Kaiserslautern Wie Jugendorganisationen zu Wehrdienst und Wehrpflicht stehen

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat Pläne für einen neuen Wehrdienst vorgelegt.
Verteidigungsminister Boris Pistorius hat Pläne für einen neuen Wehrdienst vorgelegt.

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat im Juni Pläne für einen neuen Wehrdienst vorgestellt. Betroffen davon wären alle Jugendliche ab 18 Jahren. Die RHEINPFALZ hat sich bei Kaiserslauterer Jugendvertretern umgehört, wie sie zu den Plänen stehen.

Geht es nach den Plänen des Verteidigungsministers, soll allen wehrdienstfähigen Frauen und Männern am 18. Geburtstag ein Fragebogen zugeschickt werden, der die körperliche Fitness und Motivation abfragen soll. Für Frauen wäre das Ausfüllen und Zurückschicken des Fragebogens freiwillig, für Männer verpflichtend. Ein Teil der jungen Männer würde dann zur Musterung eingeladen, Frauen dürften sich freiwillig dazu bereitklären. Die geeignetsten und motiviertesten würden für einen Grundwehrdienst von sechs Monaten ausgewählt oder könnten sich für bis zu 23 Monate verpflichten. Auch das Verweigern soll möglich sein.

Doch wie stehen die Betroffenen selbst zu den Plänen des Verteidigungsministers? Vertreter der Grünen Jugend Kaiserslautern betonten, dass die Bundeswehr attraktiver werden müsse, „sodass mehr junge und auch ältere Personen den Weg zur Bundeswehr finden. Schließlich sind wir mit der Bedrohung konfrontiert, dass Russland seine Kriegstüchtigkeit weiter ausbaut“, sagt Sprecherin Selina Beyer.

Auch die Jusos Kaiserslautern begrüßen grundsätzlich den Gedanken des „Neuen Wehrdienstes“, wie ihn Verteidigungsminister Boris Pistorius vorgestellt hat, erklärt Luca Hoffmann, Vorsitzender Jusos Kaiserslautern. „Es fördert den Geist der Gemeinschaft und das Bewusstsein für die Rolle, die jeder Einzelne in unserer Gesellschaft spielen kann“, sagt Hoffmann.

Jugendparlament sieht Notwendigkeit für „Wehrapparat“

Das Jugendparlament befürwortet besonders eine Anlehnung „am Schwedenmodell“, meint die Vorsitzende Lena Wilking. Dort würden auch alle 18-Jährigen kontaktiert, ein Drittel werde für die Musterung ausgewählt, ein Teil davon melde sich freiwillig für eine einjährige Ausbildung. Auch Frauen sind darunter. „Wir brauchen einen Wehrapparat“ in Anbetracht der aktuellen Gefährdung. „Es sollte einen Anreiz“ geben, mehr Menschen in die Bundeswehr zu holen, sagt sie.

Für Florian Pernak, Landesvorsitzender der Jungen Liberalen, ist der Vorschlag „zumindest diskussionswürdig“. „Das Ausfüllen eines unverbindlichen Fragebogens“ könne ein Instrument sein, um sowohl die Freiwilligkeit zu wahren und gleichzeitig mehr Personal zu generieren. Dennoch sollten in Anbetracht der „Generationengerechtigkeit“ alle Altersgruppen angesprochen werden, findet Selina Beyer von der Jugendpartei der Grünen. „Die junge Generation kann nicht als Lückenbüßer für alle gesellschaftlichen Probleme herhalten“, meint Beyer. Ein Dienst sollte auch im Rahmen eines „Freiwilligendienstes in Bereichen wie Klimaschutz, sozialem Engagement oder Heimat- und Katastrophenschutz“ stattfinden können. Dass mit dem Plan „ganze Jahrgänge einer ohnehin schon krisengeschüttelten jungen Generation herangezogen“ werden, sieht die Grüne Jugend kritisch. Stattdessen sollten sich die Arbeitsbedingungen der Berufssoldatinnen und -soldaten verbessern.

Erst ausstatten, dann freiwilligen Wehrdienst einführen

Die Vorsitzende des Jugendparlaments, Lena Wilking, sieht das ähnlich und fordert, dass auch diskutiert wird, ob man nicht den Wehrdienst mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr gleichsetzen könnte. Die Bundeswehr sollte nicht nur dem Motto: „An die Front!“ nachgehen, meint Wilking. Bevor ein neues Wehrdienst-Modell in Kraft treten könne, müssten erst einmal bessere Bedingungen geschaffen werden, sagt Wilking.

So mahnt auch Pernak: „Die Probleme der Bundeswehr lösen sich durch die Einführung des Wehrdienstes nicht in Luft auf.“ Es müsse stärker diskutiert werden, wie man die Bundeswehr „langfristig finanziell und strukturell“ ausstatte.

Dass nur Männer verpflichtet werden sollen, den Fragebogen zurückzuschicken, kritisieren sowohl Beyer als auch Wilking. „Meiner Meinung nach sollten auch Frauen verpflichtet sein, den Fragebogen zurückschicken“, sagt letztere. Es wäre richtig, „wenn Frauen gleich behandelt werden“, meint Beyer.

Was, wenn die Freiwilligen nicht ausreichen?

Die Grüne Jugend befürchtet zudem, dass mit dem Plan das Risiko einhergehe, dass sich zu wenige Menschen freiwillig melden. In diesem Fall käme sicher die Frage einer Wehrpflicht auf. „Die Grüne Jugend lehnt eine Wehrpflicht entschieden ab“, meint Beyer. Auch die Jungen Liberalen betonen, dass die Freiwilligkeit eines Wehrdienstes essenziell sei. „Es muss die Entscheidung des Einzelnen sein“, und „eine Pflicht wäre ein zu großer Eingriff in die individuelle Freiheit“, meint Pernak. Genauso möchten die Jusos klarstellen, dass dieser „Ansatz keinesfalls zu einer schrittweisen Einführung einer neuen Wehr- oder Dienstpflicht führen darf“ und die Pläne auf Freiwilligkeit und Transparenz beruhen müssten. Die Diskussion über den „Neuen Wehrdienst“ solle zudem weiter „breit und kontrovers“ geführt werden, um eine angemessene Lösung zu finden.

Das Jugendparlament schließt sich der Forderung an. „Es ist ein sensibles Thema, deswegen muss man darüber sprechen“ und „Fragen und Ängste der Betroffenen zulassen“, sagt Wilking. Es sei „Aufgabe der Schulen, Aufklärung zu leisten“. Aber „auf neutralem Boden“, fügt sie hinzu.

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