Kaiserslautern Von Mall über Müll bis Mutti und Mut

Ihr neues Domizil haben die Untiere bezogen. Am Mittwochabend fand die Premiere der neuen Staffel ihrer Kabarettshow „Da lacht man scharf“ im Edith-Stein-Haus statt. Über 250 Zuschauer hatten den Sprung vom Bahnheim in das kirchliche Haus gewagt oder waren neu zur Fangemeinde der Lauterer Kabarettisten gestoßen. Denn eins wurde rasch klar: Mit ihrem spitzzüngigen und phantasievollen Kabarett begeistert die Truppe um Wolfgang Marschall nach wie vor.

Wie im Namen, so hat sich auch im Aufbau der Show nichts geändert. Zunächst setzt Marschall seine wortgewandten Hiebe von seinem Lesetisch aus, Wortkabarett der höchsten Kunststufe, dem die konzentrierte Atmosphäre im Auditorium wesentlich besser steht als die Wirtshausatmosphäre ehedem. Leichter fällt es dem Publikum so, die oft rasanten Gedankenketten Marschalls zu verfolgen. Seine Themenpalette beginnt bei der Kommunalpolitik, schließlich „robbe“ man sich schon von der Spielstätte her immer näher ans Rathaus heran. Eine „veritable Tragikomödie“ erlebe der Zeitgenosse da, und es stelle sich die Frage, wie weit man eine Stadt herunterwirtschaften könne und ob dann deren Untergang an sich überhaupt noch kabarettkompatibel sei. Rasch ist Marschall bei seinem Lieblingsthema Mall angelangt und bei deren Eröffnung kurz vor Ostern. Wer dem Centermanager „Hans Christian Andersen“ glaube, dass die Innenstadt durch das Einkaufszentrum belebt werde, der glaube wohl auch noch an den Osterhasen. Allein der Rattenfänger Primark beglücke die Kids mit vollen Tüten und „kontaminierten Billigklamotten“. Es gebe aber auch noch ein Leben außerhalb der Mall, und das führe direkt zum Müll. „Mülldesaster reloaded – die blaue Tonne schlägt zurück“, karikiert Marschall die städtische Entsorgungsproblematik. Würden „die da oben im Rathaus“ ihren Job nur gut machen, statt zunehmend zu privatisieren, so würde das den Steuerzahler am Ende sicherlich billiger kommen. Demnächst würde es wohl noch eine „Politessen GmbH“ geben, ist seine Schreckensvision. Und so geht er weiter, der Marschallsche Parforceritt, der nicht selten vom Makrokosmos zum Mikrokosmos führt. Etwa wenn der Kabarettist sorgfältig das Wort „Bedenkenträger“ seziert, in dem er neben dem Bestandteil „denken“, aber auch „träg“ und sogar dessen Steigerung „träger“ ausmacht. Allein die Hiebe auf die Pegida-Bewegung scheinen eher der Political Correctness geschuldet, ist ihre Pauschalierung doch von aktuellen Erkenntnissen überholt. Nach wie vor treffend, da leider fast schon klassisch zu nennen, sind dagegen Marschalls Spitzen gegen „unsere amerikanischen Freunde“, denen die Kanzlerin bei der Rekrutierung von Terrormilizen auf die Finger klopfen solle, statt immer nur „dicken Backen gegen Putin“ zu machen. Dass „Mutti“ Merkel zu einer Untiere-Show gehört wie das Sakko zur Kanzlerin, ist bekannt. Und so schlüpfte Marina Tamassy auch im Edith-Stein-Haus wieder in ihre Paraderolle. Ein Resümee nach bald zehn Jahren Kanzlerschaft hatte sie sich vorgenommen, wobei sie die Politikerin sympathisch gewitzt erscheinen lässt. Unerwartet düstere, schwere und für ihre Verhältnisse verhaltene Gedanken dagegen legt Tamassy ihrer Figur der Aus-Wut-mach-Mutbürgerin Bertha in den Mund. So slammt sie diesmal, dass der Krieg überall sei und die Welt trotz Klimaerwärmung an zunehmender Kälte kranke. Und aus Billy Idols „Rebel Yell“ macht sie „Die Welt versinkt im Chaos/ Krieg, Krieg, Krieg“. Ganz unterschiedliche klangliche Facetten bringt die ausgebildete Sängerin ins Programm, wie stets trefflich unterstützt durch Marschall am Schlagzeug und Tastenkünstler Edwin Schwehm-Herter, der die verschiedensten Stimmungen und Stile aus seinem Keyboard zaubert. Im Macht-Duett, das Tamassy in der Rolle der Bürgermeisterin Susanne Wimmer-Leonhardt mit Oberbürgermeister Klaus Weichel (Philipp Tulius) schmettert, sind es eher klassische Töne. Schlager (frei nach Udo Jürgens „Griechische Pein“) sowie Rock (Queens „Another One Bites The Dust“ wird zu „Wir ziehn’s euch aus der Tasch’“) schmettert Tamassy-Merkel im Duett mit ihrem Finanzminister. Sein großes parodistisches Talent demonstriert Jung-Untier Tulius als Schäuble. Zum Darth-Vader-Thema aus dem Film „Krieg der Sterne“ rollt er herein und liest den Griechen ordentlich die Leviten, immer nach dem Motto „Das Läben ischt koin Ponyschlecken.“ Seine Verkörperung des Oberbürgermeisters ist gewohnt treffsicher, dessen Antrittsrede hält er als Rap, ansonsten windet er sich in der pseudo-abgehobenen Weichel-Sprech zwischen Dialekt, Fremdwortkaskaden und seinem rollenden R. „Im Grrrund genumm“, sei es ihm eine Ehre, „nochmal acht Joahre Tschokes“ mit den Bürgern zu „trrraiben“. Bringen die Untiere also Regionales bis Internationales mit dem scharfen Schwert der Satire aufs Tapet, so macht Gastkünstler Thomas Nicolai eher Klamauk. Das allerdings meistens sehr lustig. Umwerfend vor allem seine Parodien auf Künstlerkollegen wie Klaus Kinski, Dieter Hallervorden oder Herbert Grönemeyer. Witzig daneben seine Anekdoten mit Berliner Schnauze und Mutterwitz, allein seinen Fäkalhumor hätte er sich besser gespart. Eine gelungene Premiere also in der neuen Spielstätte, die vom Saal her dem Anspruch einer Kabarettveranstaltung entgegen kommt. Nun müssen nur noch die sperrigen Tische im nicht allzu großen Foyer durch schlanke Stehtische ersetzt werden, dann klappt’s – angesichts eines freundlichen und guten Cateringangebots – auch mit der Pause.

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