Dierbach Gegen den Trend: Männerchor gewinnt Mitstreiter hinzu

Im Projektchor Melodieba singen auch Frauen mit.
Im Projektchor Melodieba singen auch Frauen mit.

Immer wieder müssen Männerchöre aufgeben. Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Dierbach. Dort hat man Sänger hinzugewonnen. Von alleine geht das aber nicht.

Um tragfähige Konzepte, die Zukunft der Gesangvereine zu sichern, wird allerorts gerungen. Nicht alle Bemühungen führen zum Ziel, mehrfach mussten in der letzten Zeit Gesangvereine verabschiedet werden. Erfreulich indes, dass es immer wieder auch gelingt, sich gegen den Trend zu stemmen. Wie etwa in der rund 580 Einwohner zählenden Winzergemeinde Dierbach.

Deren MGV darf mittlerweile auf eine mehr als 160-jährige Geschichte zurückblicken. Der frühere langjährige Vorsitzende Werner Vogler, er führte den Verein 19 Jahre lang, hatte schon bei seiner Amtsübergabe 2021 erkannt, dass etwas passieren müsse, um den Verein am Leben zu halten. Dass sein Nachfolger ausgerechnet jemand wurde, den viele eher auf dem Betzenberg zu Hause wähnten, war womöglich ein Glücksgriff. Mit Paul Wüst, der unter anderem zeitweise auch Mitglied im Aufsichtsrat des 1. FC Kaiserslautern war, wurde ein Mann zum Vorsitzenden gewählt, der zusammen mit den weiteren Vorstandsmitgliedern eine Strategie entwarf, mit der er den Verein zukunftssicher machen möchte.

Unternehmensberatermethoden helfen weiter

Dass er dabei auf Methoden der modernen Organisationsentwicklung setzte, wundert nicht. Wüst war zuletzt als Unternehmensberater tätig. Geklärt wurde so zunächst die Frage nach der Identität. „Was will unser Verein sein? Welche Rolle möchte er im Dorf spielen?“ Fragen über Fragen wurden gestellt, einige auch beantwortet und in einem neuen Leitbild niedergelegt. Und dann schien dem neuen Vorstand ganz wichtig, öffentlich zu kommunizieren. Auch über eigene Kanäle, die neu gestaltete Homepage etwa, oder die Auftritte bei Facebook und Instagram.

Plötzlich war der MGV Dierbach in den sozialen Medien aktiv, präsentierte ein neues Logo, das zwischenzeitlich auch auf allen Druckerzeugnissen für eine „Corporate Identity“ sorgt. Und nicht zuletzt findet man fast überall das Vereinsmaskottchen „Meistro Tony“.

Bemühungen fruchten

Wichtiger Rahmen für die erfolgreiche Vereinsentwicklung sei etwa das ansprechend gestaltete Sängerheim in der Dierbachhalle, sagt Clemens Fischer, der zweite Vorsitzende. Hier trifft man sich nicht nur zum Singen, sondern auch, um die Situation des Vereins immer wieder zu analysieren. Stärken und Schwächen werden immer wieder benannt und bewertet. Jedes Jahr von Neuem. Schließlich will man laut Leitbild „das Teamgefühl der Sänger stärken und eine wohltuende Vereinsatmosphäre schaffen“.

Aber helfen all diese Bemühungen wirklich, einen Verein für die Zukunft zu rüsten? Natürlich, sagt Paul Wüst, gehören viele weitere Dinge zum Zukunftskonzept, mit dem man sich auf den Weg gemacht habe. „Es ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, an dem sich möglichst viele beteiligen sollten“, sagt Wüst. So wende er sich immer wieder auch mit persönlichen Schreiben an Mitbürger von Dierbach, lade zu Veranstaltungen ein und versuche, den Interessenten die Scheu zu nehmen. Niemand müsse heute mehr vorsingen, wenn er in einen Chor komme.

Sänger dürfen mitbestimmen

In Dierbach ist man derzeit jedenfalls guter Dinge. So stehen heute wieder 48 Sänger in den Reihen des Chores. Immerhin 15 von ihnen sind in den vergangenen zwei bis drei Jahren dazu gekommen. Schon diese Zahl lässt aufhorchen. Die Sänger kommen allerdings nicht nur aus Dierbach selbst, 18 kommen aus benachbarten Gemeinden zur Singstunde. So auch Ferdinand Scherrer aus Oberotterbach. Er kann bestätigen, was andere wohl auch empfinden: „Es stimmt einfach alles“, sagt der Sänger, der sich hier sehr gut aufgehoben fühlt.

Keine leichte Aufgabe hat Chorleiter Achim Silbernagel, der es in Dierbach dem 20-jährigen ebenso wie dem 90-jährigen Sänger gleichermaßen recht machen soll. Alle wollen Spaß am Singen haben. Deshalb gibt es hier auch einen Vorschlags- und Auswahlprozess, an dem sich alle Sänger beteiligen können. Nicht immer zur Freude des Dirigenten, der natürlich seine Lieblings-Literatur an den Mann bringen möchte.

Im Projektchor singen auch Frauen und Kinder

Apropos Mann: Bisher, und das soll auch so bleiben, singen im Chor nur Männer. Der Verein aber bietet mit dem Projektchor „Melodieba“ – kurz für Melodien in Dierbach – auch Frauen und Kindern die Möglichkeit, gemeinsam zu singen. So werden Projektchöre zu bestimmten Anlässen gegründet. Mittlerweile bereiten sich 20 Frauen mit einigen Männern und auch Kindern gezielt auf ihre Auftritte vor.

Eigentlich könnte sich der Vorstand des MGV 1861 mit dem Erreichten zufriedengeben. Doch genau das wäre falsch, meint dessen Vorsitzender. Paul Wüst macht deutlich, dass Stillstand gewissermaßen Rückschritt gleichzusetzen wäre. Deshalb geht man jetzt an die Umsetzung eines neuen Projektes, das sich „Südpfalz-Projekt“ nennt und schon am 15. Oktober beginnen soll. Die Dierbacher laden alle Männer der Region, und die ist nicht eng begrenzt auf die Südpfalz, ein, für sechs Wochen immer dienstags um 20 Uhr nach Dierbach zu kommen. Hier können sie mit dem MGV Dierbach üben und singen. Und zum guten Schluss gibt es einen gemeinsamen Auftritt in der Dierbachhalle.

Info

MGV Dierbach, Vorsitzender Paul Wüst, Telefon 06340 8801, E-Mail: paul.wuest@t-online.de, Homepage: www.mgv-dierbach.de.

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