Ludwigshafen Düster und lustig
Das Schnawwl-Festival „StepX“ im Festival „Theater der Welt“ hat Beispiele von Tanztheater für junges Publikum gezeigt. „Goys and Birls“ von De Stilte aus Breda und „Die Goldbergs“ von Sabine Seume aus Düsseldorf sind Tanzproduktionen, die eine enge Beziehung zur Musik von Johann Sebastian Bach herstellen und mit Requisiten arbeiten.
„Don*Gnu“ aus Arhus und „Jakob & Peter“ aus Gent sind performative Männer-Duos. „Arch8“ aus Den Haag macht tänzerisches Straßentheater. Eins haben alle dem Tanztheater für Erwachsene voraus: einen herzerfrischenden innovativen Humor. De Stilte ist seit 20 Jahren auf Tanztheater für Kinder spezialisiert. Drei Männer, drei Frauen wirbeln durcheinander. Die Musikerin Jacqueline Hamelink tritt mit trendiger Einkaufstasche auf, distanziert und sehr nobel. Verschreckt verschwinden alle in Spinden und kommen als zickige Mädchenbande mit Einkaufstaschen wieder heraus. Die Herrin verteilt an alle männliche Masken. Sie spielt Bach auf ihrem Cello. Einen Jungen streicht sie damit in den Zusammenbruch. Die anderen setzen sich mit Clownsklamotten zur Wehr, kommen aber von der Maske – Muttis Bester, flexibel und erfolgreich – nicht los und jagen den Einzigen, der sich ihr verweigert. Obwohl das sehr lustig ist, hat die Atmosphäre düster bedrohliche Züge. Erst beim „pädagogischen“ Puppenspiel wird es spaßig. Die Musikerin rastet aus. Die Kinder tanzen zu afrikanischen Tönen. Sie stellen ihr den Schemel hin, damit sie allein ihren Bach spielen kann. Sabine Seume reiht Reibereien, Tagträume, Geschicklichkeits- und Kampfspiele zu den live gespielten Goldberg-Variationen aneinander. Die Choreografin und Pina-Bausch-Schülerin lässt ein gemischtes Quartett in den musikalischen Pausen die jeweilige Stimmung aufbauen, die dann in der Musik ausgetanzt wird: Ein verbales Geplänkel um einen Stuhl geht in heftiges Gegeneinander über. Ein davongerollter Apfel löst einen Moment lyrischer Verinnerlichung aus. In den Spielen und Streitereien der Kinder ist schon das gesamte Verhaltensspektrum Erwachsener angelegt. Besänftigend führt Sabine Seume die Rasselbande in den Schlaf, nachdem sie ihr zuvor breiten Raum gegeben hat, sich auszutoben. „Don*Gnu“ sind die Tanzperformer Jannik Elkaer und Louis Andrup Petersen. Für „Woman know Your Wardrobe“ haben sie sich musikalisch eine Zwei-Mann-eine-Frau-Ergänzung und zur tänzerischen Verstärkung einen Asiaten geholt. Frau hat hier nichts zu vermelden. Wo die fünf Schränke stehen, entscheiden die zwei Wikinger-Kerle im Prolooutfit. Die singende Frau, Alice Carreri, wird aus dem Schrank geholt, herumgetragen und fürsorglich gestützt über ein Gebirge aus Schränken geführt. Deren Schieben, Umstoßen, Abfangen, Auftürmen, ja das Bauen überhaupt sind Männersache. Prachtvoll athletisch, komisch. In grotesker Männlichkeit tanzt das Terzett die vier kleinen Schwanensee-Schwäne. Dann machen die beiden Nordmänner als der gute Prinz den skurrilen Asiaten als den bösen Zauberer fertig. Jakob und Pieter Ampe bauen Landschaften aus Holzkästen, in die sie hineinkriechen. In „Jake and Pete’s Big Reconciliation Attempt for the Disputes from the Past“ arbeiten die Brüder autobiografisch ihre Kindheit aus „Spiel“ und „Kampf“ auf. Das Stück ist eine rasante Mischung aus Clownerie, körperlicher und stimmlicher Akrobatik, Installationskunst in so bizarren, wie bewegenden Bildern. Auf ihrem Parcours vom Alten Messplatz durch die Neckarpromenade bis zum Collini-Center kletterten sieben Tänzer und Tänzerinnen – drei aus Den Haag, vier aus der freien Mannheimer Szene – auf Bäume und Ampelmasten, turnten auf Mauern und Brückengeländern, legten sich auf und über Treppenstufen in den Weg, schlängelten sich durch das Publikum. Der Choreograf ist Erik Kaiel, der 2010 den ersten Preis im Ludwigshafener Choreografiewettbewerb „No Ballet“ gewonnen hat.