Ludwigshafen Der Lack ist ab

Es soll ja irgendwann diese Autoroboter geben, die allein durch die Gegend fahren können. Ich stelle es mir schön und sehr zeitsparend vor, mich morgens auf der Autobahn ganz in Ruhe meiner Frisur und meinem Make-up widmen zu können und abends auf dem Heimweg in einem Buch lesen oder den Sonnenuntergang betrachten zu können, während ich nach Hause chauffiert werde. Andererseits: Mein Auto kann das jetzt schon. Es bringt mich so zuverlässig morgens von Bad Dürkheim nach Ludwigshafen und abends von Ludwigshafen nach Bad Dürkheim, dass ich kaum etwas dazu beitragen muss. An einem Feierabend neulich ist mir zum Beispiel erst eingefallen, dass ich noch einkaufen wollte, als ich zu Hause in der Garage stand. Meinen hellblau-metallicfarbenen Suzuki Splash habe ich seit knapp zwei Jahren. Ich mag ihn sehr. Und verteidige ihn, wenn er – zum Beispiel von meinem Chef, wenn er auf dem Beifahrersitz mitfährt – „klein und knuffig“ genannt wird. Der Platz ist einfach viel effizienter verteilt als bei anderen Autos. Unter dem Kofferraum ist ein zweiter Kofferraum, in dem man nicht ständig benötigte Dinge wie Regenschirme oder Picknickdecken unterbringen kann. Oberhalb des Radios ist ins Armaturenbrett ein Geheimfach mit einer Klappe eingelassen, in dem ich Taschentüchervorräte verstaue. Das ist sehr praktisch, da ich zurzeit häufiger heuschnupfenbedingte Niesanfälle habe. Ich hatte mir fest vorgenommen, mein schönes metallicglänzendes Auto zu hegen und zu pflegen. Sechs Wochen, nachdem ich es in meinen stolzen Besitz genommen hatte, bin ich in Grünstadt beim Ausparken unter den Augen zweier RHEINPFALZ-Kollegen an einem alten Golf entlanggeschrammt. Immerhin konnte ich gleich die zum ersten Mal in meinem Leben erworbene Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen. Der Austausch der kompletten Beifahrerseite meines Autos wäre sonst sehr teuer gewesen. Samstagnacht vorletzter Woche sind mein Freund und ich sehr spät von einer sehr schönen Feier anlässlich eines der 40. Geburtstage nach Hause gekommen, die sich in unserem Freundeskreis zurzeit häufen. Ich war, man muss es betonen, völlig nüchtern, sehr müde, wollte schnell ins Bett und habe die Kurve in unseren Hof mit viel Schwung, aber einen Sekundenbruchteil zu früh genommen. Leider steht da ein Pfosten im Weg. Mein Freund versucht mich seitdem freundlicherweise mit der Lüge zu trösten, man sehe fast nichts. Aber leider: Der Lack ist ab. Scheint fast, als wäre mein Autoroboter doch noch nicht so ganz ausgereift. Schade.

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