Kreis Südliche Weinstraße Gustl Schneider ist heute mit Herzen in Sao Paulo
Insheim. Wenn die Fußball-Weltmeisterschaft heute in der Arena Corinthians in Sao Paulo mit dem Duell zwischen Brasilien und Kroatien eröffnet wird, steht das Gastgeberland ganz im Zeichen des Traums von der WM-Krone. Einer derjenigen, die von dem fünffachen Titelträger die „Hexa“, den sechsten Endrunden-Triumpf erwarten, ist Gustav Schneider in Insheim – ein Fußballexperte par excellence, der vor wenigen Tagen sein 63. Lebensjahr vollendete.
Sein Herz schlägt für den Fußball der erfolgsverwöhnten Samba-Kicker und so ist es nicht verwunderlich, dass ihm beim dem Gespräch mit der RHEINPFALZ eine Träne über die Wange kullert, als er davon erzählt, dass er ohne den Schicksalsschlag im Jahre 2006 heute Abend das Eröffnungsspiel nicht am Fernsehen in seiner Südpfälzer Wohnung, sondern in der Arena Corinthians verfolgen würde. Am Anfang der tragischen Geschichte, die noch heute seine Familie, Verwandten, Bekannten und unzähligen Fußballfreunde beschäftigt, stand der 14. Mai 2006, als er sich bei einem Sturz in einen Entwässerungsgraben eine schwere Wirbelverletzung zuzog. Seitdem ist er gelähmt und kann nicht mehr selbstständig atmen. Eigentlich wollte „Gustl“, wie er von seinen Freunden genannt wird, an diesem Tag bereits wieder in Brasilien sein. In Recife, im Norden des Landes. Dort leben seine Frau und seine heute 17 und 13 Jahre alten Töchter Larissa und Laura. Brasilien war und ist für ihn das Land, in das er sich so richtig verliebt hat. 1978 war er zum ersten Mal dort, als er auf dem Weg zur Fußball-WM in Argentinien einen einwöchigen Zwischenstopp in Brasilien einlegte. Von 1985 bis zu seinem Unfall besuchte er das mit über 192 Millionen Menschen einwohnerreichste Land Südamerikas jedes Jahr. 1992 lernte er seine Frau kennen, 1996 wurde geheiratet. Fortan hatte er es so geregelt, dass er neun Monate im Jahr in Brasilien, die restlichen drei Monate in Insheim lebte. Seine beiden Töchter sind für ihn alles. „Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht telefonieren“, verrät Gustav Schneider. Er freue sich immer auf die Schulferien, dann könne er die Mädchen in Insheim sehen. Ab heute werde er die Spiele im Fernsehen bis zum Einschlafen verfolgen. Die brasilianische Fußballmannschaft, auch „Selecao“ genannt, kennt er namentlich aus dem Effeff. Seit 2002 warte die Mannschaft vergeblich auf einen WM-Gewinn. Zuletzt war für die erfolgsverwöhnten Samba-Kicker zweimal im Viertelfinale Endstation. Diesmal soll es aber bis ins Finale am 13. Juli im Maracana von Rio de Janeiro gehen. Die Chancen dafür scheinen nicht schlecht zu stehen. Gustav Schneider denkt an die Armut im Land. Ein WM-Sieg könnte da Berge versetzen. In keinem anderen Land gebe es so viele junge Fußball-Talente, denen das Fußballspielen wie der Samba-Tanz mit in die Wiege gelegt werde. Die große Zahl bedeute aber auch, dass viele dieser Talente unbeachtet und damit auf der Strecke blieben, was er ungemein schade findet. Den entscheidenden Punkt für das Weiterkommen der brasilianischen Mannschaft bei der WM sieht Schneider so: Auf der Mannschaft liege ein unheimlicher Erfolgsdruck, der bewältigt werden müsse. Schneider lässt daher dem Eröffnungsspiel für den weiteren Weg der Brasilianer viel Bedeutung zukommen. Echte Konkurrenten der Brasilianer sieht Schneider in den Spaniern. Sein eigentlicher Geheimtyp sind allerdings die Belgier. Das deutsche Team sollte man auf keinem Fall abschreiben. „Wir sind eine typische Turnier- Mannschaft, die sich von Spiel zu Spiel steigern kann.“ Die 18-jährige Durststrecke ohne WM-Titel sollte nun ein Ende haben, obwohl noch nie eine europäische Mannschaft auf dem amerikanischen Kontinent zur Krone greifen konnte. Gustav Schneider ist in seinem Leben und bleibt auch im Fußball Optimist. (som)