Kreis Germersheim „Joa wird keinen Burkini tragen müssen“

Für den AfD-Kreisvorsitzenden ein rotes Tuch: Mädchen im Burkini.
Für den AfD-Kreisvorsitzenden ein rotes Tuch: Mädchen im Burkini.

In den Bädern der Stadt Wörth ist der Zugang und das Schwimmen mit dem sogenannten Burkini erlaubt. Für den AfD-Kreisvorsitzenden und Landtagsabgeordneten Matthias Joa ist dies Anlass für eine Pressemitteilung mit der Überschrift: „Keine weiteren Zugeständnisse an den Islam in Schwimmbädern im Landkreis.“ Der frühere Bürgermeister der Stadt Wörth, Harald Seiter (CDU), und sein Nachfolger Dennis Nitsche (SPD), beziehen auf Wunsch der RHEINPFALZ dazu Stellung.

Zum Auftakt seiner Mitteilung schreibt Joa: „Seit Ende 2015 die Zuwanderung von Migranten nach Deutschland stark angestiegen ist, wurden Sicherheitshinweise und Baderegeln in Schwimmbädern – auch im Landkreis Germersheim – stark angepasst. In der Praxis vor allem in Richtung einer islamkonformen Badeordnung sowie verschärften Verhaltensregeln, die offensichtlich dem Verhalten einiger Zuwanderer Rechnung tragen sollen.“ Die Baderegeln wurden aber vom Werkausschuss bereits am 30. Juni 2015 beschlossen, so die Stadtverwaltung Wörth. Sie ist damit keine Reaktion auf Fluchtbewegungen im Zuge der militärischen Auseinandersetzungen in Syrien oder anderen Krisengebieten, sondern ist bereits vorher erfolgt. Damit wolle der Badbetreiber mehr Partizipation, Sichtbarkeit und Kontakte unterschiedlicher Lebensauffassungen ermöglichen, die schon jetzt integraler Bestandteil der deutschen Gesellschaft sind. „Gäste aller Glaubensrichtungen sind im Badepark Wörth herzlich zur gemeinsamen Freizeitgestaltung willkommen, die Form der Badebekleidung spielt dabei keine wesentliche Rolle“, so die Stadtverwaltung. Für Joa hingegen wird der Burkini im Badepark Wörth zum Prüfstein für die Entwicklung Deutschlands: „Der Fall Wörth mag exemplarisch dafür stehen, wie Zuwanderung kulturfremder Gruppen unseren Alltag negativ verändert. Wer sich nicht an unsere Regeln hält – sei es in Sachen Bekleidung oder Verhalten – der hat in unseren Bädern, und ich sage es in aller Deutlichkeit, und auch in unserem Land nichts verloren“, schließt Joa. Die Sicht des früheren Bürgermeisters Seiter auf Wörth ist eine deutlich andere: „Wenn nach einer Stadt gesucht wird, in der Migranten verschiedenster Nationalität und unterschiedlicher Religion mit der angestammten Bevölkerung friedlich zusammen leben, ist Wörth die richtige Adresse. Mit Beginn der Industrialisierung des früheren Dorfes vor über 50 Jahren kamen Menschen aller Herren Länder, darunter auch viele Muslime, hier her. In meinen 36 Jahren als Bürgermeister kam es nie zu ernsthaften Konflikten. Wo es Differenzen gab, hat man sich arrangiert. Und nun echauffiert sich MdL Joa über Burkinis im Badepark und darüber, dass für jeden Besucher gültige Bade- und Verhaltensregeln, die zu einem großen Teil unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten formuliert sind, in andere Sprachen übersetzt sind. Und am Ende will er auch noch feststellen, dass ,der Fall Wörth exemplarisch dafür stehen (mag), wie Zuwanderung kulturfremder Gruppen unseren Alltag negativ verändert.’ Ein Schlag ins Gesicht aller, die sich seit Jahrzehnten um ein friedliches Miteinander in der Stadt bemühen, erfolgreich, wie sich belegen lässt. Herr Joa soll sein Kulturverständnis für sich behalten. Den Beleg eigener Islamophobie hat er mit seiner Pressemitteilung geliefert.“ Der amtierende Bürgermeister Nitsche schreibt, Joa versuche „Misstrauen und Ängste zwischen der ansässigen Bevölkerung sowie Menschen mit Migrationshintergrund älteren und jüngeren Datums zu schüren.“ Joa schwadroniere von einer Entwicklung in „Richtung einer islamkonformen Badeordnung sowie verschärften Verhaltensregeln“, zitiert Nitsche den AfD-Abgeordneten. Eine „islamkonforme Badeordnung“ sei aber schlichter Unfug und die Behauptung deren Existenz eine kalkulierte Böswilligkeit. Eine Selbstverständlichkeit dagegen sei es, so Nitsche, die Haus- und Badeordnung den Gästen des Badeparks so zu vermitteln, dass sie verstanden wird – denn nur so könnten die Regeln auch eingehalten werden. „Fakt ist, dass es Menschen in Deutschland gibt, die der deutschen Sprache (noch!) nicht in dem Umfange mächtig sind, um eine klassische Badeordnung zu lesen. Dem muss man Rechnung tragen“, so Nitsche. Es gehe also um die Einhaltung gegebener Regeln, nicht um die Anpassung der Regeln an eine von Joa herbeiphantasierte „islamkonforme Badeordnung“ – was auch immer das sein soll. Dass dabei auch die in Deutschland erwarteten geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen angesprochen werden, ist selbstverständlich. Schließlich sollte man Neubürgern alle Regeln und Werte nahebringen. „Ob Herr Joa andersherum intuitiv wüsste, wie er sich im traditionellen türkischen Hammam oder im althergebrachten japanischen Jakuzi zu verhalten hätte, wenn es ihm niemand beibringen würde?“, fragt Nitsche. Seit Jahren vermittele die Stadt übrigens ihren französischen Gästen die Baderegeln auf Französisch. „Und dass die Baderegeln auch auf Deutsch angeschlagen sind, bedeutet eben auch, dass mancher Deutsche die Baderegeln nicht kennt.“ Im Übrigen töne Joa: „ Wie weit sollen wir uns noch den Zuwanderern anpassen und unser gewohntes Umfeld nach deren Vorstellungen umgestalten?“ Dazu Nitsche: „Keine Sorge – weder Sie noch andere werden jemals im Badepark Wörth Burkini tragen müssen, Herr Joa. Versprochen.“ Zur von Joa aufgeworfenen Frage der Hygiene sagt Nitsche: „Es gibt keinen Unterschied zwischen einem verdreckten Burkini und einem verdreckten Badeanzug oder Bikini. Zwischen sauberen aber auch nicht. Daher die Badeordnung, die das klarstellt. Hätte Herr Joa die Badeordnung wirklich ernsthaft gelesen, wüsste er das. So scheint es aber, dass es wieder einmal nur um ausländerfeindliche Hetze geht.“

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