Olsbrücken Zehn Jahre Kinderhaus: Von strengen Regeln und einem langfristigen Ziel

Ein Zimmer im Kinderhaus von einem dort lebenden Jungen. Derzeit leben zehn Kinder in der Einrichtung in Olsbrücken.
Ein Zimmer im Kinderhaus von einem dort lebenden Jungen. Derzeit leben zehn Kinder in der Einrichtung in Olsbrücken.

Dass zehn Kinder, ein zehntes Jubiläum und die zehn Gebote mehr als nur die Zahl gemeinsam haben, zeigt das Kinderhaus Olsbrücken. An seinem Jubeltag gewährten die Verantwortlichen einen Blick hinter die Kulissen.

„Es gab fröhliche Tage und mühsame Tage“, sagt Jasmin Jacobi-Fries mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre im Kinderhaus Olsbrücken, das vom Christlichen Jugenddorfwerks Deutschland (CJD) betrieben wird. Vergangenen Freitag gewährten Angebotsleiterin Jacobi-Fries und ihre Kollegen einen Blick hinter die Kulissen, einen Einblick in die Arbeit der CJD-Mitarbeiter.

In ihrer Ansprache geht Jacobi-Fries auf die zehn Gebote ein, schlägt Brücken von deren Botschaft zur Situation des Kinderhauses – etwa zum sechsten Gebot „Du sollst nicht Ehe brechen“. Scheidungskinder würden häufig hinten angestellt, sobald ein neuer Partner in die Familie komme, schildert sie. Eltern dürften ihre Konflikte grundsätzlich nicht auf dem Rücken der Kinder austragen. „Die innere Not der Kinder sieht man nicht, und die Verletzung der Seele kann man nur erahnen“, gibt Jacobi-Fries zu bedenken. Nicht nach dem Äußeren zu urteilen, die Kinder anzunehmen und die erfahrenen Traumata zu entschärfen, seien grundlegend im Umgang mit den Schutzbefohlenen.

400 Anfragen aus allen Teilen des Landes

Zwölf Voll- und Teilzeitmitarbeiter – Erzieher, Heilpädagogen, und eine Hauswirtschafterin – stellten sich beherzt im Drei-Schicht-Dienst den täglichen Herausforderungen im Kinderhaus. Dass ein immenser Bedarf vorhanden ist, stehe außer Frage. „Wir hatten dieses Jahr schon 400 bundesweite Anfragen. Dem stehen 53 Plätze in unseren sechs Kinderhäusern gegenüber“, erläutert Jacobi-Fries beim Tag der offenen Tür. Größtenteils erfolge die Vermittlung über das Jugendamt, das die Unterbringung in den Einrichtungen als Jugendhilfemaßnahme finanziere. Das Aufnahmealter reiche von drei bis zwölf Jahren, wobei schwerbehinderte Kinder nicht aufgenommen werden könnten.

„Es sind auch schon viele Tränen geflossen“, beschreibt Fachbereichsleiterin Jessica Hausknecht die Situation, allen und allem gerecht zu werden. „Die Kinder- und Jugendhilfe unterliegt ständiger Veränderung und muss immer an die Bedürfnisse der Kinder angepasst werden.“ Zielgruppen seien Kinder mit emotionaler Beeinträchtigung und Verhaltensauffälligkeiten – etwa aus seelischer Verwahrlosung oder aus Familien, in denen Gewalt, Prostitution, Alkohol- und Drogenmissbrauch zugegen seien. Daher sei es wichtig, dass die meisten Mitarbeiter traumapädagogisch ausgebildet seien. „Die Kinder sollen lernen, durchzuatmen und zu reflektieren“, erläutert Hausknecht. Eine Möglichkeit, dies zu tun, bietet Kunsttherapeutin Lisa Bachmann, indem Kinder das Erfahrene in Bildern und handwerklichem Gestalten verarbeiten oder mitteilen können.

Ziel: Familien wieder zusammenführen

Für Hausknecht und Jacobi-Fries lautet das Ziel, die Familie wieder zusammenzuführen – egal, wie lange der Prozess dauert. „Wir sind keine ,Kinderklauer’, und das Jugendamt ist ein Unterstützer für die Eltern“, versichert die Angebotsleiterin. Die Jugendhilfe ende mit dem 18., bei Auszubildenden mit dem 21. Lebensjahr. Oft seien die Kinder gegen den Willen der Eltern im Kinderhaus. Das führe häufig dazu, dass die Kinder in der Einrichtung in einen Abwehrmodus gingen und sich auflehnten.

Den Mehrwert des Ungewohnten im Kinderhaus könnten die Kinder – die am Tag der offenen Tür einen Ausflug unternommen haben – erst im Laufe der Zeit erkennen. Man wolle die Eltern nicht schlechtreden. Es seien immer nur Anteile, die nicht funktionierten. Teilweise seien die Eltern überfordert und selbst traumatisiert. „Bei uns im Haus übernehmen wir die Aufgaben von Eltern, gehen auch zu Elternabenden in die Schulen“, berichtet Jacobi-Fries. Wochenendbesuche, wenn vom Kind gewollt, und enger Austausch zwischen Eltern und Pädagogen seien erwünscht, um in Richtung Familienzurückführung zu gelangen.

Zehn Bewohner

Derzeit leben zehn Kinder zwischen neun und 16 Jahren im Haus, einige davon schon seit mehreren Jahren. Auf zwei Stockwerken verteilen sich die Einzelzimmer der Kinder, vier Bäder und Küche nebst diversen weiteren Räumen wie Wohn- und Spielzimmer – alle hell und farbenfroh gestaltet. Kornelia Christmann hat im Kinderhaus das Sagen. Als Leiterin ist sie Ansprechpartnerin für alle und überwacht die Einhaltung der Regeln, Pflichten, Dienst- und Wochenpläne. Einige Regeln klingen nach Selbstverständlichkeiten – etwa Schuhe wegräumen und Zähne putzen –, deren Einhaltung ist es aber keineswegs. Kinder, die sich regelmäßig daran halten, werden belohnt, dürfen zum Beispiel das Mobiltelefon mit in die Schule nehmen.

Dass das aufgebaute Vertrauen und die Bindung zwischen den Schutzbefohlenen und den Mitarbeitern des CJD nach dem Auszug nicht endet, zeigt am Freitag der Besuch einer ehemaligen Bewohnerin. Die 17-Jährige hat eine zweistündige Fahrt auf sich genommen, um zum Tag der offenen Tür zu kommen. Als Siebenjährige war sie im Olsbrücker Kinderhaus eingezogen. Mit 14 erfolgte der Versuch, sie wieder bei ihrem Vater leben zu lassen. Da sich das Verhalten des Vaters nicht geändert hätte, brach sie nach einem Jahr den Kontakt zu ihm ab und zog in eine Wohngruppe, erzählt sie. „Die Zeit hier im Haus hat mir sehr viel gebracht. Ich war früher sehr sturköpfig, ein schwieriges Kind halt. Es gab zwar strenge Regeln hier, aber das war viel angenehmer als der Stress zuhause bei meinem Vater“, schildert die Jugendliche, die demnächst eine Ausbildung beginnt.

Beim Tag der offenen Tür gewähren Jasmin Jacobi-Fries (links) und Kornelia Christmann einen Blick hinter die Kulissen des CJD-Ki
Beim Tag der offenen Tür gewähren Jasmin Jacobi-Fries (links) und Kornelia Christmann einen Blick hinter die Kulissen des CJD-Kinderhauses in Olsbrücken.
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