Ludwigshafen Auf Kollisionskurs im Luitpoldhafen

Liegt seit einem Großbrand brach: eine 2,6 Hektar große Fläche auf der Parkinsel.
Liegt seit einem Großbrand brach: eine 2,6 Hektar große Fläche auf der Parkinsel.

Auf der Parkinsel gibt es entlang des Luitpoldhafens zwei unterschiedliche Bereiche: Im nördlichen Teil ist ein Neubaugebiet mit Ein- und Mehrfamilienhäusern entstanden. Wo früher Schiffscontainer gestapelt wurden und sich der Metallbetrieb Südband befanden, herrscht heute Kleinstadtidylle. Das Neubaugebiet ist eine Erfolgsgeschichte. Ginge es nach der Stadtratsmehrheit und der Verwaltungsspitze, sollen auch südlich der Drehbrücke auf der Insel neue Wohngebäude entstehen. Dort befinden sich derzeit ein Edeka-Großmarkt, weitere Gewerbebetriebe und eine 2,6 Hektar große Brachfläche, die nach dem Brand einer Lagerhalle im Sommer 2013 entstanden ist. Das ganze Areal gehört den Hafenbetrieben Ludwigshafen. Und deren Chef Franz-Josef Reindl hält von einem Neubaugebiet auf seinem Grund herzlich wenig. Er befürchtet Probleme mit nahegelegenen Unternehmen – und dies offenbar nicht zu Unrecht. Störfallbetriebe wollen Gutachten Die Firmen Contargo und Raschig haben die Stadtverwaltung darauf hingewiesen, dass es bei einem Neubaugebiet wegen ihrer Betriebe zu Konflikten kommen könnte. Bei Störfällen könnten Gefahrstoffe freigesetzt werden, die bestimmte Sicherheitsabstände erforderten. Contargo betreibt den nahegelegenen Kaiserwörthhafen, in dem sich ein Gefahrstofflager befindet. Und auch die Chemiefabrik von Raschig gilt als Störfallbetrieb, wie das im Behördendeutsch heißt. Die Stadtverwaltung hat deshalb zu ihrem Bebauungsplan Gutachten in Auftrag gegeben, die überprüfen sollen, ob die erforderlichen Sicherheitsabstände zwischen den beiden Unternehmen und den geplanten Wohnhäusern im Süden der Insel eingehalten werden. Weil es ja jetzt schon Wohnbebauung in der Nachbarschaft von Contargo und Raschig in den Stadtteilen Süd und Mundenheim gibt, war die Stadt eigentlich davon ausgegangen, dass die Sicherheitsabstände zu der Brachfläche auf der Parkinsel ausreichend wären. Nach Absprache mit der Gewerbeaufsichtsbehörde in Neustadt und den betroffenen Firmen sind jedoch zwei Gutachten in Auftrag gegeben worden. Geprüft wird dabei, welcher Abstand zum Neubaugebiet angemessen ist, falls es zu Stoffaustritten, Verpuffungen oder einem Großbrand kommt. Wie groß der Radius sein muss, hänge von den Anlagen ab, erläutert Rainer Ritthaler, Chef des Bereichs Umwelt bei der Stadt. „Es geht um Genehmigungsverfahren für neue Störfallanlagen in der Zukunft – die Firmen wollen das abgeklärt wissen“, erläutert Ritthaler. Für den Altwohnungsbestand gelte Bestandsschutz, am Leben der Leute in der Nachbarschaft im Stadtteil Süd oder Mundenheim ändere sich nichts. Die Rechtslage bei Neubauten sei anders, aber klar sei auch, dass sich die Lage für den Altbestand durch neue Anlagen nicht verschlechtern dürfe. Beide Gutachten werden derzeit von unabhängigen Experten erstellt. Stadtrat diskutiert heute Lage Ohne die Einschätzung der Gutachter zu den Sicherheitsabständen kann der Bebauungsplan der Stadt erst einmal nicht weiter vorangetrieben werden. Deswegen will sich die Verwaltung ein Zeitpolster schaffen. Und da ist heute der Stadtrat gefordert: Er soll eine sogenannte Veränderungssperre für ein weiteres Jahr verlängern. Die Sperre legt fest, dass auf dem Areal nichts gebaut werden darf, was dem Bebauungsplan widersprechen würde – beispielsweise eine neue Lagerhalle. Die zuvor schon verlängerte Veränderungssperre läuft Mitte Juni aus, bis dahin ist jedoch nicht mit den Gutachten zu