Germersheim Durch Heroinspritzen fast ein Bein verloren

Schüler waren erstaunt, wie schnell der Weg vom einmaligen Drogenkonsum in die Abhängigkeit führt.
Schüler waren erstaunt, wie schnell der Weg vom einmaligen Drogenkonsum in die Abhängigkeit führt.

Die Ampel-Koalition will Cannabis für Erwachsene freigeben. Am Goethe-Gymnasium befassten sich die siebten Klassen mit Suchtprävention. Dabei sprachen sie auch mit zwei ehemaligen Drogenabhängigen, die den Jugendlichen von ihren Erfahrungen mit Drogen berichten.

Das Thema Sucht ist seit 2018 eines der drei möglichen Themen bei der Aktion „Prävention im Team“ (PiT) des Goethe-Gymnasiums. Die anderen beiden Themen sind Gewalt und Fremdenfeindlichkeit. „Aufgrund der Aktualität des Themas haben wir uns in diesem Jahr dazu entschieden, das Thema Sucht zu behandeln“, erläutert Lehrerin Sarah Kröper. Es gehe bei dem Programm vor allem um die Aufklärung der Schülerinnen und Schüler.

Swea Block, Polizistin vom Sachgebiet Jugend der Germersheimer Inspektion, sieht durch PiT sowohl Vorteile für die Jugendlichen als auch die Polizei. „Wir können Hemschwellen abbauen und gleichzeitig um den Nachwuchs werben“, sagt die Polizistin. Nach einer Führung durch die Polizeiinspektion, bei der Ausrüstung und die Wache, das „Gehirn der Dienststelle“, gezeigt werden, zeigt sie Fallbeispiele aus der Praxis. Sie führt detailliert aus, wie die einzelnen Drogen wie Crystal Meth, Halluzinogen und Kokain sich im Rausch anfühlen und sich, beispielsweise durch folgende Hirnschäden und Leberzirrhose, auf die Gesundheit auswirken. Bilder unterstreichen sämtliche Beispiele.

Glücksgefühl und Sucht

Auf dem Weg zurück zum Goethe-Gymnasium sprechen die Jugendlichen über Gesehenes. „Mir hat vor allem der Vortrag gefallen. Da wurden beide Seiten von Drogen gut erklärt“, sagt ein Schüler. Er meint damit, die Glücksgefühle, die man während des Rauschs verspürt und die gesundheitlichen Folgen des Drogenkonsums. In der Schule gibt es dann ein Gespräch mit zwei ehemaligen Drogenabhängigen – Paul und Samira (Namen von der Red. geändert). Sie werden von Stefanie Krummel von der Drogenberatungsstelle NIDRO begleitet, die sie unterstützt. Zum Einstieg erklärt die Beraterin, was eine Drogenberatungsstelle genau tut und fragt die Jugendlichen, ob sie schon Erfahrungen mit dem Thema Sucht gemacht haben. Ein Großteil der Klasse kennt das Problem jedoch nur aus Serien oder Filmen.

Paul und Samira erzählen ihre Geschichten: Paul kam erstmals mit 13 Jahren über seinen Freundeskreis mit Cannabis in Kontakt. Schnell stürzte er in die Sucht ab und begann bald auch selbst, Drogen zu verkaufen. Mit Dauer der Sucht nahm er immer härtere Drogen, schon mit 15 konsumierte er Crystal Meth. Zu Hochzeiten verbrauchte Paul „drei Kilo Gras und ein halbes Kilo Crystal“ in der Woche. Seine Sucht brachte ihn schließlich ins Gefängnis und somit in den Entzug. „Dort hatte ich genug Zeit, mein Verhalten zu reflektieren. Vor allem wie ich meine Freundin behandelt habe“, schildert Paul seine Erlebnisse. Nun will er sich bessern.

Weg in die Kriminalität

Samiras Sucht entwickelte sich, als sie 18 Jahre alt war und zum ersten Mal Heroin und Kokain probierte. Kurz darauf eskalierte ihr Konsum und sie brach ihre Ausbildung ab. In den kommenden Jahren scheiterten mehrere Entzugsversuche. Wegen ihrer Sucht rutschte Samira schließlich in die Kriminalität, da sie sich ihre Drogen nur noch durch den Diebstahl und Weiterverkauf von Alkohol finanzieren konnte. Anfang dieses Jahres hätte sie durch die Heroinspritzen fast ein Bein verloren. „Das hat mich aufgeweckt. Da habe ich gemerkt, es muss sich etwas ändern“, beschreibt Samira die Situation. „Ich bin knapp zwei Monate clean.“ Die Entgiftung in ihrem aktuellen Entzug habe ihr sehr geholfen. Die Schuld an ihrer Drogensucht sehen beide nur bei sich selbst.

Eine Schülerin fragt nach Auswirkungen der Sucht auf die Kinder der früheren Abhängigen, andere interessieren sich für die Folgen für Familie und Freundeskreis generell. „Ich bin ganz alleine“, erklärt Samira. „Mein Sohn hat meine Sucht fast von Anfang an miterlebt und sehr darunter gelitten. Bis vor ein paar Wochen hatte ich keinen Kontakt mit ihm. Freunde habe ich keine.“ Sie wolle vor allem drogenfrei werden, um wieder ihre Töchter sehen zu können. „Meine Mutter stand immer an meiner Seite. Dazu habe ich einen engen Freund aus der Grundschule und meine Freundin. Mit den Freunden aus meiner Sucht will ich nichts zu tun haben“, sagt Paul. Die meisten seiner ehemaligen Kontakte seien noch von Drogen abhängig. Bei ihnen habe sich der Wille zur Abstinenz noch nicht durchgesetzt und den brauche es unbedingt. Die Entzugserscheinungen seien zwar hart, durch ihren Entzug fühlen Paul und Samira sich aber besser. „Ich bin fitter und habe eine ganz andere Lebenseinstellung gefunden“, sagt Paul. Es sei immer ein Ausgleich nötig, den er im Sport finde. Samira helfe vor allem der geregelte Tagesablauf.

Positive Zukunft

Aktuell befinden beide sich noch in Therapie. Für nach dem Entzug hat Paul schon einen Arbeitsplatz im handwerklichen Bereich in Aussicht. Seine Schlussbotschaft an die Jugendlichen:„Lasst euch nicht von den kurzfristigen positiven Effekten der Drogen beeinflussen!“ Nach dem Vortrag sind die Schülerinnen und Schüler froh, dass Paul und Samira offen und ehrlich mit ihnen waren. „Ich hätte nie gedacht, dass es so leicht ist, an Drogen zu kommen. Das ist schlimmer als gedacht“, äußert eine Schülerin. „Mich schockiert, wie schnell man süchtig werden kann“, merkt ein anderes Mädchen an.

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