Bellheim Arbeitsplatzwechsel für einen Tag

In der Wichern-Werkstätte: Kardex-Mitarbeiter Bastian Lehmann (re.) hilft, Paletten zusammenzunageln.
In der Wichern-Werkstätte: Kardex-Mitarbeiter Bastian Lehmann (re.) hilft, Paletten zusammenzunageln.

Die Wichern-Werkstätte für beeinträchtigte Menschen und der Lagersystemhersteller Kardex sind nur durch einen Zaun getrennt. Eine Geschäftsbeziehung verbindet sie seit Jahren. Nun kam noch etwas anderes hinzu: Jobtausch.

Rund 50 Menschen mit psychischer Beeinträchtigung, etwa wegen Depressionen oder in Folge eines Burn Outs, arbeiten in der Wichern-Werkstätte in Bellheim. Ziel ist es, sie wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dazu gibt es neben psychologischen auch mehrere Bewegungstherapieangebote wie Schwimmen Tennis und Wandern, weiß Manuela Dick, Bildungsbegleiterin und Job Coach der zur Evangelischen Heimstiftung Pfalz gehörenden Wichern-Werkstätte. Sie ist eine von rund einem Dutzend Festangestellten der Einrichtung, die zu einem Verbund mit weiteren Zweigstellen in Landau, Speyer, Ludwigshafen und Haßloch gehört, die teils andere Schwerpunkte haben.

Ins Berufsleben integrieren

Aber mehr noch: Da es das Ziel ist, die betreuten Menschen wieder ins Berufsleben zu überführen, werden ihnen auch Arbeitsmöglichkeiten angeboten. Wenngleich mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand der Beschäftigten die Arbeitsphasen durch Tätigkeiten wie Basteln aufgelockert werden, berichtet Dick. Zum Arbeitsangebot gehört unter anderem die industrielle Fertigung. An diesem Tag werden von einem Verpackungsunternehmen angelieferte Schachteln gefaltet und mit Schokolade gefüllt, Weihnachtspäckchen für eine große Baumarktkette. In der Schreinerei wird derweil angeliefertes Holz zugeschnitten und auch mit Hilfe einer Nagelmaschine zu Paletten für den benachbarten Lagersystemhersteller Kardex zusammengenagelt. Ihn und die Wichern-Werkstätte verbindet eine mehrjährige Geschäftsbeziehung.

Handwerk vermitteln

„Wir wollen Handwerk vermitteln, weniger auf Maschinen setzen als auf Handarbeit“, erklärt Benjamin Stuppert, Gruppenleiter in der Schreinerei. Er weist darauf hin, dass diese zwar recht gut ausgestattet ist, aber eine weniger große Bandbreite hat als ein richtiger Handwerksbetrieb. Und: „Hier arbeiten Menschen mit Behinderung, weshalb mehr Vorsicht angesagt ist“, verweist er auf ein erhöhtes Augenmerk auf die Arbeitssicherheit.

Anlässlich des deutschlandweiten Aktionstages Schichtwechsel ist ein Gast da: Bastian Lehmann. Der 24-jährige gelernte Werkzeugmacher arbeitet normalerweise in der Instandsetzung bei Kardex, hat also meist mit Metall und „nur ab und zu ein bisschen mit Kunststoff zu tun“, mit Holz eigentlich eher nicht. Er hat für einen Tag den Arbeitsplatz mit Leon Selaci getauscht. „Ich war noch nie da, habe nur über den Zaun geschaut. Ich habe es mir nicht so groß vorgestellt.“ Die Kollegen für einen Tag haben ihn gut aufgenommen. Lehmann empfindet die Arbeit mit beeinträchtigten Menschen als nicht viel anders als mit seinen Kollegen drüben. Die Arbeit hier sei zwar anders als er es gewohnt ist, aber es sei lehrreich, einmal eine andere Perspektive einzunehmen.

Perspektivwechsel ermöglichen

Das ist laut Dick auch das Ziel des Aktionstages, an dem die Wichern-Werkstätte erstmals teilnimmt. „Die Teilnehmenden sollen damit eine neue Perspektive auf das Thema Teilhabe am Arbeitsplatz erhalten.“

Eine andere Perspektive hat an diesem Tag auch Leon Selaci. Seine Aufgabe ist es, bei Kardex unter Anleitung defekte Gerätschaften zu reparieren und Maschinen zu warten. Unter anderem hat er an einem Transportwägelchen ein Kantenprofil gewechselt und Reifen gewechselt. Bei ihm ist es umgekehrt wie bei seinem Tauschpartner: Er, der sonst fast nur mit Holz arbeitet, hat es heute überwiegend mit Metall zu tun. Seit über zwei Jahren arbeitet er in der Wichern-Werkstätte, erzählt der 23-Jährige. Zwar sei der Werkstoff Holz anders als Metall, aber die Werkzeuge seien ähnlich. „Einiges war neu, aber mir wurde gezeigt, wie es geht.“ Selaci kann sich durchaus vorstellen, in einem regulären Betrieb zu arbeiten. „Theoretisch ist das möglich, aber jetzt noch nicht.“

Vorbehalte abbauen

Der Ausbildungsleiter im Bellheimer Metallwerk, Florian Eiswirth, stellt dem Neuen ein gutes Zeugnis aus. Die Mitwirkung im Betrieb sei für die Menschen mit Behinderung eine Chance und für die Kardex-Kollegen eine Bereicherung. So sei es in der Vergangenheit schon mehrmals vorgekommen, dass Arbeitskräfte der Wichern-Werkstätte während eines teils sechs- bis achtwöchigen Praktikums bei der Kardex reingeschnuppert haben.

Dick zieht ein positives Fazit dieses Jobtausches. Ob er wiederholt oder gar auf weitere Unternehmen ausgeweitet wird, müsse sich noch zeigen. Ziel des Aktionstages sei es auch, nach wie vor bestehende Vorbehalte von Gesunden gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen abzubauen.

Bei Kardex: Leon Selaci von der Wichern-Werkstätte hilft bei der Instandsetzung von Geräten und Maschinen.
Bei Kardex: Leon Selaci von der Wichern-Werkstätte hilft bei der Instandsetzung von Geräten und Maschinen.
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