Kreis Südliche Weinstraße Auf dem Sprung (mit Video)

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Gute Laune im freien Fall: Tandemmaster Michael Diehm mit RHEINPFALZ-Mitarbeiterin Sonja Hoffmann.

Reportage: Achterbahn, Bungee-Jumping, House-Running – für Adrenalinjunkies gibt’s so einiges. Fallschirmspringen gilt als besonderer Nervenkitzel. Das Fallschirmsportcentrum Südpfalz bietet in Schweighofen Tandemsprünge an. Unsere Mitarbeiterin hat sich getraut – und ist in 4000 Metern Höhe aus einem Flugzeug gehüpft.

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Das hat Reinhard Mey bereits 1974 gewusst. Ob das wirklich so ist und wie es über den Wolken der Südpfalz so aussieht, werde ich gleich herausfinden. Und zwar nicht nur von einem Flugzeug aus, sondern hautnah – im freien Fall. Fallschirmspringen heißt die Sportart für Adrenalinjunkies der Extraklasse, denen Achterbahnen und Freefall-Tower in Freizeitparks nicht aufregend genug sind. Mittwochnachmittag. Ich stehe auf dem Flugplatz in Schweighofen und schaue nach oben. Von dort soll ich gleich im freien Fall aus einem Flugzeug springen. Komisch, ich bin gar nicht mal so aufgeregt. Ich freue mich sogar richtig darauf. So ein Fallschirmsprung steht immerhin schon lange auf der Liste von Dingen, die ich in meinem Leben unbedingt erleben möchte.

Öffnungsautomat kann Leben retten

Betriebsleiter Dominique „Dome“ Stoll vom Fallschirmsportcentrum (FSC) Südpfalz gibt mir schon mal erste Infos, was mich gleich erwartet. Wirklich gesprungen wird beim Fallschirmspringen zum Beispiel gar nicht. „Das ist nicht so wie bei der Achterbahn, wo es runtergeht und dir den Magen wegzieht. Wir gleiten ganz sanft aus dem Flugzeug“, erklärt Stoll. Klingt schon mal nicht unangenehm. Beruhigend finde ich aber vor allem den Öffnungsautomat. „Wir haben immer einen Haupt- und einen Reservefallschirm. Der Öffnungsautomat misst die Höhe des Falls. Wenn der Springer unter eine bestimmte Höhe sinkt, öffnet das Gerät automatisch den Reservefallschirm.“ Wenn der Springer während des Falls einen Herzinfarkt bekäme oder in Ohnmacht fiele, könnte das kleine Gerät, das aussieht wie ein MP3-Player, Leben retten. Ziemlich unscheinbar für so viel Verantwortung.

In 15 Minuten auf 4000 Meter Höhe

Dennoch bin ich zuversichtlich, dass ich Plan B heute nicht brauchen werde. Springen werde ich schließlich nicht alleine, sondern zusammen mit Michael Diehm – und der sieht zum Glück ziemlich vital aus. Der 51-Jährige ist ausgebildeter Tandemmaster und darf damit auch unerfahrene Springer mitnehmen – wie mich. Diehm ist bereits mehr als 1500-mal aus einem Flugzeug gesprungen. Und da wurde es nie brenzlig? „Nein, wir benutzen nur die besten Fallschirmsysteme. Da kann technisch eigentlich nichts schiefgehen“, meint er. Na denn. Das kleine Flugzeug, mit dem wir gleich starten werden, gehört dem Vorsitzenden des Vereins, Rainer Kiefer. „Das ist unsere Pilatus Porter. Die Maschine hat knapp 600 PS, damit kommen wir in 15 Minuten auf 4000 Meter Höhe“, erklärt Betriebsleiter Stoll. Zehn Springer sollen in den Flieger passen – plus Pilot. Das könnte eng werden. „Wir spielen dann Tetris“, kündigt Stoll an. Er grinst.

