Kreis Kusel „Bei manchen sieht es düster aus“

91-85300013.jpg

Wenn sich die Alterssituation beim Gesang- und Musikverein Germania Ulmet in fünf bis sechs Jahren nicht ändere, sehe es trübe für den Verein aus, prophezeit Vorsitzender Klaus Jung. Ähnlich sieht es in weiteren Musikvereinen und Musikschulen aus. Sie alle haben ein Problem: Die Zahl der Jugendlichen sinkt. Die Gründe sind vielfältig, etwas dagegen zu tun nicht einfach. Die RHEINPFALZ hat bei einigen nachgefragt. Ergebnis: Die Meinungen gehen auseinander.

Der Kreismusikverband zählt in diesem Jahr 70 Jugendliche. Vergangenes Jahr waren es noch 90, Tendenz weiter fallend. Die Zahl der aktiven Jugendlichen in Musikvereinen sinke schon seit Jahren, erklärt Dieter Allenbacher, Vorsitzender des Kreismusikverbandes, gegenüber der RHEINPFALZ. Für viele Vereine sehe es daher eher düster aus, wenn sich die Frage nach der Zukunft stellt. Besonders betroffen sind laut Allenbacher „die tiefen Instrumente“ wie Tuba, Posaune und Hörner in den Orchestern. Nicht besser sieht es in den Stimmlagen bei den Gesangvereinen aus. „Die Gesangvereine sterben weg wie die Fliegen“, sagt Allenbacher. Gründe gebe es viele: Zum einen führt er den demografischen Wandel an. Zudem würden viele weit weg von zu Hause ein Studium oder eine Ausbildung beginnen und so den Kontakt zu den Musikvereinen verlieren. Jedoch sieht er auch ein Problem in der Einstellung vieler Jugendlicher. „Die Jugend hat keinen Biss mehr“, klagt Allenbacher. Um ein Instrument spielen zu können, müsse man üben, und das brauche Zeit. Viele aber hörten wieder auf, wenn sich nicht gleich der gewünschte Erfolg einstelle. Die Vereine erwarteten, dass man sein Instrument beherrsche. Kritik richtet Allenbacher auch in Richtung Eltern; die üben seiner Meinung nach nicht genug Druck aus, damit sich die Kinder mal durchbeißen. Auch die Musikschule Kuseler Musikantenland nimmt seit etwa zehn Jahren eine Veränderung der Nachwuchssituation wahr. Dabei gehe vor allem der Kernbereich der Musikschule, also Schüler, die Einzelunterricht oder Gruppenunterricht erhielten, spürbar zurück. Die Gründe dafür sind für Schulleiter Thomas Germain vielfältig. Unter anderem sieht er die hohe Belastung der Schüler durch die Schulen als Problem. „Die Anforderungen sind gestiegen“, bemerkt er und betont den erhöhten Stress, dem Jugendliche ausgesetzt seien. Da verwundere es nicht, wenn Schüler nicht üben oder nicht mehr kommen würden. Germain spricht auch von einem gesellschaftlichen Problem. Musik sei zwar wichtig, jedoch räume die Gesellschaft ihr nicht genügend Platz ein, damit ein Kind sich täglich mit einem Instrument befassen könne. Ein Instrument zu erlernen, brauche Zeit; jedoch seien viele auf den „schnellen Effekt“ aus. Es sei auch Disziplin nötig, zu der Eltern nicht immer ermutigen würden. Unterdessen, sagt Germain, gebe es eine Tendenz zur Zusammenarbeit mit Kindergärten und Grundschulen – Projekt „Musik macht Spaß“ –, um die Kinder so früh wie möglich an die Musik heranzuführen. Dadurch habe sich die Schülerzahl erhöht, jedoch – ohne werten zu wollen – sei die Qualität eine andere. Richte sich der Blick immer weniger auf die Qualität, leide der „Jugend musiziert“-Wettbewerb. Der Musikwettbewerb gebe außerdem Stücke vor. Größer wäre der Erfolg, wenn Jugendliche das spielen dürften, was sie wollen, meint Germain: „Die Jugend ist kreativer denn je. Man muss sie nur lassen“. Musiklehrer sollten Schülern die ganze Bandbreite der Musik