Ludwigshafen Freiheit bedeutet Verantwortung

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Süd. Meinungs- und Religionsfreiheit haben am Montag im Amtsgericht Ludwigshafen im Mittelpunkt gestanden. Zur Feier der Deklaration der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 verabschiedet wurde, trafen sich Mitarbeiter des Amtsgerichts, der Arbeitskreis Ludwigshafen setzt Stolpersteine, Vertreter der Freireligiösen Landesgemeinde Pfalz und Schüler des Heinrich-Böll-Gymnasiums.

Auf dem Flur im ersten Stock kleben die Artikel eins bis 30 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte am Geländer. Bei der Eröffnung der zwölften Feier des Tags der Menschenrechte sagt Ansgar Schreiner, Direktor des Amtsgerichtes: „Wir haben immer viel Zuspruch, doch heute sind besonders viele hier. Ich freue mich vor allem, dass junge Leute sich mit diesem wichtigen Thema auseinandersetzen.“ Mit den jungen Leuten ist der Grundkurs Darstellendes Spiel der zwölften Klasse des Heinrich-Böll-Gymnasiums gemeint. Lea Schön, Lehrerin für Deutsch, Geschichte und Darstellendes Spiel, hat mit ihren Schülern ein dokumentarisches Theater entwickelt und einstudiert. Bei der Verlegung des Stolpersteins für Karolina und Paul Liebel, Opfer der Nationalsozialisten, wurde es im März uraufgeführt. An jenem Tag war – wie auch am Montag – der Sohn des Paars anwesend. Der Leistungskurs Geschichte hatte die Dokumente zu Liebels Schicksal zuvor im Stadtarchiv recherchiert. Die szenische Umsetzung erfolgt in Fragmenten. Unter den Augen von Schulleiter Klaus Hartmann lesen die 15 Schüler den Originaltext von Richtersprüchen, Polizeiberichten und biografischen Dokumenten vor. Mit gelben Schildern, die die Aufschrift „BASF“ ziert, stehen sie um den Darsteller von Paul Liebel herum, der ein Plakat mit der Aufschrift „Für mehr Arbeiterrechte“ trägt. Manche stimmen ihm zu. Dann tritt eine Schülerin mit dem Schild „Chef“ vor. Alles wird ruhig, nur Liebel lässt sich nicht den Mund verbieten. So inszenieren sie seine Entlassung nach dem Streik zur Beibehaltung des Acht-Stunden-Tags, die Schutzhaft, Überführung ins Konzentrationslager Dachau, probeweise Freilassung mit Auflagen und schließlich den Vorfall bei einem Fußballspiel, bei dem Liebel den Hitlergruß verweigerte. Vom Parteiwechsel bis zum Tod werden Stationen verlesen und nachgestellt. Als alle Darsteller am Ende im Halbkreis stehen und eine Kerze anzünden, herrscht Stille. Niemand klatscht. Ganz langsam befreien sich die Zuschauer aus dem Bann der Geschichte und applaudieren. Die Schüler sind erst etwas verunsichert, freuen sich dann aber über die Wirkung ihres Spiels. Eine Präsentation über die Stolpersteinverlegung zeigt auch die Lebensläufe von Heinrich Michel und Friedrich Wilhelm Wagner. „An der Umsetzung der Menschenrechte scheitern viele noch heute“, erzählt Renate Bauer, Landessprecherin der Freireligiösen Gemeinde. Sie hält einen Vortrag über die Religions- und Meinungsfreiheit und erinnert an Zeiten, in denen die Untertanen die Religion des regierenden Fürsten annehmen mussten. „Lange war Religionsfreiheit nur Wunschdenken, auch die Freireligiöse Gemeinde hat das zu spüren bekommen und wurde mehrfach verboten.“ Die Gemeinde feiert nun ihr 125. Jubiläum. Mit dem Recht auf Religionsfreiheit sollte jeder verantwortungsvoll umgehen, sagt Bauer. „Es gibt einen Unterschied zwischen der Meinung, die ich jemandem ins Gesicht sage, und der, die ich im Internet anonym einer großen Öffentlichkeit preisgebe“, mahnt sie die Anwesenden zum bewussten Umgang mit der eigenen Meinung. |mja

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