Trockenübung für Freifallhaltung

Zuerst gibt es aber noch Trockenübungen. Schließlich sollen wir nicht einfach so aus dem Flugzeug plumpsen. Im Sitzkreis erklärt Tandemmaster Steven Wartmann mir und den anderen Tandemspringern die typische Freifallhaltung. „Die Arme werden angewinkelt, die Daumen könnt ihr in den Gurt über eurer Brust einhaken. Dann legt ihr den Kopf in den Nacken und zieht die Füße an den Arsch.“ Die Teilnehmer lachen. Was sich so leicht anhört, ist auf dem Boden ganz schön anstrengend. „Keine Sorge, im Fall erledigt die Luft das meiste davon“, beruhigt uns der 34-Jährige. „Sprechen können wir im freien Fall übrigens nicht, das geht erst wieder, wenn der Fallschirm offen ist. Das heißt, ihr könnt schreien, so viel ihr wollt. Wir hören euch da eh nicht.“ Dann geht es ganz schnell. Gemeinsam mit drei anderen Tandems und zwei Solospringern steigen wir ins Flugzeug. Die Tetris-Ankündigung von Dome Stoll fällt mir wieder ein. Die Sitzordnung hat etwas von Sardinen in der Dose. Bequem ist anders, aber schließlich wollen wir keinen gemütlichen Rundflug machen. Das Flugzeug ist eher Mittel zum Zweck.

Aufbruchstimmung im Flugzeug

Die Maschine rollt über das Startfeld. Es ruckelt. 3, 2, 1 – wir heben ab. Ich freue mich, gleich aus einem Flugzeug zu springen. Das hätte ich mir wohl vor ein paar Wochen nicht träumen lassen. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich den Flugplatz immer kleiner werden. Die wartenden Zuschauer kann man schon gar nicht mehr erkennen. Stattdessen hat man einen wunderbaren Blick auf die Südpfalz. Wie Legospielzeug sehen die Häuser von so weit oben aus. „Jetzt sind wir auf 1000 Meter“, informiert Michael beim Blick auf die Uhr, die nicht die Zeit, sondern die Höhenmeter anzeigt. „Was, erst?“ Da fehlen ja noch 3000 Meter bis zur Absprunghöhe. Die Häuser werden immer kleiner. Wenige Minuten später herrscht im Flieger allgemeine Aufbruchstimmung. Tandemmaster Michael befestigt meine Sicherheitsgurte mit seinen. Dadurch bin ich an vier Punkten – oben und unten jeweils rechts und links – mit ihm verbunden. Da kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen.

Erster Springer verschwindet in den Wolken

Der erste Solospringer öffnet die Schiebetür und lässt sich – als wäre es das Normalste der Welt – einfach aus dem Flugzeug fallen. In der Luft dreht er sich noch ein paarmal, bevor er verschwindet. Dann macht sich das erste Tandempaar bereit. Der Tandemmaster rutscht mit seinem Schützling an die Kante des Flugzeugs und überprüft, ob dieser auch die Freifallhaltung eingenommen hat. Die beiden fallen aus dem Flugzeug und verschwinden in den Wolken. Als Zuschauer sieht das schon ziemlich spektakulär aus. Dann sind wir an der Reihe. „Alles okay?“, erkundigt sich Michael. Na, klar. „Dann, auf geht’s.“ Wir rutschen an den Rand des Flugzeugs. Ich erinnere mich an Michaels Anweisung, meine Füße nicht auf dem Trittbrett unter dem Flugzeug abzustellen. Also lasse ich meine Füße baumeln. Ich hänge in 4000 Metern Höhe aus einem Flugzeug. Die Freefall-Tower in sämtlichen Freizeitparks sind nichts gegen diesen Gedanken. So richtig unsicher fühle ich mich aber nicht, schließlich bin ich fest mit Michael vergurtet. Und der hat den Fallschirm.

