Landau Uni: Vorlesungen zu Aspekten des Antisemitismus

Die Hüte der Männer, die Jesus zu Pontius Pilatus führen, sollen sie als Juden markieren. Eine weitere Abbildung des Passionszyk
Die Hüte der Männer, die Jesus zu Pontius Pilatus führen, sollen sie als Juden markieren. Eine weitere Abbildung des Passionszyklus zeigt einen Mann mit ebensolchem Hut, der Jesus ans Kreuz schlägt.

Juden – und andere Minderheiten – müssen seit Jahrhunderten in gesellschaftlichen Krisen als Sündenböcke herhalten. Das ist nicht nur ein Problem des Rechtsextremismus, der Schulen und der Jugend. Die Universität will Grundlagen beleuchten.

„Die Juden haben Christus ans Kreuz geschlagen.“ Dieses wohl älteste antisemitische Narrativ, die Gottesmordlegende, ist in Landau schon um 1350 auf die Chorwand der Katharinenkapelle gemalt worden. Die Uni Landau hat das Motiv zur Illustration einer öffentlichen Vorlesungsreihe über „Antisemitismus gestern, heute – und morgen immer noch?“ genutzt, die von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, den Kirchen und anderen Partnern inhaltlich oder finanziell unterstützt wird.

Die Vortragsreihe geht auf Professorin Karin Finsterbusch vom Institut für Evangelische Theologie zurück, die selbst nicht nur ein Theologiestudium, sondern auch ein Studium der Judaistik in Heidelberg absolviert hat. Der Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, der in der Folge entfesselte Krieg und die Reaktionen darauf hat der langen Geschichte des Antisemitismus ein neues Kapitel hinzugefügt. Die Entwicklung bei antisemitischen Vorfällen sei alarmierend, so Finsterbusch. „Die Verunsicherung ist immens. Man kann das nicht mehr laufenlassen“, sagt die Professorin, auch wenn sie konstatiert, dass die Lage in Landau und der Südpfalz vergleichsweise gut ist. Doch wenn sich Juden in Deutschland nicht mehr trauen, mit der Kippa auf die Straße zu gehen, sei das ein Alarmsignal für die Demokratie. Es gehe um deren Grundfesten.

Braucht Landau einen Beauftragten?

Sie teilt damit Aussagen von Landaus Oberbürgermeister Dominik Geißler, der ganz ähnlich begründet hatte, warum er einen Antisemitismusbeauftragten installieren möchte. Das Thema sei Geißler ein Herzensanliegen, er habe auch sofort Mittel der Sparkassenstiftung zur Deckung der bei einer solchen Reihe anfallenden Kosten zugesagt, ebenso die Landesbeauftragte für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen, Monika Fuhr.

Finsterbusch und ihr katholischer Kollege Wolfgang Pauly, Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz, haben sich sehr schnell zusammengesetzt, um einen Rahmen für die Vorträge abzustecken. In Landau werden Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet, und diese benötigten Hintergründe, die ihnen im Curriculum nicht vermittelt würden, so Finsterbusch. Daher wird beispielsweise die Landauer Professorin Francesca Vidal über die Sprache der Antisemiten und den Umgang mit antisemitischen Symbolen im Schulalltag sprechen. Pauly hält es für ein Zeichen des sich einschleichenden Antisemitismus, dass „Du Jude“ ganz alltäglich als Schimpfwort unter jungen Leuten genutzt werde.

Antisemitismus an vielen Stellen

Finsterbusch und Pauly betonen aber, dass Antisemitismus kein Problem der Jugend ist, sondern ein gesamtgesellschaftliches. Ihnen waren daher weitere Perspektiven wichtig. So wird der Südpfälzer Student David Rosenberg über Antisemitismus aus Sicht jüdischer Zeitgenossen sprechen und Privatdozentin Sonja Strube darüber, dass die extreme Rechte den Antisemitismus im katholischen Traditionalismus attraktiv findet. Professor Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster, der sich für eine Imam-Ausbildung in Deutschland stark gemacht hat, befasst sich mit der „Geschichte des islamischen Antisemitismus“. Pauly betont in diesem Zusammenhang, dass es drei Wochen nach dem Hamas-Überfall ein interreligiöses Friedensgebet mit Vertretern der Ditib-Gemeinde Queichheim in der Stiftskirche gegeben hat und der Gesprächsfaden zwischen den Religionen in der Region nicht abgerissen ist.

