Kreis Germersheim Verbotene Fahnen übersehen

Die Polizei griff nicht ein: Ein Teilnehmer der „Frauenbündnis“-Demo auf dem Marktplatz am Samstag posiert mit Fahnen und Wappen
Die Polizei griff nicht ein: Ein Teilnehmer der »Frauenbündnis«-Demo auf dem Marktplatz am Samstag posiert mit Fahnen und Wappen von Bundesländern. Das ist verboten.

Der Mann, der sich am Samstagnachmittag vor dem Kandeler Saubrunnen an Landrat Fritz Brechtel (CDU) wandte, war sichtlich empört: Brechtel solle etwas machen, forderte er den Landrat auf. Auf der „Frauenbündnis“-Versammlung würden offen und provokativ Fahnen von Bundesländern mit Wappen gezeigt. Das sei verboten. Bei rechten Demos in Karlsruhe sei die Polizei da immer sofort eingeschritten, so der Mann. Brechtel griff gleich zum Handy und telefonierte.

Auf dem Marktplatz war 15 Minuten später noch eine Frau zu sehen, die eine etwa 30 mal 40 Zentimeter große sächsische Fahne trug. Nicht provokativ, sondern eher unauffällig an der Seite, aber doch von außen zeitweise deutlich zu sehen. Die Polizei reagierte nicht. Schon zuvor hatte der RHEINPFALZ-Fotograf einen Mann fotografiert, der mit zwei großen Bundesland-Fahnen posierte. Das Bild wurde in der Montagausgabe der RHEINPFALZ veröffentlicht. Die Einsatzkräfte der Polizei hingegen bemerkten lediglich zu Beginn der „Frauenbündnis“-Versammlung eine Person, die im Begriff war eine Fahne auszupacken, so die Polizei am Montag auf Anfrage der RHEINPFALZ. Die Fahne war augenscheinlich nicht nur Schwarz-Rot-Gold gefärbt. Der Versammlungsleiter des „Frauenbündnisses“ bemerkte dies ebenfalls und sprach sofort diesen Versammlungsteilnehmer an, so die Polizei. Bei der Ansprache wies er alle Teilnehmer auf das Verbot der Benutzung von Dienstflaggen beziehungsweise Fahnen mit Wappen hin. Die Benutzung einer solchen Fahne ist eine Ordnungswidrigkeit (§ 124 OWiG). „Da die Person nach unserem Erkenntnisstand die Fahne somit nicht im Aufzug mitführte, wurde im Rahmen des Opportunitätsprinzips keine weiteren Maßnahmen getroffen“, so die Polizei. Eine weitere Beobachtung: Anders als bei den vorherigen Demonstrationen seien viele Polizisten „sehr unfreundlich“ und aggressiver als sonst gewesen, sagt Inge Heimer, eine Kandler Oma gegen Rechts. Ihr Eindruck: Sie waren „angespannt“, dabei gab es dann auch Aussagen wie: „Hier wird nicht diskutiert.“ Als die Omas gegen Rechts vom Bahnhof zum Plätzel wollten, wurde ihnen – darunter eine Rollstuhlfahrerin – zunächst der Durchgang mit den Worten „Da ist Antifa dabei, die lassen wir nicht durch“ verweigert. Auf ihre Frage, wer denn der Einsatzleiter sei, wurde ihr beschieden: „Den kennen sie doch vom Kooperationsgespräch.“ Worauf Heimer erwiderte, dass kein Kooperationsgespräch stattgefunden habe. Erst als dann der Einsatzleiter vor Ort war, durften sie passieren. Später leitete die Polizei ein Ermittlungsverfahren gegen Bürgermeister Volker Poß (SPD) ein. Dazu kam es, weil die Demonstration des „Frauenbündnis Kandel“ am Samstag am Haus von Poß vorbei führen sollte. Eigentlich wollte Poß den Umzug alleine anschauen, sagte er der RHEINPFALZ. Dann wurde er aber von etwa 30 Menschen besucht. Zu den Besuchern gehörten Alexander Schweitzer (SPD, Vorsitzender Landtagsfraktion), Dennis Nitsche (SPD, Bürgermeister Wörth), einige Jusos und der SPD nahestehende Menschen, erzählt Poß. Er habe sie von der Straße in seinen Hof gebeten, Plakate und Transparente trugen die Besucher zwar mit sich, wurden vom Hof aus aber nicht gezeigt. Dennoch wurde er von Mitarbeitern der Kreisverwaltung angesprochen. Er habe ihnen versichert, dass vom seinem Hof aus keine Störungen der Frauenbündnis-Demo zu erwarten seien. Drei Mitarbeiter der Kreisverwaltung seien danach gegenüber von seinem Haus gestanden und haben die Menschen auf seinem Hof beobachtet, so Poß. Etwa 15 Minuten später seien zwei Kripo-Beamte vorbei kommen und haben ihn darüber informiert, dass gegen ihn Anzeige wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz erstattet worden sei, berichtet Poß. Wer ihn angezeigt hat, wurde Poß nicht gesagt. Er habe darauf seine Besucher gebeten, wieder zu gehen. Die Demonstration führte dann doch nicht am Haus vorbei, weil das „Frauenbündnis“ seine Pläne änderte. Zu den Ermittlungen kam es laut Polizei, nachdem gegen 14 Uhr Einsatzkräfte mitgeteilt hatten, dass im Hof des Anwesens von Poß über 30 Personen mit Fahnen und Transparenten stehen. „Daraufhin erfolgte durch die Einsatzkräfte vor Ort unter Beteiligung von Verantwortlichen der Kreisverwaltung Germersheim eine erste Bewertung dieses ,Treffens’“, so die Polizei. Die Polizei entschied, dass es sich um eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel handeln könnte – und bei dieser bestehe grundsätzlich eine Anmeldepflicht nach dem Versammlungsgesetz. Eine Nichtbeachtung der Anmeldepflicht löse bei der Polizei automatisch einen Strafverfolgungszwang aus. Dies sei immer so, wenn Verdachtsmomente für eine Straftat vorliegen. Diesem Zwang kam der Einsatzleiter nach, indem er Beamte aus dem Abschnitt Ermittlungen den Sachverhalt ermitteln ließ. Wenn die Beamten die mögliche Straftat nicht verfolgen, machen sie sich möglicherweise selbst strafbar, so die Polizei. Nach Abschluss der Ermittlungen gehe das Verfahren zur Entscheidung an die Staatsanwaltschaft Landau.

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