KUSEL „Wie es war“: Zeitzeugengespräch zum Zweiten Weltkrieg

Die Zeitzeugen Paul Rapp (links) und Fritz Reis berichteten von ihrer Kindheit und Jugendzeit. Es moderierte Gerhardt Berndt (Mi
Die Zeitzeugen Paul Rapp (links) und Fritz Reis berichteten von ihrer Kindheit und Jugendzeit. Es moderierte Gerhardt Berndt (Mitte).

Das Ende des Zweiten Weltkriegs liegt bald 80 Jahre zurück. Dass bei Menschen, die diese Zeit erlebt haben, die damaligen Erlebnisse noch virulent sind, zeigt das zweite Kuseler Gespräch „Wie es war“, das am Sonntag im Kulturzentrum Kinett stattfand.

War der Ort ein neuer, so blieb das Format unverändert. Unter Moderation von Gerhard Berndt erinnerten die beiden Kuseler Zeitzeugen Paul Rapp (Jahrgang 1930) und Fritz Reis (1931) an Geschehnisse, die sie als Jugendliche in und um ihre Heimatstadt erlebten. Ein festes Datum markiert für Rapp und Reis der 9. August 1944. An diesem Tag stürzte vormittags ein US-Bomber in der Kuseler Winterhelle ab. Aber auch die Notlandung einer US-amerikanischen „Fliegenden Festung“ B 17 bei Bubach im Ostertal hinterließ bleibende Eindrücke. Paul Rapp weiß noch gut, dass sich ein Kirschbaum in eine Tragfläche bohrte: „Das muss man sich mal vorstellen.“

„Hanner a Märkelcher?“

Präsent ist ihm ebenfalls, wie karg die Kriegsweihnacht 1944 ausfiel. Jedes der sechs Geschwister Rapp habe zwei Plätzchen bekommen und einen Lebkuchen. Von diesem hätte allerdings die Etschberger Haushaltshilfe, die Familie Rapp in der Landschaftsstraße beistand, einen Bissen genommen. Über die Kriegswirtschaft mit rationierten Lebensmitteln („Fleisch gab es nur in Ausnahmesituationen“) steuert Fritz Reis eine Anekdote bei. Als Buben hätten sie auf dem Weg zur Schule das Café Schwinn aufgesucht, in dem auch Mutter Reis arbeitete. Die Nachfrage der Buben nach „Weck“ beschied „Schwinne Malchen“ mit der Frage: „Hanner a Märkelcher?“ Lebendig in Erinnerung geblieben ist dem über 90-jährigen Rapp auch eine lustige Hexennacht-Episode. Beim „Viehdokter Frank“ hatten die Buben ein Gartentürchen ausgehängt. Der Tierarzt packte sie beim Schlafittchen und gab ihnen auf, das Tor am nächsten Tag wieder beizubringen.

Eine eher bittere Reminiszenz betrifft den Fliegeralarm und Bombenangriff am 6. Januar 1945, dessen Ziele wohl die Uniformschneiderei am Kuseler Rosengarten und der Bahnhof waren. 37 Kuseler seien dabei ums Leben gekommen, erinnert Moderator Berndt.

Konfirmation am Kriegsende

Günter Kaiser, ein Kuseler, der in Rammelsbach wohnt, steuert ein Erlebnis aus den letzten Kriegstagen bei. Am 10. März hätten zwei Männer aus dem Haus Keller am Weiherplatz eine Frau in ein Auto gezerrt und weggebracht. Sie sei ins Konzentrationslager Theresienstadt gebracht, dort aber am Kriegsende befreit worden. „Keine Nazis wählen“, sei für ihn eine Lehre aus dem Erlebten, sagt Kaiser. Bei der Frau handelt es sich um Gertrud Keller, die aus der jüdischen Konker Familie Binnes stammt. Ihr Mann, der Maurer Karl Keller, war unehrenhaft aus der Wehrmacht entlassen worden, nachdem er die Scheidung von seiner jüdischstämmigen Frau abgelehnt hatte. Nach Kriegsende sei Karl Keller wie seine Frau Gertrud nach Kusel zurückgekehrt, klärt Gerhard Berndt auf.

Für die Zeitzeugen Rapp und Reis fällt das Kriegsende in Kusel zusammen mit einem wichtigen Datum ihrer Biografie. Am 18. März 1945 wurden sie in der Stadtkirche am frühen Sonntagmorgen konfirmiert. Die abziehenden deutschen Soldaten habe er als „jämmerlichen Trupp“ wahrgenommen, sagt Rapp. Am nächsten Tag erreichten die Amerikaner die Stadt. Die Ankunft der US-Soldaten mit Panzern in der Trierer Straße, wo Leintücher aus den Fenstern hingen, kommentiert Reis: „Das war das Ende.“

GIs kauen Kaugummi

Und Rapp erinnert sich noch an einquartierte GIs und deren „Breakfast“-Pakete mit Corned Beef, Schokolade und Zigaretten, von denen er profitierte: „Für mich war das eine wunderbare Sache.“ Die amerikanischen Besatzer hätten sie als kulant empfunden und deren ständiges Kaugummikauen habe damals eine Frau zu der Bemerkung veranlasst: „Das sind ja Wiederkäuer.“

Dem Kapitel der französischen Besatzungszeit, die im Sommer 1945 begann, will sich Teil drei von „Wie es war“ widmen. „No de Mess“, kündigt Julia Bothe vom Förderverein des Heimat- und Stadtmuseum als Termin dafür an. Dass das Zeitzeugen-Gespräch viele, ganz überwiegend grauhaarige Besucher angelockt hat, illustriert Berndt mit der Anmerkung, „einige tausend Lebensjahre“ seien in dem ehemaligen Kino versammelt.

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