“ und „Die Hochzeit des Figaro“.
Notenblatt auf dem Regiepult
Wie seine Tochter berichtet, hatte der Regisseur „bei Inszenierungen immer den Klavierauszug vor sich“. Da es noch keine Digitaltechnik gab, „fügte er seine sehr genauen Aufzeichnungen handschriftlich ins Notenblatt ein“. Von seiner Inszenierung des Musikdramas „Mazeppa“ von Tschaikowski besitzt die Tochter noch eine Aufnahme auf Tonband.
Auch verwahrt sie die dicken Alben, in denen Robertz alle Presseberichte über seine Arbeit am Pfalztheater archivierte. Den Schatz gibt sie nicht aus der Hand. Wer sich für bestimmte Inszenierungen interessiert, muss zu Ewe Bischoff-Robertz ins Bergische Land kommen. Dort lebt die 75-Jährige, die einen Doktortitel in Völkerkunde besitzt und als Lehrerin tätig war, noch immer in dem Haus, das ihr Vater für die Familie gebaut hat.
Operninszenierung vom Sterbebett
Heinz Robertz übernahm regelmäßig Gastinszenierungen im gesamten Bundesgebiet, unter anderem mit dem „Figaro“ bei den Schwetzinger Festspielen. Sein Intendantenvertrag in Kaiserslautern wurde 1956 um weitere drei Jahre verlängert. Dann erreichte ihn ein Angebot für den Chefsessel des Theaters Trier. So wechselte Heinz Robertz nach elf Jahren von der Lauter an die Mosel. Zum Abschied erhielt er die Stadtplakette.
Doch ein lebenslanges Leberleiden machte alle ambitionierten Pläne zunichte. Noch während der Proben zu seiner ersten Inszenierung, Verdis „Don Carlos“, musste er sich ins Krankenhaus begeben. „Er hat buchstäblich vom Sterbebett aus Regie geführt“, sagte Tochter Ewe. „Die Premiere bekam er noch mit.“
Am 16. November 1959 starb Heinz Robertz im Alter von nur 51 Jahren im St.-Josefs-Krankenhaus in Köln-Kalk. Die RHEINPFALZ rief dem nimmermüden Prinzipal nach, er habe „in schwerster Zeit (…) durch größte Opferbereitschaft (…) ein Beispiel der Treue zur Kunst gegeben“. Kaiserslautern „und die ganze Pfalz stehen erschüttert an der Bahre dieses wertvollen Menschen“.