Landau „Großer Fehler“: Historiker warnt vor Straßenumbenennungen

Gemäß Stadtratsbeschluss verschwindet die Hindenburgstraße aus Landau.
Gemäß Stadtratsbeschluss verschwindet die Hindenburgstraße aus Landau.

Knapp 1700 Unterschriften für einen Bürgerentscheid hat die Bürgerinitiative gegen die Umbenennung von Straßen in Landau bereits in der Tasche. 2681 Unterschriften müssen es sein, damit die Abstimmung zugelassen wird. Der Historiker Harald Bruckert springt den Kritikern des Ratsbeschlusses zur Seite.

Er hielte die Umbenennung der Hindenburgstraße, der Kohl-Larsen-Straße und der Hans-Stempel-Straße für einen großen Fehler, wie er in einer Stellungnahme unterstreicht. Historisch betrachtet seien Straßenumbenennungen ebenso wie die Entfernung von Denkmälern immer von Regimen vorgenommen worden, die die Erinnerung an eine bestimmte Vergangenheit tilgen und ihre eigene (einseitige) Sicht auf die Geschichte in der Bevölkerung durchsetzen wollten.

So verschwanden in Elsaß-Lothringen beim Einmarsch der Franzosen Ende 1918 die Denkmäler und Straßennamen, die an die deutsche Zeit erinnerten, und wurden durch französische Namen und Monumente ersetzt. „Das heute oftmals verkannte deutsche Kaiserreich hatte sich zuvor gegenteilig verhalten: Das Denkmal des napoleonischen Präfekten Lezay-Marnésia in Straßburg hatten die deutschen Behörden restaurieren lassen, in Colmar blieb die Statue des Generals Rapp, der in der napoleonischen Armee Karriere gemacht hatte, selbstverständlich an ihrem Platz. Erst die Nazis haben sie später entfernt.“

Besser erklärende Tafel als Umbenennung

Bruckert möchte nicht missverstanden werden: Dass die vielen Adolf-Hitler-Straßen 1945 sofort verschwunden seien, sei natürlich richtig gewesen. Aber eine ausgewogene Beurteilung der Person und historischen Leistung Hindenburgs sei viel schwieriger und falle auch aus heutiger Sicht keineswegs eindeutig aus. „Ja, er hat Hitler zum Reichskanzler ernannt und war 1917 maßgeblich an der Entscheidung beteiligt, den unbeschränkten U-Boot-Krieg wiederaufzunehmen, der zum Kriegseintritt der USA und damit zur Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg führte. Aber er und Ludendorff haben mit dem Sieg von Tannenberg 1914 auch Ostpreußen vor einem weiteren Vorstoß der Zarentruppen gerettet, wofür ihm noch die 1945 aus den Ostgebieten Geflüchteten eine dankbare Erinnerung bewahrten. Bis in die 1980er-Jahre hing in den Wohnzimmern von ,Flüchtlingen’ aus Ostpreußen oft das Porträt Hindenburgs, auch hier in Landau.“

Die Stadt Landau sollte sich nach Ansicht Bruckerts davor hüten, das Geschäft derer zu besorgen, welche die Komplexität der Geschichte in unzulässiger Weise vereinfachten und ihr ideologisch geprägtes und einseitiges Geschichtsbild der Öffentlichkeit als einzig mögliche Perspektive aufzwingen wollten. Man müsse deshalb kein Freund Hindenburgs sein, dessen historische Bilanz als Chef der Obersten Heeresleitung im Ersten Weltkrieg und zweiter Reichspräsident der Weimarer Republik von heute aus betrachtet nicht unbedingt positiv ausfalle. „Aber den Landauern (und allen anderen) sollte nicht die Möglichkeit genommen werden, sich selbst eine Meinung zu bilden, beispielsweise mithilfe einer erklärenden Tafel wie beim Löwen am Deutschen Tor. Wer immer von mündigen Bürgern und wehrhafter Demokratie spricht, sollte den Menschen auch die Fähigkeit zu kritischer Reflexion und begründetem Urteil zutrauen.“

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