Ludwigshafen Dieses unerträgliche Hämmern im Kopf

Meist ist es eine Mischung aus Migräne und Spannungskopfschmerz, die die Patienten quält.
Meist ist es eine Mischung aus Migräne und Spannungskopfschmerz, die die Patienten quält.

«Ludwigshafen.» Diese unerträglichen Kopfschmerzen verbunden mit Übelkeit kennt Ingeborg Lampert (64) aus Schifferstadt schon seit ihrer Kindheit. Wie ihr Vater und ihr Bruder leidet auch sie unter Migräne. Bis zu 15-mal im Monat kamen die Anfälle, die durchaus auch tagelang dauern konnten. Vor 20 Jahren kam sie zum ersten Mal ins Schmerzzentrum von Dr. Oliver Emrich. Geheilt ist sie zwar nicht, aber mittlerweile kommen die Anfälle nur etwa viermal im Monat und sie sind mit den passenden Medikamenten in wenigen Stunden verschwunden. Neben den Schmerzen belastet die Patienten mitunter auch das Vorurteil, bei Migräne handle es sich um eine eingebildete Krankheit. „Ach, sie hat wieder ihre Migräne.“ Sätze wie diesen hat Ingeborg Lampert oft gehört. Doch sie hat für sich den richtigen Weg gefunden, mit der Krankheit umzugehen. Dazu gehören für sie Medikamente, Physiotherapie, Entspannungsübungen und die Einhaltung der Regeln der Migräne Liga Deutschland. Jeder Patient ist individuell, deswegen kann auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe sehr hilfreich sein. Eine solche möchte Ingeborg Lampert gründen (siehe „Mitstreiter gesucht“). Ihr Arzt Oliver Emrich (63) ist Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie und Leiter des Schmerzzentrums Ludwigshafen. Rund ein Drittel seiner Schmerzpatienten leiden wie Ingeborg Lampert unter Kopfschmerzen. „Migräne beginnt häufig in Kindheit und Jugend, der Gipfel ist von Pubertät bis Berentung. Wenn der Stress durch die Arbeit wegfällt, nimmt die Kopfschmerzhäufigkeit ab“, hat er beobachtet. Meist leiden die Patienten schon seit Jahren unter Kopfschmerzen, wenn sie ins Schmerzzentrum kommen. Am Anfang steht für Emrich und seine Kollegen eine genaue Kopfschmerzanalyse. Die Patienten werden zu ihrer Krankengeschichte befragt und untersucht. Zum Glück sind die Befürchtungen, ein Hirntumor könnte die Qualen auslösen, nur in sehr wenigen Fällen begründet. Es sind oft Mischformen von Migräne und Spannungskopfschmerzen, die die Patienten quälen. Reine Spannungskopfschmerzen behandelt Emrich möglichst ohne Medikamente. „Hier können Physiotherapie, Reizstrom oder Akupunktur gut helfen“, sagt der Experte. Bei Migräneanfällen setzt er meist auf Triptane (eine spezielle Arnzei zur Behandlung der Migräne) in Kombination mit Ibuprofen und manchmal auch einem Mittel, das die Magenbewegung beschleunigt, damit die Medikamente schneller aufgenommen werden. Patienten, die mehr als fünf Migräneanfälle im Monat haben, verordnete er beispielsweise vorbeugend Beta-Blocker oder Antiepileptika in niedriger Dosis oder eine sehr geringe Dosis von tricyclischen Antidepressiva. „Das hat kaum Nebenwirkungen“, sagt der Schmerzmediziner. Patienten mit chronischer Migräne, die an mehr als 15 Tagen pro Monat unter Kopfschmerzen leiden, können Botox-Injektionen in genau festgelegte Stellen am Kopf helfen. Dadurch verspannt sich die Muskulatur während eines Migräneanfalles nicht und verstärkt so die Kopfschmerzen nicht weiter. Ab diesem Monat gibt es eine ganz neue Impfung gegen Migräne, von der sich Emrich sehr viel verspricht. Auch in der Privatpraxis von Ina Wahl (48) in Limburgerhof suchen Menschen mit Kopfschmerzen Hilfe. Sie ist Anästhesistin mit Zusatzausbildung Schmerztherapie, Palliativmedizin, Hypnotherapie und Notfallmedizin. „Die meisten Patienten haben schon