Den Vorstoß für einen Islambeauftragten rechnen Finsterbusch und Pauly dem Oberbürgermeister hoch an, auch wenn Pauly dessen Aufgabengebiet auch auf andere Gruppen ausgedehnt wissen will, wie beispielsweise Sinti und Roma. Die Gedenkfeier am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz werde daher mit anderen Gruppen von Verfolgten ausgerichtet und habe von Jahr zu Jahr wechselnde Schwerpunkte. Am 27. Januar werde es um die Euthanasieopfer in Klingenmünster gehen, und das Gedenken werde von jungen Leuten von der Pflegeschule des Pfalzklinikums gestaltet.

Wie steht es um die Straßennamen?

Können auch Straßennamen ein Ausdruck von Antisemitismus sein? So weit wollen Pauly und Finsterbusch in der derzeitigen Debatte in Landau nicht gehen. Insbesondere halten sie es für unglücklich, dass über einen Rassisten wie Kohl-Larsen und den ehemaligen Kirchenpräsidenten Hans Stempel in einem Atemzug gesprochen wird. Pauly sieht sich durch die Dissertation von Nicholas John Williams in seiner Einschätzung bestätigt, dass sich Stempel nach dem Krieg zwar um Nazis gekümmert hat, aber selbst keiner gewesen sei. Er habe dabei Fehler gemacht, aber er habe auch das Synagogenmahnmal in Landau unterstützt. „Es gibt kein einfaches Schwarz oder Weiß, sondern viele Grautöne“, so Finsterbusch. Sie würde nicht alles ausblenden wollen, was zur Geschichte einer Stadt gehört. Daher hätten sie das Plakatmotiv aus der Katharinenkirche ausgewählt. Viel wichtiger sei ihr die Frage „Wie gehen wir heute mit Antisemitismus um?“

Info

Vortragsreihe Antisemitismus Gestern, heute – und morgen immer noch? ab 30. Oktober immer mittwochs von 18.15 Uhr bis 19.45 Uhr, Bürgerstraße 23.

Die Themen: Definitionen Antisemitismus, Ursprünge des Antisemitismus in der Antike am 30. Oktober und Der christliche Antisemitismus: Bilder der Juden im Neuen Testament am 6. November, beide von Karin Finsterbusch. Der islamische Antisemitismus: Bilder der Juden im Neuen Testament von Abdel-Hakim Ourghi am 13. November. Geschichte des islamischen Antisemitismus, Livestream von Mouhanad Khorchide am 20. November. Bilder der Juden in der (europäischen) Literatur von Lothar Bluhm am 27. November. Antisemitismus im katholischen Traditionalismus: Attraktiv für die extreme Rechte von Sonja Strube am 4. Dezember. Zur Sprache der Antisemiten am 11. Dezember und Zum Umgang mit antisemitischen Symbolen im Schulalltag am 8. Januar, beide von Francesca Vidal. Antisemitismus aus Sicht jüdischer Zeitgenossen von David Rosenberg am 15. Januar und Das christliche Gottesbild – Anlass zu Antisemitismus oder Chance und Konzept zu dessen Abwehr von Wolfgang Pauly am 22. Januar.

Professorin Karin Finsterbusch von der Uni und ihr Kollege Wolfgang Pauly von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische zusammena
Professorin Karin Finsterbusch von der Uni und ihr Kollege Wolfgang Pauly von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische zusammenarbeit haben die Vortragsreihe konzipiert.
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