Karlsruhe Arbeitslosigkeit: 240 Elsässer und 45 Pfälzer bedroht

Noch grüsst das Michelin-Männchen an der B 36/Eckener Straße in Karlsruhe.
Noch grüsst das Michelin-Männchen an der B 36/Eckener Straße in Karlsruhe.

Michelin denkt über Schließung des Reifenwerkes in Karlsruhe nach. Es wurde allerdings erst 2021 modernisiert, hält die Gewerkschaft dagegen.

Die Führung des Reifenherstellers Michelin denkt über eine Schließung von Werken in Deutschland nach. Betroffen könnte auch das Werk in Karlsruhe sein. Dort arbeiten rund 480 Menschen. Gut die Hälfte von ihnen kommt aus dem Elsass, knapp 10 Prozent aus der Südpfalz. In einem „Costumer Contact Center“ – also der Kundenbetreuung – arbeiten weitere 120 Menschen in Karlsruhe für Michelin. Die Produktion aus Karlsruhe – Leicht-Lkw-Reifen – werden nach der Produktion direkt ins Lager Landau transportiert, das von den Überlegungen nicht betroffen sein soll.

Reifen am Eingang zum Michelin Werk: Vielleicht bald ein einsamer Geselle.
Reifen am Eingang zum Michelin Werk: Vielleicht bald ein einsamer Geselle.

Aus Deutschland zurückziehen

Michelin hatte laut der Chemiegewerkschaft IGBCE auf Belegschaftsversammlungen angekündigt, dass es Planungen gebe, sich weitgehend aus der Produktion von Lkw-Reifen in Deutschland zurückziehen zu wollen. Den Werken in Karlsruhe und Trier drohe nach den derzeitigen Überlegungen die Schließung, dem Standort in Homburg (Saarland) der Verlust von zwei Aktivitäten und damit einem Großteil der Belegschaft. Teile der Administration könnten verlagert werden. Insgesamt wären bundesweit bis zu 1500 Beschäftigte von dem Sparprogramm betroffen.

Der Michelin-Konzern bestätigt, dass er in Deutschland vor dem Hintergrund des wachsenden Wettbewerbsdrucks und der steigenden Produktions- und Verwaltungskosten vertrauliche Beratungen mit seinen Sozialpartnern – also den Gewerkschaften – aufgenommen habe. Gegenstand dieser Gespräche seien die Wettbewerbssituation und die Produktionsreduzierung der Michelin-Aktivitäten in Karlsruhe und Trier sowie der Neureifenproduktion und der Herstellung von Halbfabrikaten in Homburg. „Zum jetzigen Zeitpunkt wurde noch keine Entscheidung getroffen. Die Michelin Mitarbeitenden in Deutschland werden als Erste über den Abschluss dieser Gespräche informiert“, so eine Unternehmenssprecherin.

Das weitgestreckte Werksgelände von Michelin in Karlsruhe.
Das weitgestreckte Werksgelände von Michelin in Karlsruhe.

Moderner Standort

„Der Standort Karlsruhe zählt nach Konzernangaben zu den modernsten der Branche. Erst 2021 wurde die Produktion komplett auf elektrische Reifenpressen umgestellt, die CO2-Emissionen um 82 Prozent gegenüber 2010 reduziert“, argumentiert Matthias Hille, Leiter des IGBCE-Bezirks Mainz, Konzernbetreuer und Aufsichtsratsmitglied bei Michelin Deutschland. „Hier drohen ebenso traditionsreiche wie hochmoderne Standorte einfach ausgeknipst zu werden, ohne zuvor Alternativen systematisch durchdacht zu haben“, kritisiert Hille. „Gegen einen solchen Rotstift-Aktionismus werden sich Belegschaft, Betriebsrat und IGBCE entschieden zur Wehr setzen.“

Hille sagt, dass das Unternehmen bislang detaillierte Daten zu Produktionskosten und Wirtschaftlichkeitsberechnungen schuldig geblieben sei. Allgemeine Verweise auf Überkapazitäten und eine stärker in den jeweiligen Absatzmärkten lokalisierte Produktion rechtfertigten keine derart tiefen Einschnitte an den deutschen Standorten. „Wir werden uns nicht mit oberflächlichen Erklärungen abspeisen lassen. Alle Zahlen müssen auf den Tisch. Und dann werden wir ein eigenes Konzept vorlegen und Alternativen zu möglichen Schließungsplänen erarbeiten“, kündigt Hille an.

Vielleicht bald Geschichte: Das Michelin-Männchen begrüsst die Fahrgäste an der Straßenbahnhaltestelle.
Vielleicht bald Geschichte: Das Michelin-Männchen begrüsst die Fahrgäste an der Straßenbahnhaltestelle.

Karlsruher Werk 1931 eröffnet

Michelin begann die Reifenproduktion in Karlsruhe 1931, mit 250 Beschäftigten. Sieben Jahre später zählte Michelin in Karlsruhe bereits 500 Mitarbeiter. Wegen des großen Drucks durch das NS-Regime erfolgte ab dem 30. April 1938 der Umzug des Werks nach Frankreich und in die Niederlande. 1942 wurde Michelin in Karlsruhe von den Nazis enteignet und 1944 wurden die Werkshallen bei den Luftangriffen weitgehend zerstört. Im April 1949 erhielt das französische Unternehmen sein Eigentum zurück und 1955 begann die Wiederaufbau des Karlsruher Werks. Ab 1962 wurden gezielt die ersten Mitarbeiter aus dem Elsass angeworben und bereits 1963 arbeiteten 1300 „Micheliner“ in der Fächerstadt. Noch 2016 waren dort gut 1200 Leute beschäftigt, davon 800 in der Produktion.

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