Ludwigshafen Der Geheimtipp

Susanne Hartel fängt freiwillig in der untersten Liga als Trainerin an. Sie glaubt, dass irgendwann eine Frau in der Bundesliga
Susanne Hartel fängt freiwillig in der untersten Liga als Trainerin an. Sie glaubt, dass irgendwann eine Frau in der Bundesliga als Verantwortliche auf der Bank sitzen wird.

«Mannheim.» Wenn Susanne Hartel ihre Spielerinnen zur Halbzeitansprache bei Punktspielen bittet, dann versammelt sie die Mannschaft vor einer großen Leinwand im Vereinsheim. Über einen Beamer zeigt die 30-Jährige dort dann Szenen aus der ersten Spielhälfte, die mit einer Kamera aufgenommen wurden. Ein paar gute Szenen, ein paar weniger gute Szene. So viele wie nötig. Aber auch nicht mehr als nötig. „Ich suche mir spezielle Dinge heraus, um die Mädels damit zu packen“, sagt die Übungsleiterin. Diese Art der Halbzeitanalyse mag nach professionellem Fußball klingen. In Wirklichkeit ist es aber Amateurfußball in seiner reinsten Form. Susanne Hartel trainiert die erste Damenmannschaft des MFC 08 Mannheim-Lindenhof, Landesliga Rhein-Neckar, unterste Spielklasse. Vermutlich muss man sagen: Hartel trainiert diesen Verein noch. Denn sie wird den MFC Lindenhof nicht auf ewig trainieren. Es gibt Leute, die ihr eine große Trainerkarriere voraussagen (das liegt nicht nur an der professionellen Halbzeitanalyse). Und vermutlich werden diese Leute Recht haben mit ihrer nicht allzu gewagten Prognose. Hartel ist fokussiert, fachlich top, fordernd („Ich bin nicht hierhergekommen, um die Bespaßung in einer unteren Klasse zu machen“). Dieses Jahr will sie mit dem A-Trainer-Schein beginnen. Ihr Ziel ist die Bundesliga, zumindest die der Frauen. Auch die Arbeit im Herrenbereich kann sie sich vorstellen. „Es gibt die erste Frau in der Bundesliga als Schiedsrichterin. Irgendwann wird es auch die erste Trainerin geben“, glaubt Hartel. Sie sagt nicht, dass sie es sein wird. Aber ihre Aussage sagt viel über ihren Ehrgeiz, ihr Selbstbewusstsein und ihre Ziele aus. Hartel hätte als Trainerin nicht ganz unten beginnen müssen. Aber sie wollte es so. Sie wollte unten anfangen. Ganz unten. Das liegt daran, dass sie dem Verein, bei dem sie zehn Jahre als Spielerin aktiv war (1992 bis 2002) und ihr Vater Klaus der Vorsitzende ist, etwas zurückgeben wollte. Das liegt aber vor allem daran, dass die gebürtige Mannheimerin, die mittlerweile in Hirschberg an der Bergstraße lebt, bewusst eine Übungsleiter-Lehrzeit durchlaufen möchte. „Man muss wissen, wo man herkommt“, sagt Hartel und fügt an: „Ich will mich durch Wille, Ehrgeiz und ehrliche Arbeit weiterentwickeln.“ Zwei Abende die Woche investiert sie, um die zwei wöchentlichen Trainingseinheiten vorzubereiten. Macht vier Abende mit Fußball. Hartel trainiert, wie erwähnt, einen Verein in der untersten Spielklasse. Schon als Spielerin – sie gehörte als 16-Jährige zum Bundesliga-Kader des 1. FFC Frankfurt – hat sie erfahren, wie wichtig solch eine Lehrzeit sein kann. „Jeder fängt einmal klein an. Ich habe aus dieser Phase viel gelernt, viel mitgenommen“, sagt Hartel, die bei einem Prothesenhersteller arbeitet. Ähnliches erhofft und erwartet sie sich nun im Trainergeschäft. „Ich sehe die Lehrzeit wie einen roten Faden für mich“, sagt sie. Fußball ist ihr Leben. „Ich kann nicht ohne Fußball“, sagt Hartel. Die Tätigkeit als Trainerin, so sagt sie, gebe ihr viel zurück. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass sie ihre eigene Laufbahn als 26-Jährige wegen einer schweren Fußverletzung beenden musste. Es war ein harter Schlag, eine „Welt brach damals zusammen“. Man merkt, dass sie dieses frühe Karriereende noch nicht ganz überwunden hat. Sie sieht auf diese Zeit aber schon aus einer sehr reflektierenden Perspektive zurück. Überhaupt fällt auf, dass Hartel sehr offen und ehrlich kommuniziert. Bei einem männlichen Fußballer ihres Werdeganges, gestählt durch viele Medientrainings, wäre dies ziemlich sicher nicht so. Sie erzählt zum Beispiel, dass sie nach dem Karriereende Jahre benötigte, um sich ein Leben neben dem Fußball aufzubauen, lernen musste, damit zurechtzukommen, nicht mehr jeden Abend Training zu haben: „Es war ein langer Weg. Es gab ja nichts außer Fußball.“ Sie sagt, sie genieße nun dieses Leben, in dem Fußball nicht mehr der Mittelpunkt ist. Sie weiß aber auch, dass sich das ändern wird, wenn sie ihre angestrebten Ziele als Trainerin erreicht. Nur eines ist sicher: Diese Trainerstation muss geografisch in der Nähe sein. „Ich kann mir nicht vorstellen, mit 35, 36 Jahren noch mal woanders hinzugehen.“ Hartel ist heimatverbunden. Sehr heimatverbunden. Schon als Spielerin suchte sie sich ihre Arbeitgeber nach der Nähe zu Mannheim aus. „Ich hatte auch Angebote aus Wolfsburg und München“, sagt sie. Gespielt hat sie allerdings beim 1. FFC Frankfurt, dem SC Freiburg und 1899 Hoffenheim. Bis auf eine kurze Phase in Freiburg wohnte Hartel in Mannheim – und fuhr täglich zum Training. Damals nutze sie die Zeit im Zug zum Lernen, nun könnte sie Videosequenzen studieren.

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