Ludwigshafen „Ein Sieg für die Ewigkeit“

Joannis Chorosis
Joannis Chorosis

Noch 42 Tage bis zum Anstoß bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland (14. Juni bis 15. Juli). In loser Folge sprechen wir mit Ludwigshafenern, die ihre Wurzeln in Ländern haben, die sich – überraschenderweise oder mal wieder – nicht fürs Turnier qualifiziert haben. Heute: Joannis Chorosis (64). Der Vertriebsleiter im Ruhestand sitzt seit 2008 für die CDU im Stadtrat und ist Vorsitzender der DJK Oppau.

Herr Chorosis, wer über griechischen Fußball spricht, kommt am EM-Titel 2004 nicht vorbei. Steht das Denkmal für Trainer Otto Rehhagel noch?

(lacht) Ich war in Athen und habe keines gesehen. Im Ernst, Rehhagel war ein riesiger Glücksfall für Griechenland. Der Gewinn der Europameisterschaft ist als Jahrhundertereignis in die Geschichte eingegangen. Ein Sieg für die Ewigkeit. Das Denkmal steht zumindest im Geiste vieler Griechen. Welchen Stellenwert hat Rehhagel? Es war einer der größten Trainer aller Zeiten. In Griechenland über Fußball zu reden, ohne auf „Rehhakles“ zu kommen, ist unmöglich. Der EM-Titel war ein Riesenerfolg, der alle Griechen stolz gemacht hat. So etwas wird wohl nie wieder passieren. Wie haben Sie den EM-Sieg erlebt? Wir haben das Finale zu Hause gesehen, hatten 35 Freunde und Nachbarn eingeladen. Als das 1:0 fiel, waren alle aus dem Häuschen. Später waren wir mit dem Auto in Mannheim am Wasserturm, da haben sogar die Türken mit uns gefeiert. In der Maxstraße war das griechische Lokal „Mellon“ in den Farben blau und weiß gestrichen, es gab 2004 Souvlaki-Spieße gratis. Waren Sie dort? (lacht) Und ob. Die Spieße waren köstlich und die Euphorie riesig, einfach unvorstellbar. Welche Rolle hat 2004 die Taktik gespielt? Ein Offensivfeuerwerk haben die Griechen ja nicht abgebrannt. Rehhagels Taktik war entscheidend. Der abwartende Fußball, diese kontrollierte Offensive, war nicht schön. Aber wer fragt heute noch danach? Was zählt, ist der Erfolg. Ein Schlüsselspieler war der Libero Traianos Dellas, ein hünenhafter Bulle, an dem die Angriffe abgeprallt sind. Er war der Kopf der Mannschaft, hat organisiert und aufgeräumt. Man hat ihn nicht umsonst den Koloss von Rhodos genannt. Dellas ist heute noch in aller Munde. Was hat dieses Team ausgezeichnet? Es war eine verschworene Einheit mit großem Zusammenhalt. Rehhagel hatte alle Kompetenzen und Vollmachten bekommen, was in Griechenland für einen Trainer eher ungewöhnlich ist. Die Mannschaft ist ihm bedingungslos gefolgt. Griechenland hat Portugal nicht nur im Finale, sondern schon in der Vorrunde besiegt. Hätten da nicht alle gewarnt sein müssen? Man hat dies mit Zufall abgetan, wir wurden nicht ernst genommen und bis zum Endspiel völlig unterschätzt. Ich kann Ihnen da noch eine Geschichte erzählen. Bitte, nur zu. Ein Engländer hatte damals in einem Wettbüro auf Griechenland gesetzt. Der ist heute ein gemachter Mann, weil er Ahnung vom Fußball hat. Im Viertel- und Halbfinale sowie im Endspiel gab es jeweils ein 1:0. War die Abwehrstärke entscheidend? Ja, wir wussten, ein Tor reicht, weil wir hinten dicht machen konnten und großartig gekämpft haben. Im Endspiel traf der für Bremen spielende Charisteas. Ist er ein Held? Absolut. Er war damals ein Held und ist heute noch eine unvergessene Größe. Und so wie in Deutschland jeder weiß, dass Helmut Rahn 1954 das 3:2 gegen Ungarn erzielt hat, so kennt jeder Grieche Angelos Charisteas. 2012 hat Deutschland im EM-Viertelfinale beim 4:2-Sieg lange Mühe gehabt mit Griechenland. Da hatten wir eine gute Mannschaft, die ja auch 2010 und 2014 an der WM teilgenommen hat. Die war spielstärker als die 2004er, hatte aber nicht den Glanz eines erfolgreichen Teams. Warum sind die Griechen bei der Qualifikation zur WM 2018 in den Play-Offs an Kroatien gescheitert? Wir haben drei, vier Topleute, die im Ausland spielen. Aber es fehlt die Breite, und es mangelt an guten Trainern. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen könnten besser sein. Im griechischen Fußball ist kein großes Geld zu verdienen. In der griechischen Liga herrscht Chaos. Der Vorsitzende von PAOK Saloniki betrat mit einer Waffe das Spielfeld, es drohte der Abbruch der Saison. Das schadet dem griechischen Fußball total. Viele Funktionäre sind reich und glauben, bestimmen zu können. Das war ein Skandal, der uns international viel Renommee gekostet hat. Seit 2015 trainiert mit Michael Skibbe wieder ein Deutscher das Nationalteam. Eine gute Wahl? Skibbe ist besonnen und ein guter Trainer. Aber ihm fehlen Ausstrahlung und Charisma von Rehhagel, mit dem er unwillkürlich verglichen wird. Schafft es Griechenland zur EM 2020? Ich hoffe es sehr und drücke die Daumen. Es gibt gute junge Spieler, die gefördert werden und die es zu den Topmannschaften zieht. Und dann kommt Rehhagel zurück. (lacht herzlich) Er hat es verdient, auf dem Thron, auf dem er sinnbildlich sitzt, zu bleiben. Keiner will, dass er da herabstürzt.

Der größte Triumph im griechischen Fußball: Trainer Otto Rehagel jubelt nach dem 1:0-Sieg gegen Portugal im Finale der Fußball-E
Der größte Triumph im griechischen Fußball: Trainer Otto Rehagel jubelt nach dem 1:0-Sieg gegen Portugal im Finale der Fußball-Europameisterschaft 2004 mit Spieler Traianos Dellas und dem Co-Trainer.
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