Wörth Hochwasser: Eine böse Überraschung und eine überraschende Lösung

Die Station des THW am Schauffele-See ist nicht die einzige.
Die Station des THW am Schauffele-See ist nicht die einzige.

Die Lage in Wörth ist stabil, die Pegel stagnieren. Im Rückblick wird klar, dass die 1783 Bewohner des Altorts Glück gehabt haben. Oder die richtigen Leute zur rechten Zeit.

Dienstag, 14 Uhr: „Die Lage ist stabil, die Pegel stagnieren.“ – Rainer Böser leitet im Wechsel mit Jürgen Stephany einen Einsatz, der weiter nur ein Ziel hat: den Altort Wörth vor einer Überflutung zu schützen. Die Aussichten sind gut, die Pumpen laufen wie am Schnürchen. Am Anfang stand aber eine böse Überraschung, für die eine überraschende Lösung gefunden wurde.

Der Einsatzstab hat sich nach den starken Regenfällen am Freitagnachmittag nämlich aus einem ganz anderen Grund zusammengesetzt, erzählt Böser. Er wollte sich auf ein Hochwasser an der Wieslauter vorbereiten. Bis Wolfgang Reichelt, Betriebsleiter des Entwässerungsverbands Obere Rheinniederung, darauf hinwies, dass der Boden im Bienwald noch von den Regenfällen im November, Dezember und März vollgesogen ist wie ein Schwamm.

Was bedeutet: Der ganze Regen, der auf die 95 Quadratkilometer fällt, fließt sofort ab. Und zwar fast zur Gänze über den Heilbach, der mitten durch Altwörth verläuft. Angesichts von 100 bis 120 Liter/Quadratmeter in 24 bis 36 Stunden war klar, dass das auf eine unkontrollierte Überflutung des Altorts hinaus lief. Die Einsatzkräfte bereiteten sich auf eine Evakuierung vor: 1783 Menschen aus 458 Gebäuden.

Betriebsvorschriften übergangen

Denn die Überflutung schien angesichts der Wassermassen unvermeidlich. Die Betriebsvorschriften für das Rückhaltebecken sahen nämlich vor, dass ab einem Pegelstand des Heilbachs von 1,20 Meter in Wörth das Wasser im Becken eingestaut wird. Die Vorschrift stammt aus den 80ern: Damals wurde mit solchen Wetterlagen wohl nicht gerechnet. Die Folge wäre gewesen, dass irgendwann der Notablauf aktiviert und der Grundschieber geöffnet worden wäre, um ein Drittel des Wassers abzulassen. Dieses Wasser wäre unkontrolliert auf Wörth zugeschossen.

Mitten in der Hektik wurde eine andere Lösung gefunden: Der Schieber am Rückhaltebecken blieb offen. Es wurde so viel Wasser wie möglich über den Heilbach durch Wörth abgeleitet, bis zu einem Pegel von 1,63 Meter. Der Rest wurde vor Wörth mit Pumpen quasi abgefangen und in den Schauffele-See geleitet. Trotzdem stieg der Pegel im Becken zeitweise auf 8,50 Meter – was zeigt, wie viel Wasser aus dem Bienwald drückt.

Wasser drückt

Und es drückt immer noch. Reichelt rechnet damit, dass noch vier bis fünf Tage gepumpt werden muss. Und die Pumpstrecke hat es in sich: Sie führt zunächst zum Schauffele-See, von dort in den Altrhein und dann zu den zwei letzten Gliedern in der Kette: den Schöpfwerken bei der Contargo und beim Daimler-Klärwerk, die das Wasser in den Rhein befördern.

Dabei werden Wassermengen bewegt, die kaum vorstellbar sind: 50.000 Liter in der Minute flossen aus dem Bienwald zu, bis zu 100.000 Liter in der Minute wurden gleichzeitig durch die langen Schläuche gepumpt. Letztere Menge entspricht dem Inhalt von zweieinhalb 50-Meter-Becken in der Stunde.

Gigantischer Aufwand

Der Aufwand dafür ist gigantisch: Das THW hat im Bereich des Schauffele-Sees kleine Zeltsiedlungen aufgebaut, die ehrenamtlichen Helfer kommen aus ganz Deutschland. Mittlerweile arbeiten sie im geregelten Schichtbetrieb. In der Anfangsphase konnte davon keine Rede sein: Der eine oder andere kam notgedrungen sogar 24 Stunden ohne Schlaf aus.

Pumpstation am Schauffele-See.
Pumpstation am Schauffele-See.
Das Rückhaltebecken sieht aus wie ein unscheinbarer Teich. Die Wasserfläche erstreckt sich aber über mehrere Kilometer den Lauf
Das Rückhaltebecken sieht aus wie ein unscheinbarer Teich. Die Wasserfläche erstreckt sich aber über mehrere Kilometer den Lauf des Heilbachs aufwärts.
Pumpstation im Heilbach an der Brücke kurz vor dem Netto-Markt.
Pumpstation im Heilbach an der Brücke kurz vor dem Netto-Markt.
Fließt alles nach Wörth: Regenwasser-See am Rand des Bienwalds.
Fließt alles nach Wörth: Regenwasser-See am Rand des Bienwalds.
Pumpen am Straßenrand.
Pumpen am Straßenrand.
Vom Heilbach überflutet: Die Hagenbacherstraße in Wörth.
Vom Heilbach überflutet: Die Hagenbacherstraße in Wörth.
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