Kusel Nur ein Gedanke: Die Frau muss da raus

Eigentlich sollte es ein ganz normaler Arbeitstag für Christian Schwarz und Achim Glaser werden. Doch es kam anders. Bei dem schweren Autounfall am vergangenen Montag auf der L 370 zwischen Jettenbach und Rothselberg reagierten die beiden Lastwagenfahrer sofort und befreiten die 23-jährige Frau aus ihrem brennenden Fahrzeug, retteten ihr so vermutlich das Leben.

Wie üblich herrschte am Montagmorgen Hochbetrieb vor dem Steinbruch in Jettenbach. Es warteten so viele Lastwagen in der Privatstraße, dass Achim Glaser und Christian Schwarz ihre Brummis samt Anhänger vor der Einfahrt zum Steinbruch am Straßenrand der L 370 zwischen Jettenbach und Rothselberg abstellen mussten. Wenige Minuten später ein kurzer, aber lauter Knall. „Ich hab’ einen kurzen Schlag gespürt und vermutete, dass im Steinbruch gesprengt wird“, erinnert sich der 38-jährige Schwarz. Doch es war keine Sprengung. Eine 23-jährige Autofahrerin aus dem Kreis war Sekunden zuvor ungebremst in den Anhänger von Schwarz’ Laster gefahren. Durch die tiefstehende Sonne habe sie den Lkw nicht gesehen, sagte sie der Polizei später. „Das Auto habe ich gar nicht gesehen, nur Kunststoffteile, die neben meinem Anhänger durch die Luft flogen“, beschreibt Schwarz, der in Hettenroth im Landkreis Birkenfeld wohnt. Er stieg aus, ging zum hinteren Teil seines Lastwagens und traute seinen Augen nicht: Der Aufprall des Fahrzeugs war so heftig, dass sich die gesamte Front unter den Fahrschutz – ähnlich der Stoßstange am Auto – geschoben hatte. „Ich war mir sicher, da ist nix mehr zu retten“, ergänzt Schwarz kopfschüttelnd. Was in den kommenden Minuten passierte, habe er wie in Trance erlebt, erzählt der 38-Jährige. „Christian kam gerannt und forderte mich auf, ihm zu helfen. Ein Auto sei ihm gerade in den Anhänger gerauscht“, wirft Achim Glaser, der sofort Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr verständigt hatte, ein und ergänzt: „Ich dachte nicht, dass im Fahrzeug noch jemand am Leben ist.“ Diese Befürchtung bewahrheitete sich glücklicherweise nicht. „Sie hat gerufen: ,Holt mich bitte raus’“, erinnert sich Schwarz. Mittlerweile hatte das Auto der 23-Jährigen Feuer gefangen. Erste Versuche, die Fahrer- und Beifahrertür zu öffnen, scheiterten. „Beide Türen haben geklemmt. Auf die Idee, den Kofferraum aufzumachen, bin ich nicht gekommen“, ergänzt Schwarz. Die Flammen im Motorraum zu löschen, gelang ebenfalls nicht: „Es waren noch einige Lkw-Fahrer dabei, die Feuerlöscher organisierten; doch das Feuer entzündete sich schnell wieder“, sagt Glaser. „Ich hatte nur noch im Kopf: Die Frau muss aus dem Auto raus“, beschreibt Schwarz. Der 38-Jährige entdeckte eine Lücke oberhalb des Fensterrahmens auf der Fahrerseite, gerade breit genug für seine Finger. „Wir haben mit aller Kraft am Rahmen gezerrt.“ Mit Erfolg: Das Metall verbog sich und die Scheibe der Fahrertür brach, so dass die Lkw-Fahrer die 23-Jährige aus dem brennenden Gefängnis befreien konnten. „Sie hat relativ sicher auf ihren Beinen gestanden, das war eine große Erleichterung – vor allem, wenn man sich heute die Bilder von dem ausgebrannten Wrack anschaut“, sagt Schwarz, für den der Arbeitstag jedoch auch gelaufen war. „Ich war fix und fertig, hatte einen Blutdruck wie nie zuvor“, sagt er lächelnd. Kurz nachdem die Sanitäter die Unfallstelle verlassen hatten, bekam er Rückenschmerzen und konnte den Kopf nicht mehr drehen. „Wo das auf einmal herkam, ist mir ein Rätsel.“ Er wurde krankgeschrieben, sein Anhänger ist ein Totalschaden. „Die Hauptsache ist, dass es der Frau gut geht“, sind sich beide Retter einig. „Ich habe am Abend mit ihrer Mutter telefoniert. Das hat mich etwas beruhigt.“ Laut Schwarz sei sie mit einem gebrochenen Handgelenk und einer Platzwunde davongekommen. Und doch plagen ihn hin und wieder Was-wäre-wenn-Gedanken. „Egal wer hier die Bilder sieht, fragt mich, wie aus dem Fahrzeug noch jemand lebend herauskommen konnte.“ Die Frau muss neben Schwarz, Glaser und den Helfern vor Ort einen weiteren Schutzengel haben, der auf sie aufgepasst hat. (Fotos: Sayer, M. Hoffmann)

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