Kreis Südliche Weinstraße Raus aus dem Tal der Tränen

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Bad Bergzabern

. Das Problem sei die Selbstwahrnehmung, meint die ausgebildete Psychotherapeutin Susanne Schultz. Es gebe Bürger, die wegen der Leerstände ein vermeintliches Untergangsszenario in der Stadt entdeckten. „Das verstehe ich durchaus“, sagt Schultz, „aber man muss das differenziert betrachten.“ Bei ihrer Arbeit gehe es nicht allein darum, die Leerstände zu beseitigen, sondern auch um Ideenentwicklung. „Ich habe ein Konzept für die Stadt zusammengestellt.“ Schultz will die Binnensicht ändern: „Bad Bergzabern ist eine tolle Stadt mit hoher Lebensqualität und viel Entwicklungspotenzial.“ Am 1. April des vergangenen Jahres hat sie ihre Arbeit in der Kurstadt aufgenommen. Im November 2015 hatte der Stadtrat beschlossen, das Büro Stadtimpuls aus Landau mit dem Zentrenmanagement zu beauftragen. Der Vertrag sieht 20 Stunden je Projektwoche vor, die Kosten liegen bei 73.000 Euro pro Jahr. Der Vertrag gilt zunächst für ein Jahr, mit der Option auf ein zweites. Stadtimpuls ist der Auftragnehmer, ausgeführt wird die Arbeit von Susanne Schultz, deren Institut für Raumpsychologie in Neustadt sitzt. Schultz hat schon bei zahlreichen Stadtentwicklungsprojekten in der Pfalz mit Stadtimpuls zusammengearbeitet. Aktuell unter anderem auch in Herxheim. Im zurückliegenden Dreivierteljahr war Schultz viel in der Kurstadt unterwegs, hat mit Geschäftsleuten, Immobilienbesitzern, den Verantwortlichen der Stadt und Bürgern gesprochen. Bei Bad Bergzabern spricht sie von „strukturellen Leerständen“. Das habe aber nichts mit der Stadt zu tun, sondern mit struktureller Veränderung. „Viele Leerstände sind gebäudebedingt, die Häuser sind alt, es gibt einen Sanierungsstau“, so Schultz. So gebe es viele Immobilien mit völlig veralteten Fenstern. „Wenn da jemand ein Geschäft aufmachen will, findet er keine Versicherung“, meint Schultz. Er finde auch keine Bank, die eine Geschäftseröffnung finanziere. Bei vielen Geschäftshäusern bestehe das Problem darin, dass die Eigentümer über 75 Jahre alt seien und schon lange nichts mehr investiert hätten, auch weil die Nachfolgeregelung unklar sei. „Und einige stellen auch völlig unrealistische Mietforderungen“, hat Schultz festgestellt. „Ich habe in den vergangenen Monaten zehn Leute nach Bad Bergzabern gebracht, die alle hier Geschäfte aufmachen wollten“, sagt Schultz. Keiner habe eine passenden Immobilie gefunden. „Wenn ich das den Leuten im Stadtrat gesagt habe, dann haben die mir immer geantwortet: Aber der Laden steht doch leer, und dort ist ein Geschäft frei“, erzählt sie. Da sie inzwischen alle Immobilien in der Innenstadt gut kenne, habe sie immer genau erklären können, warum besagte Geschäftsidee dort nicht funktioniere oder warum es unmöglich sei, gerade diesen Leerstand zu beseitigen. Da habe es das eine oder andere erstaunte Gesicht gegeben. „Viele Eigentümer haben den gesamtgesellschaftlichen Wandel nicht verstanden, das veränderte Kaufverhalten“, so Schultz. Wenn in einem Gebäude schon immer ein Bekleidungsgeschäft war, dann heiße das nicht automatisch, dass dort auch in Zukunft ein Bekleidungsgeschäft drin sein müsse. „Bei Mode und Accessoires finden inzwischen mehr als 30 Prozent im E-Commerce statt“, erläutert Schultz, „das haben aber noch nicht alle begriffen.“ Ihre Hauptaufgabe sieht Susanne Schultz darin, in der Bevölkerung ein anderes Bewusstsein zu schaffen und der Stadt zu einem neuen Image zu verhelfen. „Erst kommt die Belebung, dann der Handel“, kündigt sie an. Stolz verweist sie auf die ersten Erfolge. Im Februar eröffnet in der Markstraße 29, im ehemaligen Haushaltswarengeschäft Messer, „Julaines“, ein Geschäft für Wolle, Stoffe und Kurzwaren. „Zum Konzept gehören auch Workshops und Kurse oder Strickabende. Es ist mehr als ein Geschäft, eher eine Begegnungsstätte“, erläutert Schultz. Eine weitere Neueröffnung in der Altstadt ist die Weinlounge, in der es um mehr gehe als um Weinverkauf. „Das ist auch ein Ort der Begegnung. Wenn das Konzept funktioniert, ist die Weinlounge bald zu klein, dann wird eine zweite aufmachen“, prophezeit Schultz. Als weitere positive Beispiele nennt sie den „Kaffeefleck“, ein Café mit Kaffeerösterei, in dem es regelmäßig Abendveranstaltungen gibt. Oder das neue Café Herzog, in dem Pächter Jürgen Meßler das Traditionshaus nicht nur weiterführt, sondern als leidenschaftlicher Fotograf demnächst in einem Anbau auch seine Werke ausstellt. Oder der CD-Laden in der Marktstraße, der Kunden von weit her anlockt. „Der hat mit seinem Angebot ein Alleinstellungsmerkmal in der Region“, so Schultz. Ein Erfolg könnte auch die Wohnwerkstatt in der Altstadt werden. Dort sollen Menschen unterschiedlichen Alters wohnen, arbeiten und gemeinsame Projekte verwirklichen (die RHEINPFALZ informierte am 22. November). „Aus zwei sind inzwischen neun Leute geworden, die mitmachen wollen“, berichtet Schultz. Seit Monaten tagt regelmäßig die Image-AG, im Frühjahr will sie das von ihr erarbeitete Leitbild der Öffentlichkeit präsentieren. Im April startet auch der Hamecker-Markt am Freitag. Trotz Widerstands aus Reihen der Marktbeschicker ist Schultz von dem Konzept überzeugt, „Kann sein, dass es am Anfang eine Durststrecke gibt. Aber die Marktbeschicker, die am Anfang wegbleiben, kommen wieder, wenn wir erfolgreich sind.“ Es gibt viele Ideen, viele Dinge sind in der Umsetzung. „Wir werden Geduld brauchen. Aber ich bin mir ganz sicher, dass es viele Leute gibt, die hier Geschäfte machen wollen“, sagt Susanne Schultz.

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