Ludwigshafen Grunge muss nicht immer düster sein

Florian Wehse, Frontmann von Jazz Against The Machine, in der Halle der Alten Feuerwache.
Florian Wehse, Frontmann von Jazz Against The Machine, in der Halle der Alten Feuerwache.

Grunge ist tot – es lebe der Jazz. Die Musiker der Mannheimer Band Jazz Against The Machine haben es sich zur Aufgabe gemacht, bekannte und weniger bekannte Nummern aus ihrer Jugend mit ausgeklügelten Jazzversionen zu ehren. Bei Youtube werden sie tausendfach geklickt. Und bei ihrem Auftritt in der Reihe Sommerbühne war das Publikum in der Alten Feuerwache begeistert.

Die sommerlich leichten, beschwingten Versionen von Songs, die ursprünglich das genaue Gegenteil verbreiteten, nämlich Düsternis und Schwere – sie hätten gut ins Freie gepasst, auf den Platz vor der Feuerwache, wo schon Menschen auf Steinen saßen, weil keine Stühle mehr frei waren. Heftige Regenschauer hatten dafür gesorgt, dass das Konzert ins Innere verlegt werden musste. Und zwar nicht, wie ursprünglich angekündigt, ins Café, sondern wegen des großen Interesses gleich in die große Halle. Es hat sich eben herumgesprochen, dass Jazz Against The Machine etwas ganz Einzigartiges machen. Wie schon ihr Name andeutet, ehren sie die Musiker, die einst die großen Indie-Hits der Neunziger geliefert haben. Pearl Jam und Soundgarden, Rage Against The Machine natürlich, Tito & Tarantula, Radiohead und zuallererst Nirvana – das sind ein paar der Bands, die in Seattle und in anderen Orten diese spezielle Mixtur aus Rock, Punk und Metal geschaffen haben, die „Grunge“ genannt wird. Jazz Against The Machine haben ihre Songs vermutlich ziemlich oft ehrfürchtig angehört und einmal durch den Fleischwolf gedreht, und dann präsentieren sie ihrem Publikum völlig eigene Versionen. Vom Original bleibt da nicht immer viel übrig. Ein entscheidender Unterschied zu den Originalstücken ist schon einmal, dass den Jazz-Nummern der Gesang fehlt. Wo die Originale sich oft durch eine charakteristische Stimme auszeichnen – die von Kurt Cobain (Nirvana), Eddie Vedder (Pearl Jam) oder die des Solo-Sängers Beck –, da sind die Mannheimer Versionen geprägt vom Trompetenspiel des Frontmanns Florian Wehse. Aus „Refuse/Resist“ von Sepultura, einer ursprünglich harten Metal-Nummer, wurde ein beschwingtes Stück, dem Philipp Rehm am Bass einen Samba-Groove verpasste und so an die brasilianische Herkunft der Band erinnerte. Jeder der vier Musiker durfte sich mal für ein kurzes oder längeres Solo in den Mittelpunkt stellen, und jeder ist ein ausgewiesener Fachmann auf seinem Instrument. Philipp Rehm ist in der Region als Flames-Bassist bekannt, Vibraphonist Claus Kiesselbach, der an der Musikhochschule lehrt, als Jazzmusiker sehr gefragt. Am Schlagzeug war beim Sommerbühnen-Konzert Florian Schlechtriemen für Philipp Rittmannsperger eingesprungen. Das Quartett zeigte, dass in den Grunge-Songs der 90er-Jahre mehr steckt als traurige Melancholie (wie in „Come As You Are“ von Nirvana) oder surreale Träume von einer besseren Welt („Black Hole Sun“ von Soundgarden). Die inhaltliche Botschaft tritt bei Jazz Against The Machine in den Hintergrund, Melodie und Sound treten hervor. Was im Original ein schnelles Drei-Minuten-Stück ist, zog die Band auf gefühlt die dreifache Länge, kostete jeden Ton aus, improvisierte und drehte noch einmal eine Schleife, um erstaunlicherweise irgendwann doch wieder zum Ausgangspunkt zurückzukommen. Und das Publikum tanzte. Bis zum letzten Ton von „Plush“, sehr frei nach den Stone Temple Pilots.

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