Ludwigshafen Eine sprachlose Familie

„Von glücklichen Schafen“ handeln in dem gleichnamigen Film die Gute-Nacht-Geschichten, die die Mutter ihrer Tochter vorliest. Narges Rashidi, die die Mutter spielt, und ihr Regisseur Kadir Sözen haben nun dem Cineplex in Mannheim einen Besuch abgestattet, um das Melodram vorzustellen.

Elmas (Narges Rashidi) hat neben ihrer Tochter Sevgi noch einen Sohn: Can, mit dessen 16. Geburtstag der Film beginnt. Den Vater gibt es im Leben der kleinen Familie nicht mehr. Zu ihrem eigenen Vater (Vedat Erincin) hat Elmas kaum Kontakt. Er schenkt seinem Enkel ein Spielzeugauto zum Geburtstag, die Mutter eine Gitarre, und sein Schulfreund eine Premiere im Bordell. Und damit fangen die Probleme an. Die Prostituierte, zu der er aufs Zimmer geht, ist nämlich seine Mutter. „Das ist gar nicht so ungewöhnlich“, meinte der Autor und Regisseur Kadir Sözen in Mannheim. „Die Öffentlichkeit erfährt das natürlich nicht, aber es gibt sehr viele Prostituierte, die in zwei Welten leben und ihre Prostitution vor Freunden, Bekannten und auch vor der Familie verbergen.“ Im Film reagiert Can hilflos und aggressiv. Für ihn bricht eine Welt zusammen. „Du hast mir meine Mutter genommen“, wirft er Elmas vor. Ihre Entgegnung: „Aber ich bin doch hier, schau mich an!“ will er nicht hören, genauso wenig ihre verteidigenden Worte: „Ich hab’ das doch nur für uns gemacht“. In der Folge ist Elmas genauso am Boden zerstört wie ihr Sohn. In der ersten Verzweiflung klammert sie sich an die Tochter Sevgi. Doch Can greift sich kurzerhand die kleine Schwester und flieht mit ihr zum Opa. Elmas, die in der Vergangenheit ausschließlich für ihre Kinder gelebt hat, steht alleine da. „Sie ist eine sehr liebende Mutter, die alles für ihre Kinder tut“, umreißt die Darstellerin Elmas′ Charakter. „Sie hat sich selber aufgegeben. Als ihr Geheimnis aufgedeckt wird, fällt sie in ein sehr großes schwarzes Loch und muss sich die Liebe ihrer Kinder wieder zurückgewinnen.“ Es sei die anspruchsvollste Rolle, die sie bislang gespielt habe, urteilt die 35-jährige Rashidi, die im Iran geboren und in Bad Hersfeld aufgewachsen ist. „Ich glaube, für jeden Schauspieler wäre diese Rolle eine Herausforderung gewesen“, erklärt sie. Der Film sowie Regisseur Kadir Sözen hätten von ihr verlangt, sich körperlich und seelisch zu entblößen. „Das hat mich sehr gefordert, aber im positiven Sinn“, sagt sie. Zuvor hat man die Schauspielerin, die mittlerweile überwiegend in Los Angeles lebt, unter anderem in dem Hamburger Krimi „Nachtschicht: Geld regiert die Welt“, in dem Kinofilm „Dating Lancelot“, in der Arztserie „Auf Herz und Nieren“ und in internationalen Produktionen wie „Æon Flux“ und „Speed Racer“ gesehen. Für die Elmas sei sie eigentlich zu schlank und zu gut gebaut gewesen, bemerkt der Autor, Produzent und Regisseur Kadir Sözen („Gott ist tot“), der 1964 in Ludwigshafens türkischer Partnerstadt Gaziantep geboren wurde. „Ich habe dann ganz schnell irgendwie fünf, sechs Kilo draufgehauen“, berichtet Rashidi, „und dann hat er mir immer noch zwei Kleidergrößen größer angezogen, damit ich ein bisschen mütterlicher und glaubwürdiger aussehe.“ Der Herkunft der Schauspieler habe er wenig Bedeutung beigemessen, ebenso der Herkunft von Elmas′ Familie, sagt der Regisseur. In seinen Augen geht es in „Von glücklichen Schafen“ in erster Linie um Sprachlosigkeit. „Die Kommunikation in dieser Familie findet nicht über Worte statt, sondern auf eine andere Art und Weise, vor allem über die Gefühle. Das war für mich das eigentlich Reizvolle an der Geschichte.“

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