Landau Keine Entspannung im Garten Eden

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„Manche Menschen haben Angst, dass da was in ihr Paradiesgärtlein eindringt.“ So umschreibt Bürgermeister Thomas Hirsch (CDU) die diffusen Ängste vor Flüchtlingen und Asylbewerbern. In der Südpfalz spürt er aber zumindest nichts von Fremdenfeindlichkeit. Doch auf Dauer werde auch die Stadt bei der Unterbringung an Grenzen stoßen.

Sozialdezernent Thomas Hirsch (CDU) ist froh über ein sehr großes und aktives Unterstützerpotenzial für Flüchtlinge in Landau. Was von dem geleistet werde, „stimmt mich hoffnungsfroh“. Einfach ist die Lage trotzdem nicht. Die Bundesregierung hat ihre Prognose gerade erst korrigiert: Statt mit 450.000 Flüchtlingen rechnet sie mit 800.000 allein in diesem Jahr. Hirsch gibt nicht viel auf solche Vorhersagen: Die bisherigen seien stets sehr schnell Makulatur gewesen. Seit 2013 waren der Stadt 531 Migranten zugewiesen worden, 268 allein in diesem Jahr. 380 hat sie noch in Betreuung. Dass sich das noch sehr schnell und stark ändern kann, hält Hirsch nicht für ausgeschlossen. „In Syrien ist ja keine Befriedung in Sicht“, sagt er. Die Neuankömmlinge leben in 150 Wohnungen, darunter etwa 100 Kinder unter 14, die einen Betreuungsanspruch haben. „In den Kitas geht es noch“, sagt Hirsch. Wenn die Entwicklung so anhalte wie bisher, „werden wir noch Zusatzgruppen ausweisen“. Er sieht im nächsten Jahr auch weiteren Personalbedarf im Sozial- und im Jugendamt, bei den bereits zusätzlich geschaffenen 2,5 Stellen werde es nicht bleiben können. „Die Betreuung wird immer wichtiger.“ Bei der Wohnungssuche lebt die Verwaltung „von der Hand in den Mund. Noch kommen wir gerade so hin“. Für die geplante Container-Unterkunft beim Landauer Freibad würden wohl diesen Monat die Bauarbeiten beginnen. Sie soll zum Jahresende fertig sein. „Und sie ist auch dringend notwendig“, betont der Bürgermeister, „sonst weiß ich auch nicht, wie wir das machen werden. Eine Zeltstadt geht jedenfalls nicht.“ Und das meint er nicht nur wegen des nächsten Winters. Für den Christdemokraten ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Kriegsflüchtlingen geholfen werden muss. Es werde aber nicht möglich sein, Menschen aufzunehmen, die ihre wirtschaftliche Situation verbessern wollen. Dass mehr Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden, hält Bürgermeister Hirsch für nötig, sofern besondere Umstände dennoch geprüft werden. Für Landau gelte dasselbe wie überall: Bei etwa der Hälfte der zugewiesenen Menschen sei nicht damit zu rechnen, dass sie dauerhaft bleiben könnten. Es sei unsinnig, dass die Kommunen viel Arbeit investieren in die Unterbringung, Einschulung oder Kita-Betreuung, wenn die Betroffenen mit größter Wahrscheinlichkeit nicht bleiben werden, argumentiert Hirsch. „Wir wollen uns lieber mit viel Kraft um diejenigen kümmern, die eine neue Heimat suchen und hier auch eine Perspektive haben.“ Dass Menschen aus sicheren Drittländern den Kommunen überhaupt zugewiesen werden, hält er für den grundsätzlichen Webfehler in der Ausländerpolitik. „Das Land braucht für diesen Personenkreis Aufnahmekapazitäten“, sagt der Landauer Sozialdezernent, denn „über die Erstaufnahme lässt sich viel steuern“. Das sieht auch Integrationsministerin Irene Alt (Grüne) eigentlich so. Ziel sei es, Neuankömmlinge vom Balkan, von denen nur 0,3 Prozent anerkannt würden, die zulässigen drei Monate in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu behalten. Noch fehlten jedoch die Kapazitäten, räumt Alt ein, obwohl „wir mit Hochdruck bauen“, denn statt der ursprünglich prognostizierten 15.000 Menschen habe der Bund dem Land nun 38.000 angekündigt. Daher reichten die Landeskapazitäten bisher nur, um die Menschen sechs bis acht Wochen in der Erstaufnahme zu halten. Bei einer zentralen Unterbringung sei auch die freiwillige Ausreise abgelehnter Asylbewerber oder die Abschiebung besser zu organisieren, sagt Hirsch. Denn anders, als es manchmal kolportiert wird, „wird auch noch abgeschoben“. Die Ministerin unterstreicht, dass intensiv und mit Erfolg für die freiwillige Rückkehr geworben werde. Dieses Jahr seien bereits 1150 Menschen freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt – doppelt so viele wie im Vorjahr. Bei der Asyl-Verfahrensdauer will sich Hirsch nicht auf eine maximale Zeitdauer festlegen. Sie müsse aber definitiv kürzer werden. Die vom Bund zugesagten zusätzlichen Stellen zur Bearbeitung seien der richtige Weg. Bis die Stellenausweitung wirke, werde es allerdings noch dauern. Bei aller Liebe zum Föderalismus fordert Hirsch bundesweit einheitliche Regelungen – auch in der Kostenfrage. Denn Rheinland-Pfalz lasse die Kommunen einen Teil der Kosten tragen. Das werde insbesondere bei der medizinischen Versorgung oder der Versorgung von schwer traumatisierten Menschen „ganz schwierig“, sprich: teuer. In diesem Punkt macht ihm Alt keine Hoffnungen: Wenn es nach dem Bund ginge, würden die Sätze gekürzt; das Land habe dafür gekämpft, dass es bei den derzeitigen Sätzen bleiben könne. Als Beispiel dafür, dass Integration gelingen kann, nennt Hirsch eine anerkannte afghanische Familie in Mörlheim. Der Ehemann und Vater sei als Helfer in der Festhalle eingesetzt worden, nicht zuletzt auf Drängen des Teams werde er nun als Veranstaltungstechniker ausgebildet. Die wesentliche Voraussetzung dafür sind Sprachkenntnisse. Nach Hirschs Einschätzung gibt es viele, aber noch nicht genug Angebote, und sie müssten auch noch früher ansetzen. Bei ausreichend Deutschkenntnissen könnten Asylbewerber auch Arbeit finden, denn „wir haben quasi Vollbeschäftigung.“ Die berufliche Integration hält Hirsch auch deshalb für besonders wichtig, weil Untätigkeit Sprengstoff berge.

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