Kaiserslautern Zu schön, um schaurig zu sein

Der Musik von Tschaikowsky und Berlioz ist dieses Jahr der Auftritt des St. Petersburger Mariinsky-Theaters im Festspielhaus Baden-Baden gewidmet. Schwerpunkt der Sommerfestspiele ist die szenisch ansprechende und musikalisch packende Neuproduktion der Tschaikowsky-Oper „Pique Dame“. Wie immer dirigiert Valery Gergiev.

Der russische Maestro steht an allen Abenden am Pult, auch morgen bei der konzertanten Aufführung von Berlioz’ Monumentalwerk „Die Trojaner“. Umfangreich ist aber auch die ungekürzte Version der „Pique Dame“, die es mit Pausen auf über vier Stunden bringt. Das ergibt einen ganz anderen Eindruck vom Werk als ihn die unvergessene Inszenierung von Juri Ljubimow vermittelte, die ab 1990 am Badischen Staatstheater Karlsruhe mit großem Erfolg zu sehen war und das Stück auf die dramatischen Kernszenen konzentrierte. Alexei Stepanyuks Petersburger Inszenierung macht in den verschwenderischen Kostümen von Irina Cherednikovas und dem variablen, mit nicht unattraktiven Bildern aufwartenden Bühnenbild von Alexander Orlov großes Ausstattungstheater in eher ruhigen, nicht selten stilisiert langsamen Bewegungen. Die Dämonie des Stoffes kommt kaum zum Tragen. Zu Beginn tritt Hermann als Kind auf, dem das Schicksal (wohl in Gestalt der jungen Gräfin) schon früh mit den drei geheimnisvollen Karten in Verbindung bringt. So ganz erschließt sich der Sinn des Doppelspiels nicht. Dass am Ende Hermanns Kartenhaus auch real einstürzt, ist ein eher vordergründiges Sinnbild. Die Stärke des Abends ist die Musik. Valery Gergiev verbindet wie schon vor zehn Jahren beim damaligen Auftritt mit dieser Oper wieder absolut klare und souveräne Übersicht über die Partitur mit plastischen Klangbildern und leidenschaftlicher Intensität. Natürlich glänzen Chor und Orchester des Mariinsky-Theater bei einer russischen Oper, die vor 125 Jahren am eigenen Hause uraufgeführt wurde, ganz besonders und liefern einen authentischen Tschaikowsky-Ton, der schon den Rang eines Alleinstellungsmerkmals hat. Ausgezeichnet war die Sängerbesetzung am ersten Abend. Heute singen weitgehend andere Mitglieder des Ensembles. Mikhail Vekua war ein Hermann von bestechender Stimmkultur, der über die nötige Kraft in der Höhe verfügte, aber nicht minder durch lyrischen Wohllaut überzeugte und ein präzises Porträt der zwiespältigen Figur bot. Sehr empfindsam, mit weich modellierten Gesangslinien gestaltete Irina Churliova die Rolle der Lisa. Alexei Markov gefiel als Fürst Jelezki durch prachtvollen Bariton und russischen Belcanto. Schön sang auch Elena Vitman als alte Gräfin, vielleicht ein bisschen zu schön für diese Rolle, die das Publikum daher nicht erschaudern ließ. Mit „Pique Dame“ endet ein sehr erfolgreiches (szenisches) Opernjahr in Baden-Baden, zu dem neben Rolando Villázons „Traviata“, dem „Rosenkavalier“ unter Simon Rattle auch unlängst Monteverdis „L’Orfeo“ in einer Tanzversion von Sasha Waltz gehörte. Die aus Karlsruhe stammende Choreographin hatte eine sehr poetische und ausdrucksvolle Verdopplung, damit Kommentierung der Geschichte als Tanzstück kreiert, die von anmutiger Wirkung war. Dirigent Pablo Heras-Casado, war am Pult des fulminanten Freiburger BarockConsorts ein prägender Meister. Georg Nigl sang den Orfeo bewegend intensiv. Mit einer Oper konzertant geht die Saison nächste Woche zu Ende: Mozarts „Figaro“ setzt den Zyklus unter Yannick Nézet-Séguin und mit Rolando Villázon fort. Termine —Zweite Vorstellung der „Pique Dame“: heute, 18 Uhr, morgen um 16 Uhr folgen „Die Trojaner“ von Berlioz. Am 16. und 19. Juli, 19 und 17 Uhr, ist der konzertante „Figaro“ von Mozart unter Yannick Nézet-Séguin zu hören. —Karten unter Telefon 07221 3013-101 —www.festspielhaus.de

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