Landau/Koblenz Aus Schuldienst entfernt: Was das Gericht Myriam Kern vorwirft

Darf nicht mehr unterrichten: die frühere AfD-Stadträtin Myriam Kern.
Darf nicht mehr unterrichten: die frühere AfD-Stadträtin Myriam Kern.

Im Fall der aus dem Schuldienst entfernten Landauer Lehrerin Myriam Kern liegt jetzt das Urteil vor. Das Oberverwaltungsgericht wirft der Frau vor, die Bundesrepublik abzulehnen und zu Tötungen aufgerufen zu haben.

Die Landauerin Myriam Kern hat gegen ihre Beamtenpflichten verstoßen, als sie sich als selbsternannte Stimme von Kandel mit Redebeiträgen während mehrerer Demonstrationen und einem Auftritt in den sozialen Medien zu Wort gemeldet hat. Insbesondere gegen die Pflicht, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekennen. So hat es der für Landesdisziplinarsachen zuständige Senat des OVG in Koblenz (Aktenzeichen 3 A 10684/23.OVG) befunden und damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Trier bestätigt. Dass die Entscheidung so fallen würde, war seit ein paar Tagen bekannt, aber bisher hatte die Urteilsbegründung noch gefehlt.

Kern hatte argumentiert, man müsse abwägen zwischen ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 5 des Grundgesetzes und ihren Beamtenpflichten – und zwar zu ihren Gunsten. Dies sieht das OVG anders: Kerns Entfernung aus dem Dienst sei unausweichlich. Es ist eine Kernpflicht von Beamten, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekennen und für deren Erhalt einzutreten, so das Gericht. Der Beamte, der „sozusagen als Staat Befehle geben könne“, müsse sich mit den Prinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung ohne innere Distanz identifizieren. Das Konzept des Grundgesetzes sei die Konstituierung einer wehrhaften Demokratie und lasse es nicht zu, dass Beamte im Staatsdienst tätig würden, die die freiheitlich-demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnen und bekämpfen. Aktive Beamte schuldeten dem aus freien Wahlen hervorgegangenen Bundestag und der von ihm demokratisch legitimierten Bundesregierung Loyalität.

Staatsorgane diffamiert

Die Treuepflicht werde verletzt, so erinnert das Gericht, wenn der Beamte die Staatsorgane nicht lediglich kritisiere, sondern ihre Repräsentanten diffamiere, ihnen die Legitimation abspreche, ihre Absetzung in verfassungswidrigen Verfahren befürworte oder gar zum gewaltsamen Sturz auffordere. Diese Verpflichtung bestehe dienstlich und außerdienstlich. Politische Treuepflicht bewähre sich in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen.

Konkret habe Kern bei drei Demonstrationen gegen ihre Verfassungstreupflicht verstoßen. So hat sie nach Feststellung des OVG bei einer Kundgebung im Sommer 2018 davon gesprochen, in einem „angeblichen Rechtsstaat“ zu leben, es als ungeheuerlich bezeichnet, wie der Staat den Bürgern ihr Recht auf Meinungsfreiheit nehme und sich zur Aussage hinreißen lassen, auch in Deutschland werde man allein deswegen eingesperrt, weil man die falschen kritischen Fragen stelle. Damit habe sich Kern nicht mehr im Rahmen einer polemisch überspitzten Kritik bewegt, sondern das parlamentarisch-repräsentative System des Grundgesetzes grundsätzlich zur Disposition gestellt.

Bundesgrenzschutz zum Ungehorsam aufgerufen

Auch bei einer weiteren Demonstration zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2018 in Berlin mit circa 1900 Teilnehmern, die nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes von einem Verein veranstaltet worden sei, der zu einem Netzwerk muslim- und fremdenfeindlicher Rechtsextremisten zähle, habe sie die Bundesrepublik Deutschland als einen Unrechtsstaat angeprangert, in dem Unfreiheit und Zensur herrsche. Zudem habe sie sich unter ausdrücklichem Hinweis auf ihre eigene Beamtenstellung gegen die aktuelle Migrationspolitik gewandt und Beamte – insbesondere den Bundesgrenzschutz – zum Ungehorsam aufgerufen. Dies stelle sogar eine aktive Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung dar.

2019 habe sie bei einer Veranstaltung mit ihrer Behauptung, dass der Rechtsstaat abgeschafft sei, sowie dem Ausruf „Es lebe der totalitäre Umerziehungsstaat“ gegen ihre Verfassungstreuepflicht verstoßen. Schließlich habe sie einen Internetbeitrag geteilt und mit einer zustimmenden Anmerkung versehen, in dem zum einen die Selbstjustiz in Form der „Todesstrafe“ befürwortet worden sei und zum anderen darüber hinaus die Tötung ihr unliebsamer Personengruppen, die sie als „Bahnhofsklatscher“ bezeichnet hatte, als opportunes Mittel beschrieben. Dies sei ein öffentliches Bekenntnis gewesen, rechtsstaatliche Gerichtsverfahren und die Menschenwürde nicht zu akzeptieren.

„Radikales Portfolio aufgebaut“

Nach Überzeugung des Senats sind Kerns Äußerungen Ausdruck ihrer inneren Ablehnung des Verfassungsstaates. Sie habe sich „gezielt ein politisch radikales Portfolio aufgebaut und unaufhörlich mit drastischer Diktion gegen Politiker, den Staat, seine Organe, gegen die Europäische Union, deren Organe und schließlich gegen (illegale) Migranten gehetzt“. Auch verbale Entgleisungen wie „grenzenloser Import von Mord und Totschlag“, „Umvolkung“, „Blutspur“ oder „Genozid“ zögen sich wie ein roter Faden durch ihr gesamtes politisches Engagement. Wenn sich Kern auf die Verfassung berufen habe, dann nur als Bemäntelung ihrer wahren inneren Einstellung und Absichten. Das OVG wirft Kern vor, Tötungen andersdenkender Personen gutgeheißen und das staatliche Gewaltmonopol in Frage gestellt zu haben. Und daran hat sich offenbar nichts geändert: Selbst in ihrer persönlichen Einlassung habe sie noch zum Ausdruck gebracht, die Dinge so wie damals zu sehen.

Dem Dienstherrn sei es nicht zuzumuten, eine Beamtin und Lehrerin weiter zu beschäftigen, die sich in dieser Art und Weise gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung betätigt habe.

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