Kreis Kaiserslautern Das „Durcheinander der Bäume“

Am Forstamt Johanniskreuz ging es in den vergangenen Wochen ein bisschen brasilianisch zu. Andrey Lessa war für drei Monate als Praktikant in der Pfalz. Aus der Großstadt Curitiba im Süden Brasiliens und einem Forst, der sich der Plantagenwirtschaft widmet, ist er in den Pfälzerwald gekommen. Sein forstwirtschaftlicher Masterstudiengang verschafft ihm einen Einblick in eine andere Welt.

Es sind gewaltige Unterschiede zwischen Johanniskreuz und Curitiba. Die rund 900 Meter hoch gelegene Stadt hat über 1,7 Millionen Einwohner, liegt etwa 90 Kilometer vom Atlantik entfernt. Hier wird es nie so richtig kalt aber auch nie so richtig heiß, mit über 80 Prozent Luftfeuchtigkeit geht es fast tropisch zu. In Johanniskreuz erlebte Andrey Lessa dagegen einen Wald, der aussieht wie die reine Natur mit alten und jungen Bäumen, mit Laub- und mit Nadelhölzern und der vergleichsweise menschenleer ist. „Es ist für mich eine wirklich großartige Erfahrung hier sein zu dürfen“, ist sich Lessa seines ungewöhnlichen Praktikumsplatzes durchaus bewusst. Hier durfte er erfahren, wie es gelingen kann, einen Kulturwald natürlich aussehen zu lassen. Er lernte alte Eichen kennen, die sich seit mehr als 100 Jahren an ihrem Standort behaupten und entwickeln dürfen. Das wunderbare „Durcheinander der Bäume“ faszinierte ihn schnell. Der 25-jährige Student ist begeistert und zudem restlos von der Offenheit der Pfälzer angetan. Keinen Tag seines Aufenthaltes hat er bereut. Deutschland war sein Wunschland. Es hätte auch Schweden, Finnland, Spanien, Niederlande, Österreich oder Frankreich werden können. Sie alle sind mit Universitäten, genau wie die Uni Freiburg, am Programm zum Europäischen Forstwissenschaftlichen Masterstudiengang beteiligt. Die Federal University of Paraná, an der Andrey Lessa in Brasilien studiert, ist Partner des Programms. Über diese Verbindung und die gute Zusammenarbeit zwischen Forstamtsleiter Burkhard Steckel und der Uni Freiburg landete der junge Mann schließlich in der Pfalz. Der Süden Brasiliens, Lessas Heimat, ist geprägt von Plantagenwäldern. „Das ist kein Wald, das ist ein Holzacker“, so Burkhard Steckel, Leiter des Forstamts Johanniskreuz. Schnellwachsende Eukalyptusbäume stehen in Reih und Glied. In Umtriebszeiten von nur fünf bis zehn Jahren werden pro Hektar zwischen 300 und 500 Kubikmeter hochwertiges Holz erzeugt. Eine extrem produktive industrielle Holznutzung. Eukalyptus geht vorrangig in die Papier- und Zellstoffindustrie. Zum Vergleich: Der jährliche Holzzuwachs pro Hektar liegt in Deutschland im Durchschnitt bei elf Kubikmeter. Es ist das Management, die Planung, die Auszeichnung der Bäume, die Arbeit direkt im Wald, die Lessa während seines Praktikums zu verinnerlichen suchte. Er schrieb sie in dichtgepackte Berichten nieder, verarbeitete die Erkenntnisse in Präsentationen. „Unsere Praktikanten bereichern auch das Forstamt“, sagt Steckel. Das sei zwar Zusatzarbeit, aber eben nicht nur. Einblicke in fremde Kulturen werden möglich, immer wieder werde hinterfragt, wofür man man selbst stehe. Das habe die gemeinsamen Tage positiv geprägt. Während seines Aufenthalts interessierte den brasilianischen Gast auch Land und Leute in Trier, Speyer, Heidelberg oder Mannheim. Kaiserslautern fehlt. Kein Interesse am Fußball? Immerhin wohnt er in Curitiba, eine der Städte, in der demnächst die Fußballweltmeisterschaft ausgetragen wird. „Nein, kein Fußball, ich spiele Basketball und wenn die Zeit reicht wird geboxt.“ Wie es mit ihm nach dem Masterabschluss – voraussichtlich Sommer 2015 – weitergeht, weiß er noch nicht. Er wird sich wohl in einer der Plantagen einen Job suchen, wobei es wohl mehr Bewerber als Plätze gibt. „Andrey bekommt mit seinen Praktikumserfahrungen, seinen Englisch- und Deutschkenntnissen, bestimmt einen Job“, war sich Forstamtsleiter Steckel beim Abschied sicher. Alle seine ausländischen Praktikanten, ob aus Niederlande, China, USA oder Brasilien seien als Forstwissenschaftler in ihren Ländern gut angekommen. Vielleicht kann ja auch Andrey Lessa die Zukunft der Forstwirtschaft im Süden Brasiliens ein kleines bisschen mitbestimmen und den wirtschaftlichen Zwängen zur schnellen Produktion wenigstens den Weg in ein Modell mit mehr Natur ebnen. (thea)

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