rechnen. Deswegen soll der Stadtrat den Ist-Zustand auf der Parkinsel für ein weiteres Jahr verlängern. Warum seit Jahren nichts passiert Auf dem Gelände tut sich bisher nichts, weil zwischen Stadt und Hafen seit mittlerweile fünf Jahren ein Rechtsstreit über die Zukunft des Areals tobt. Kompromisspläne zwischen den Akteuren – die Ansiedlung des Polizeipräsidiums oder der Pfalzwerke auf dem Areal – haben sich zerschlagen. Die Hafenbetriebe haben zwar einen juristischen Sieg erringen können, aber der ändert an dem aktuellen Zustand nichts. Rückblick: Die Stadt hatte den Hafenbetrieben 2015 untersagt, auf dem Areal wieder eine Lagerhalle aufzubauen. Dies war jedoch nicht rechtens, wie im vergangenen Jahr das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in letzter Instanz bestätigt hat. Doch das Urteil bezieht sich auf die Rechtslage in der Vergangenheit. Der Stadtrat hat ungeachtet dessen im April 2014 die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen, um ein Wohn- und Gewerbegebiet auf den Weg zu bringen. Mittlerweile sehen die Pläne der Stadt vor, dass der Schwerpunkt auf Wohnen liegen soll: Direkt an der Drehbrücke sollen zwei viergeschossige Mehrfamilienhäuser gebaut werden – Vorbild dafür sind die gegenüberliegenden terrakottafarbenen „Belazzo“-Häuser der GAG. Das Problem: Dort befindet sich ein Edeka-Großmarkt, der das Gelände noch einige Jahre vom Hafen gemietet und Bestandsschutz hat. Deswegen will die Stadt in Teilabschnitten den südlichen Luitpoldhafen bebauen. Das Edeka-Gelände bleibt dabei erst einmal außen vor. Die durch den Brand entstandene dahinterliegende Brachfläche soll in drei Baufelder aufgeteilt werden, die mit eigenen Straßen an die Hafenstraße angebunden werden sollen. Die Wohnhäuser dort sollen maximal dreigeschossig sein. Südlich davon befinden sich Gewerbebetriebe, beispielsweise haben dort eine Spedition oder die Wasserschutzpolizei ihren Sitz. Um Konflikte mit den neuen Häuslebauern zu entschärfen, erklärt die Stadt das zu bebauende Areal zum „Urbanen Gebiet“. Der baurechtliche Begriff bezeichnet ein Gebiet, in dem Wohnen und Gewerbe erlaubt ist. Gestattet sind dort Betriebe, die Bewohner nicht wesentlich stören. Dennoch ist dort tagsüber mehr Lärm erlaubt als etwa in reinen Wohn- oder Mischgebieten. Das soll auch sicherstellen, dass benachbarte Gewerbebetriebe weiter bestehen können. Im Gegensatz zu einem Mischgebiet darf der Wohnungsanteil höher sein. Soweit die Theorie. Hafenchef: Kein Kompromiss Doch Hafenchef Reindl hält den Plan der Stadt für ein „Urbanes Gebiet“ für „absolut falsch.“ Die Verwaltung sei wegen der Nachbarschaft zu Störfallbetrieben von den betroffenen Firmen sowie der Industrie- und Handelskammer (IHK) im Vorfeld deutlich darüber informiert worden, dass ein „Urbanes Gebiet“ kein gangbarer Kompromiss zur Schaffung von Wohnbebauung sei. „In diesem Licht geben bestimmte Bebauungspläne und ausgereizte Veränderungssperren nur mit Blick auf anstehende Wahltermine Sinn“, kritisiert der Hafenchef das Vorgehen der Stadtratsmehrheit und der Verwaltungsspitze. Und er legt nach: „Die Stadt sollte wissen, was sie tut.“ Dem Vernehmen nach kann die Veränderungssperre im Sommer 2020 nicht noch einmal verlängert werden. Bis dahin sollte also eine Lösung für die Parkinsel gefunden werden. In der Stadtverwaltung ist man zuversichtlich, dass die Störfall-Gutachten einem Wohn- und Gewerbegebiet keine Steine in den Weg legen. Doch ein Ende des Streits zwischen Hafen und Stadt ist deshalb noch lange nicht in Sicht. Beide Seiten sind derzeit weiterhin auf Kollisionskurs.

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