Kreis Germersheim Schulleiter trotz „falscher“ Partei

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Wörth. Lehrer und Politik – passt das zusammen? Ja, lautet die Erfahrung von Joachim Paul. Wobei dazu aber auch gehört, dass zumindest früher bei Stellenbesetzungen auf das Parteibuch geschaut wurde. Paul leitete über 25 Jahre lang Schulen im Kreis Germersheim und ist seit seinem Eintritt in die SPD 1972 bis heute in verschiedenen Gremien vertreten. Heute wird er 70 Jahre alt. Die SPD ehrt ihn morgen mit ihrer höchsten Auszeichnung, der Willy-Brandt-Medaille.

Es war die große Politik, die Paul zum Eintritt in die SPD bewegte. „Die Ostpolitik von Willy Brand, das war genau der Punkt, an dem ich mit meinem Vater im Clinch lag“, erinnert sich Paul. Denn Pauls Vater war nach Kriegsende aus Ostpreußen ausgewiesen worden, Paul wurde in einem Übergangslager in Dänemark geboren. Über Oberfranken gelangte die Familie nach Pirmasens, wo Paul aufwuchs und das Abitur machte. Während Pauls Vater an der alten Heimat fest hielt, für die er in den Vertriebenenorganisationen einen Ersatz fand, wollte Paul neue Wege gehen. Der entscheidende Punkt in der Auseinandersetzung mit der Geschichte war für Paul nicht die Reaktion der Sowjetunion auf den deutschen Eroberungskrieg, sondern dessen Vorgeschichte: Gegen das sogenannte „Ermächtigungsgesetz“, mit dem der Reichstag Hitler den Weg ebnete, stimmten alleine die Sozialdemokraten. Die kommunistischen Abgeordneten waren bereits in Haft oder untergetaucht, die Abgeordneten des katholischen Zentrums und die Liberalen stimmten zu – darunter auch der spätere Bundespräsident Theodor Heuß (FDP), der erste Ministerpräsident von Baden-Württemberg und spätere Bundesminister Reinhold Maier (FDP) und der spätere Bundesminister – unter anderem für Vertriebene – Ernst Lemmer (CDU). Von den 96 Reichstagsabgeordneten, die die Nazis umbrachten, gehörten 43 der KPD und 41 der SPD an. Die deutsche Gesellschaft war auch Jahrzehnte nach Kriegsende noch tief gespalten. Im Jahr 1972, als Paul in die Politik ging, wurde sein Idol – der frühere Widerstandskämpfer Willy Brandt – von seinen konservativen Gegnern als „vaterlandsloser Geselle“ beschimpft. Ein Hauch dieses eiskalten Windes wehte auch Paul entgegen. 1971 trat er seine erste Stelle an der Dorschbergschule an, 1972 fragte Günter Tröscher den jungen Lehrer, ob er nicht bei Kommunalwahlen kandidieren wolle. Nachdem er an zweiter Stelle auf der SPD-Liste in den Verbandsgemeinderat Wörth gewählt worden war, sprach sein damaliger Schulleiter Paul an: „Damit haben sie sich alle Chancen verbaut, in der Südpfalz werden sie nur mit der CDU was.“ Paul wundert sich darüber wohl heute noch: „Dabei hatte ich doch als junger Lehrer überhaupt keine Ambitionen.“ 1984, als die Schulleiterstelle in Freckenfeld frei war, habe der Schulrat ihn gefragt, ob er nicht Interesse habe, eine kleine Schule zu leiten, erinnert sich Paul. „Dann können sie ja das mit der SPD und dem Gemeinderat und den GEW-Kreisvorsitz abgeben“, habe der Schulrat hinzugefügt. Paul blieb in der SPD und bekam die Stelle dennoch. Als er sich 1990 um die Schulleitung in Wörth bewarb, leitete der Schulrat einfach Pauls Bewerbungsunterlagen nicht nach Mainz weiter... Paul bekam die Stelle am Ende doch und gestaltete den Wandel der Hauptschule Wörth zur Regionalen Schule und dann zur Realschule plus. Politisch blieb er auch als Schulleiter weiter aktiv, als Beigeordneter war er ab 1989 zehn Jahre für die Bereiche Jugend und Sport zuständig. Bei den ersten Urwahlen des Stadtbürgermeister 1999 trat er gegen den langjährigen Amtsinhaber Harald Seiter (CDU) an und unterlag mit respektablen 40 Prozent. Heute ist Paul Sprecher der SPD-Fraktion im Wörther Stadtrat und Mitglied des Kreistages Germersheim. Als ob das alles nicht genug wäre: Unter dem Kürzel jopa ist er seit vielen Jahren freier Mitarbeiter der RHEINPFALZ. Termin Empfang für Joachim Paul morgen, Freitag, 18 Uhr, Altes Rathaus, Wörth.

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