Kreis Kusel „Man ist nicht mehr nur geliebt“

Solange es die Prinzen noch gibt, werde er solo keine Prinzen-Lieder singen, sagt Sebastian Krumbiegel. Sein Buch stand im Mitte
Solange es die Prinzen noch gibt, werde er solo keine Prinzen-Lieder singen, sagt Sebastian Krumbiegel. Sein Buch stand im Mittelpunkt.

„Ich schrob ein Buch.“ So sang es Prinzen-Frontmann Sebastian Krumbiegel zu Beginn seiner musikalischen Lesung aus dem gleichnamigen Werk „Courage zeigen“ am Donnerstagabend in der Kuseler Fritz Wunderlich Halle. Zweieinhalb Stunden lang – mit Pause – bot der Leipziger „Erinnerungen mit mir in der Hauptrolle“. Die Musik gewann erst gegen Ende des Abends die Überhand.

Vier Harmonien reichen, um das Publikum einzustimmen auf den Kosmos des Sebastian Krumbiegel, gekleidet ganz in Anthrazit und Schwarz, wechselnd zwischen Lesepult und Flügel, ein Schwergewicht in der deutschsprachigen Popszene, als Pianist und Sänger der Band Die Prinzen ebenso wie an Körperfülle. Nein, der schönste Junge der DDR war er sicher nicht. Das gleichnamige Lied spielt und singt er an diesem Abend auch, es ist ein frühes Stück der Band, die damals noch nicht Die Prinzen, sondern Die Herzbuben hieß, und es klingt heute harmlos. Damals aber transportierte es für alle, die geübt waren im Lesen zwischen den Zeilen, eine politische Botschaft. Krumbiegel kommt schnell ins Reden, ins Plaudern, er macht eine inhaltliche Klammer nach der anderen auf und wieder zu. Das Springen von Episode zu Episode ist auch Teil des Werks – das Kapitel, aus dem er zuerst liest, „Elternhaus, Jugendweihe, Konfirmation und der schönste Junge der DDR“, ist das achte. Die Kindheit also: „Die DDR war schlimm, aber ich hatte ein glückliche Kindheit, das schließt einander nicht aus.“ Es waren Jahre in einem Haushalt voller Musik, und „von der Ideologie Genervter“, was dazu führte, „dagegen zu sein, aber still“. DDR-Befindlichkeiten, harmlose Aufmüpfigkeiten im Thomanerchor, die Montagsdemos in Leipzig, Nächte mit Udo Lindenberg auf der Reeperbahn, Volkes Zorn, der ihn nach einer verkürzt wiedergegebenen Äußerung zu den sexuell motivierten Straftaten in der Silvesternacht 2015 in Köln, als ihn ein Shit-storm mit voller Wucht traf, der Juni 2003, in dem Krumbiegel Opfer von zwei rechten Schlägern wurde – Krumbiegel liest und erzählt „von den zentralen Geschichten seines Lebens“. Schlag auf Schlag geht es nicht, es braucht Zeit und Umwege, um auf einen Punkt zu kommen, so, als habe Krumbiegel Angst, Wichtiges zu vergessen. Manch Relativierung macht die Lesung ab und an ermüdend und spröde. Sympathisch bleibt sie stets: Denn da sitzt und spricht und singt einer, der auch nicht so genau weiß, wo die Welt langzugehen hat, der Widersprüche nicht lösen kann, selbst sogar den einen oder anderen aufwirft, aber ohne Zweifel leidet an der Respektlosigkeit des Alltags, an den kleinen Herzen und den lauten, auch bösen, Botschaften. Das Buch „Courage zeigen“, sagt Krumbiegel, sei ein „Egotrip“, „ein therapeutischer Ansatz“. Und: „Man ist nicht mehr nur geliebt dafür, dass man sich gegen den alltäglichen, wieder salonfähigen Rassismus positioniert.“ Es geht schon auf 22 Uhr, als Krumbiegel umschwenkt von der Textlastigkeit zu mehr Musik. Die Lieder des Abend sind Zeitzeugnisse, etliche künden von Liebe und Freundschaft. Prinzen-Hits gibt Krumbiegel nicht – die Band gebe es ja noch, die Chemie sei wieder richtig gut, sagt er. „Nächstes Jahr gehen wir auf Orchestertournee – und solange wir nicht Geschichte sind, werde ich solo keine Prinzen-Lieder singen.“ Cover von Udo Lindenberg dagegen sind im Programm, stets verbunden mit Anekdoten, und eins von Rio Reiser, das ganz zum Schluss. Die wunderbare „Junimond“-Klage rührt die Herzen, einige singen mit. Danach geht es direkt hinaus ins Foyer, wo seine Bücher und CDs warten. Die Schlange ist nicht kurz, junge Frauen und Männer und Seniorinnen stehen an, kaufen, bitten um Widmungen, um Autogramme, Fotos. Krumbiegel sei gut drauf gewesen, es habe ihm sichtlich Spaß gemacht an diesem Abend, sagen Fans aus der ersten Reihe. Sie sind angereist aus Mainz und Kaiserslautern, begleiten ihr Idol stets, wenn die Auftritte auch nur halbwegs gut zu erreichen sind. „Wenn er nicht gut drauf ist, ist er nach 90 Minuten schon fertig“, berichten sie. Vielleicht liegt die gute Laune ja auch daran, dass Krumbiegel noch in der Nacht die über 500 Kilometer nach Hause fahren wird. Nicht ohne sich ehrlich zu freuen über den Tipp, wegen der Radarfalle die Tempolimits in der A-6-Baustelle bei Kaiserslautern unbedingt zu beachten.

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