Fotoshooting im freien Fall

Beim Blick nach unten vergesse ich fast, die Freifallhaltung einzunehmen. Also Kopf in den Nacken, Arme anwinkeln und Daumen am Gurt neben der Brust einhaken. Bevor ich mich versehe, rutscht Michael aus dem Flugzeug – und wir fallen. Und fallen. Aus vier Kilometern Höhe. Der kühle Wind pfeift mir um die Ohren. Mit bis zu 200 Stundenkilometern fällt man durch die Wolken, hat Dome Stoll vorhin gesagt. So schnell kommt mir das gar nicht vor. Michael klopft mir zweimal auf die Schulter. Das ist das Zeichen, dass ich meine Arme nun ausstrecken darf. Neben uns taucht eine Solospringerin auf. Valentina Massold hat eine Kamera dabei, mit der sie auch im freien Fall Fotos und Videos machen kann. Sie greift nach meiner Hand und signalisiert mir, besonders schön in die Kamera zu lachen. Der Moment soll ja schließlich festgehalten werden. Als Andenken für mich. Und als Beweis, dass ich mich tatsächlich getraut habe. Fotoshooting im Freifall. Das wäre doch mal eine Herausforderung für die Kandidatinnen in den ganzen Model-Casting-Shows im Fernsehen.

Aussicht aus der Vogelperspektive

Michael klopft mir wieder auf die Schulter. Ich soll die Freifallhaltung einnehmen. Dann öffnet er den Fallschirm. Ein kurzer Ruck nach oben. Es ist vorbei mit dem freien Fall. Stattdessen gleiten wir nun durch die Luft. „Arme und Beine kannst du jetzt einfach hängen lassen“, sagt Michael. Die Anspannung aus dem freien Fall fällt von mir ab. Ich genieße die Aussicht aus der Vogelperspektive. „Da ist der Rhein, dahinter ist Karlsruhe. Und das ist die französische Grenze“, erklärt Michael. „Sollen wir mal eine Runde mit dem Fallschirm drehen?“ Na klar, ich will ja so viel wie möglich mitnehmen. So langsam kann ich in der Ferne schon den Flugplatz in Schweighofen erkennen, auf dem wir gleich landen sollen. Apropos, da war ja noch was. Auch für die Landung gibt es nämlich eine bestimmte Position, die ich einnehmen soll. In der Luft wird das gleich noch mal geübt. „Beine anwinkeln und mit den Händen in die Kniekehlen greifen“, gibt der Tandemmaster vor. Das grenzt ja fast an eine Bauchübung im Sportkurs. Die Trockenübung läuft aber schon mal. Der Flugplatz kommt immer näher. Ich begebe ich mich in Position.

Landung auf dem Hinterteil

Die Hauptarbeit macht allerdings der Profi. Oder viel mehr sein Hinterteil. Auf dem landen wir nämlich jetzt gleich. 3, 2, 1 – Zack. Wir sind unten. Diehm löst die Gurte, dann kann ich aufstehen. Und habe wieder festen Boden unter den Füßen. Während ich noch immer auf Wolken schwebe, faltet Michael Diehm schon wieder den Fallschirm zusammen. Für ihn geht es für den nächsten Tandemsprung gleich wieder ins Flugzeug. Wieder nach oben. Über die Wolken, wo die Freiheit grenzenlos ist.

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Michael Diehm vom FSC Südpfalz legt Sonja Hoffmann den Sicherheitsgurt an. Später wird der Gurt mit dem des Tandemmasters, der den Fallschim hat, verbunden.
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Über den Wolken: Mit bis zu 200 Stundenkilometer geht es für das Tandem aus 4000 Meter Höhe nach unten. Der Fallschirm wird erst in 1500 Meter geöffnet.
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Landeanflug mit dem Fallschirm auf dem Flugplatz in Schweighofen. Sonja Hoffmann ist in der Landeposition: Beine angewinkelt und Hände in die Kniekehlen. Die Hauptarbeit bei der Landung macht der Tandemmaster.
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