viele Therapieversuche hinter sich, kennen die gängigen Medikamente und Behandlungsmethoden. Sie waren beim Hausarzt, Neurologen und Orthopäden und können auf ein breites Behandlungsspektrum zurückblicken“, erzählt sie. Meist habe es nicht so geholfen, wie erwartet, oder die Medikamente hätten starke Nebenwirkungen. Manchmal schrecken die Patienten auch davor zurück, auf Dauer Medikamente zu nehmen, um Migräne-Anfälle zu vermeiden. Ihnen stellt Ina Wahl Alternativen vor. Zum Beispiel Infusionen mit B-Vitaminen kombiniert mit einem Lokalanästhetikum. Auch mit Akupunktur können Kopfschmerzen gelindert werden. Wichtig sei es, realistische Ziele zu setzen. „Mit einer Behandlungsserie Schmerzen von Zehn auf Null zu senken, das geht nicht“, sagt sie. Erstes Ziel sei, die Häufigkeit und Stärke der Anfälle zu reduzieren. „Ich habe durchaus Patienten, die seit Jahren ohne Anfall sind“, sagt sie. Auch Hypnose könne Kopfschmerzpatienten helfen. „Man kann den Schmerz zwar nicht weghypnotisieren, aber die Menschen können lernen, durch eine Art Selbsthypnose besser mit den Schmerzen umzugehen.“ Manchmal ist auch ein massiver Eisenmangel Auslöser von Kopfschmerzen. Und gar nicht so selten sind Kopfschmerzen eine Folge übermäßiger Einnahme von Schmerzmitteln. „Ich nehme die Patienten in die Verantwortung, das ist für viele eine ungewohnte, neue Herangehensweise, dem Schmerz zu begegnen“, erzählt Ina Wahl weiter. Sie überlegt mit ihnen, was die Kopfschmerzen auslösen könnte und was sie selbst dagegen unternehmen können und wollen. Hierzu gehöre auch das Erlernen von Entspannungsübungen. Claudia Horstmann (46) ist Heilpraktikerin, hat einen Teil ihrer Ausbildung zur Osteopathin in Mutterstadt absolviert und hat vor Kurzem in Heppenheim ihre eigene Praxis eröffnet. Osteopathen behandeln sogenannte Dysfunktionen. Das sind Probleme, die den Körper aus dem Gleichgewicht bringen. „Wir versuchen mit der Behandlung, dem Körper solche Dysfunktionen zu nehmen und dadurch dem Menschen die Möglichkeit zu geben, von selbst gesund zu werden. Im Prinzip schubsen wir die Selbstheilung an“, sagt Claudia Horstmann. „Unser Ziel ist es, den Auslöser der Kopfschmerzen zu finden.“ Unter Umständen müsse zuvor aus schulmedizinischer Sicht alles abgeklärt werden. Ansätze für eine osteopathische Behandlung fänden sich beispielsweise bei Beschwerden infolge von Stürzen auf das Steißbein. Oder bei Kopfschmerzen, die durch Stress und Überarbeitung ausgelöst werden. Auch Muskelverspannungen und Blockaden in der Wirbelsäule oder Organprobleme können Kopfschmerzen verursachen. Der Osteopath sucht die Ursache für Kopfschmerzen nicht nur im Kopfbereich, sondern im ganzen Körper. „Osteopathie ist wie Kriminalfälle lösen: Es schreit das Opfer, aber nicht der Täter. Wir gehen auf die Suche, welche Körperbereiche Probleme haben und was das im Körper auslöst.“ Darum behandelt der Osteopath unter Umständen Stellen am Körper, von denen sich der Patient gar nicht bewusst ist, dass er dort ein Problem hat. Die Methoden seien dabei vielfältig: Sie reichen von der Manipulation, wo es auch schon mal knackt, über unangenehme Dehnungen und angenehme Mobilisation von Gelenken bis zu ganz sanften kaum spürbaren Behandlungen. Mitstreiter gesucht Ingeborg Lampert möchte eine Selbsthilfegruppe für Migräne-Patienten aufbauen. Infos gibt es per E-Mail an schifferstadt@migraeneliga.de.

C. Horstmann
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Ina Wahl
Ina Wahl
I. Lampert
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Oliver Emrich
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