aufzeigen, damit diese auch wählen könnten. Klaus-Peter Böshar von der Musikschule Plus in Kusel kennt Probleme mit fehlendem Nachwuchs nicht – im Gegenteil. Die Schule wird umziehen und sich „im Sommer verdoppeln“. Er sieht die Gründe für die Jugendprobleme in Musikvereinen bei diesen selbst. „Viele Vereine haben es verpasst, attraktiv zu bleiben“, sagt Böshar. Er erlebt junge Musiker weiterhin höchst motiviert und berichtet, dass viele Schüler über Jahre in der Musikschule bleiben, nur für Musikvereine seien sie schwer zu begeistern. Die Jugend habe sich verändert. „Die Jugendlichen wollen sich nicht verbindlich organisieren. Sie wollen sich treffen, erzählen und ein bisschen Musik machen“, sagt Böshar. „Man muss versuchen, die Jugendlichen trotzdem positiv zu beeinflussen“, erklärt er. Problematisch sind für Böshar festgefahrene Strukturen einiger Vereine. Es gebe wenig Innovationen, und in englischer Sprache zu singen, werde noch immer von einigen abgelehnt. Und wenn dann mal ein Jugendlicher nicht auf Anhieb perfekt spiele, bekomme er „direkt eins auf die Mütze“, gibt Böshar zu bedenken. Das Erfolgserlebnis bleibe somit aus, der Jugendliche wende sich ab. Seine Musikschule plus sei aus ökonomischen Gründen gezwungen, Trends aufzunehmen und auf die Wünsche junger Menschen einzugehen. „Wir müssen unser Repertoire attraktiv halten und versuchen, Erfolgserlebnisse zu vermitteln.“ Vereine sollten sich öfter selbst hinterfragen und nicht an „Verhaltensweisen von vor 60 Jahren“ festhalten. Zurück zu den Vereinen: Manche haben die Probleme erkannt und handeln, wie etwa der Gesang- und Musikverein Germania Ulmet. Vorsitzender Klaus Jung berichtet vom Jugendchor, der sich in den zurückliegenden fünf Jahren im Verein etabliert habe. Dieser resultiere aus der Zusammenarbeit mit Grundschulen, wodurch die Kinder auf den Chor aufmerksam würden. Der Jugendchor singt moderne Lieder und führt regelmäßig Musicals auf. Es gibt gemeinsame Fahrten. „Die Jugend ist ein hartes Stück Arbeit“, erklärt Jung. Trotz erster Erfolge will Jung nicht zu euphorisch sein. Der Erwachsenenchor sei stark überaltert, wobei „jung“ für den Vereinsvorsitzenden schon Mitglieder ab 50 sind. Durch die Zusammenarbeit mit Jugendlichen erhofft sich Jung, dass Eltern in den Chor kommen. Eine Mutter sei schon hinzugestoßen. „Hätten wir das die letzten 20 Jahre gemacht, hätten wir nun 20 junge Sänger“, gibt Jung zu bedenken. Ändere sich der Altersschnitt nicht, sieht er in fünf bis sechs Jahren „schwarz für den Verein“. Das Programm habe sich ebenfalls gewandelt und so singt der Chor auch Titel wie „Über den Wolken“. Dass sich Jugendarbeit lohnen kann, zeigt der Musikverein in Nußbach. Hier hat man vor 20 Jahren aus der Not heraus begonnen, die Jugendlichen selbst zu unterrichten. Zudem wird seit Jahren aktiv mit der Grundschule zusammengearbeitet – es konnte eine Jugendband etabliert werden mit 16 Musikern. Das Erfolgsrezept: Es werden moderne Lieder gespielt, der Nachwuchs wird intensiv betreut und langsam ans Hauptorchester herangeführt – der Schwierigkeitsgrad dem Vermögen angepasst. So wird Frustration vermieden: „Wenn es zu schwer ist, verlieren sie die Lust“, sagt der Vorsitzende des Vereins, Wolfgang Bayer. Auch sei von Vorteil, dass viele Jugendliche bereits im Verein seien: „Wo junge Leute sind, kommen auch gern andere hin“, weiß Bayer. So erlebt er seit Jahren motivierte Jugendliche, die regelmäßig Proben besuchen und musikalische Erfolge bei Konzerten erzielen.

x