Geschichten aus der Geschichte Als die Separatisten in Edenkoben nach der Macht griffen

1923 wehte die grün-weiß-rote Flagge der Separatisten am Edenkobener Rathaus. Nur wenige Jahre danach übernahmen die Nazis das R
1923 wehte die grün-weiß-rote Flagge der Separatisten am Edenkobener Rathaus. Nur wenige Jahre danach übernahmen die Nazis das Rathaus und brachten dort ihre Symbole an.

Vor 100 Jahren ist die Pfalz französisch besetzt. Separatisten um Franz-Josef Heinz aus Orbis versuchen, einen unabhängigen Staat unter dem Schutz Frankreichs auszurufen. Sie nisten sich auch in Edenkoben ein und hissen ihre grün-weiß-rote Flagge am Rathaus.

Anfang November 1923 kursierte in Edenkoben das Gerücht, die „Ausrufung der Pfälzischen Republik“ unter dem Schutz der französischen Besatzungsmacht stehe kurz bevor. Daraufhin erschienen am 6. November vier Anhänger dieser Bewegung bei Bürgermeister Hans Horländer. Sie gaben vor, „im Auftrag einer höheren Autorität“ vorstellig zu sein. Der Bürgermeister ließ sich nicht einschüchtern und begann Erkundigungen einzuholen. Die vier Separatisten verließen eiligst das Rathaus, kündigten aber an, mit Verstärkung zurückzukommen. Bewaffnete Bürger übernahmen daraufhin die Bewachung des Rathauses.

Am Abend besetzten französische Soldaten das Amt. Da sie aber keine Gründe zum Eingreifen sahen, zogen sie wieder ab. Am 7. November verdichteten sich die Gerüchte vom bevorstehenden Sturm auf das Rathaus. Zu dessen Verteidigung wurden Pflastersteine und Feuerlöscher ins Gebäude gebracht. Am 10. November besetzten mit französischen Gewehren bewaffnete Separatisten das Regierungsgebäude der Kreishauptstadt Speyer. Am 12. November proklamierten sie die „Republik der Pfalz im Bund mit der Rheinischen Republik“.

Ein Bauernführer an der Spitze

An der Spitze der „Autonomen Republik“ stand der Bauernführer Josef Heinz aus Orbis. Zu seinen Vertrauten gehörte der Edenkobener Ludwig Schäfer. 1886 im Nachbarort Edesheim geboren, war Schäfer in Edenkoben als Winzer tätig. Er war am provisorischen Direktorium der Separatisten in Neustadt beteiligt und später Kompanieführer im Speyerer Regierungsgebäude der Separatisten.

Da es in Edenkoben aber weiter ruhig blieb, fasste der Stadtrat folgenden Beschluss: „Der neuen Regierung wird die Anerkennung versagt. Jede Mitarbeit wird abgelehnt. Etwa erteilte Befehle werden nicht vollzogen.“ Am 17. November verbot die Besatzungsmacht jede Art von Bürgerwehren. In der Nacht vom 18. auf den 19. November besetzten bewaffnete Autonomisten das Rathaus und hissten die grün-weiß-rote Separatistenfahne. In den kommenden Tagen festigten sie ihr Regiment. Gegner ließen sie nach Speyer schaffen. Alle Deportierten kehrten aber nach wenigen Tagen nach Edenkoben zurück.

Das Finanzamt übernommen

Das bedeutete jedoch nicht, dass das Regiment der Separatisten schnell wieder am Ende gewesen wäre. Im Gegenteil. Sie nahmen zum Beispiel die Amtsgeschäfte des Edenkobener Finanzamts (dem die lebenswichtige Verteilung von Unterstützungsgeldern oblag) in ihre Hände. Dessen Leiter war für kurze Zeit der ortsansässige Rechtskonsulent (ein Laien-Rechtsberater) Peter Kirchmer. Erst nach dem Mord am Separatisten-Präsidenten Heinz am 9. Januar 1924 im Wittelsbacher Hof in Speyer – eine Tat, die offenbar mit Wissen der bayerischen Regierung erfolgt war – berichtete die Edenkobener Zeitung am 15. Februar: „Heute morgen hat das Personal des hiesigen Finanzamts den Dienst wieder aufgenommen.“ Es wird weiter berichtet, dass die grün-weiß-rote Fahne verschwunden sei und dass sich der Abzug der Separatisten reibungslos und ohne irgendwelche Zwischenfälle vollzogen habe.

Weil die Edenkobener Separatisten befürchteten, nun zur Rechenschaft gezogen zu werden, drohten sie – so die Edenkobener Zeitung – „für den Fall eines Angriffs gegen einen Autonomisten, dessen Familie oder Eigentum, haften, unter Vorbehalt weiterer Maßnahmen, folgende Personen als Geiseln: Ein Bürgermeister, ein Gutsbesitzer, ein Notar, ein Studienrat. Und, für alle Sach- und Eigentumsschäden bei einem Autonomisten, die Stadt Edenkoben.“

Bürgermeister muss zurücktreten

Im Stadtrat gab es gegenseitige Verdächtigungen, und Bürgermeister Horländer musste 1926 vorzeitig zurücktreten, weil er in einem vertraulichen Schreiben an den separatistischen Bezirksamtmann Detzel in Landau und den Besatzungskommandanten Prudhomme im November 1923 erklärt hatte, „mit ihnen und für sie zu arbeiten“. Vorausgegangen waren massive Morddrohungen gegen Bürgermeister Horländer und seine Familie.

Gemessen an den Ereignissen im von den Separatisten besetzten Bezirksamt in anderen pfälzischen Städten – etwa in Pirmasens, wo 15 Separatisten und sieben Angreifer starben, waren die Aktionen in Edenkoben aber glimpflich und ohne Blutvergießen verlaufen.

Am 9. Januar 1924 wurde der Separatistenführer Franz Josef Heinz im Wittelsbacher Hof"in Speyer ermordert.
Am 9. Januar 1924 wurde der Separatistenführer Franz Josef Heinz im Wittelsbacher Hof"in Speyer ermordert.
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