Ludwigshafen Heyme – Goethe – Götz

„Man muss in Stücke hineinstreichen statt hinausstreichen“: Hansgünther Heyme.
»Man muss in Stücke hineinstreichen statt hinausstreichen«: Hansgünther Heyme.

Seitdem Hansgünther Heyme vor vier Jahren widerwillig seine Intendanz am Ludwigshafener Theater im Pfalzbau aufgeben musste, arbeitet der 82-jährige leidenschaftliche Theatermacher als freier Regisseur. Demnächst inszeniert er Goethes „Götz von Berlichingen“ bei den Burgfestspielen auf der Götzenburg. Über seine Inszenierung hat er vor der Goethe-Gesellschaft in Mannheim Rede und Antwort gestanden.

Vor der Kulisse der Götzenburg in Jagsthausen, der Heimat des edlen Ritters, wird seit 1949 Jahr für Jahr Goethes „Götz von Berlichingen“ aufgeführt. Hansgünther Heyme erinnert sich, wie er 1956 von Heidelberg mit dem Motorroller zu den Burgfestspielen im Landkreis Heilbronn gefahren ist, um Walter Richter – älteren Fernsehzuschauern bekannt als „Tatort“-Kommissar Paul Trimmel – in der Hauptrolle zu erleben. Oder war es doch 1958 oder 1959? Auf jeden Fall ist es lange her, und seitdem haben unter anderen schon Jochen Striebeck, Raimund Harmsdorf, Thomas Thieme und Walter Plathe die Hauptrolle übernommen. Hansgünther Heyme kennt selbstverständlich nicht alle Vorgänger-Inszenierungen bei den Festspielen, die seinerzeit sogar schon einmal unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Roman Herzog standen. Aber er erinnert sich noch gut, wie er 1966 mit Walter Richter den Fernsehfilm „Volpone“ nach Ben Jonson gedreht hat. Heyme, früher Intendant in Köln und Bremen, Schauspieldirektor in Stuttgart und künstlerischer Leiter der Ruhrfestspiele in Recklinghausen, ist im Theater- und Fernsehbetrieb mit Gott und der Welt bekannt. Auch in seinem Vortrag vor der Goethe-Gesellschaft schöpfte der erfahrene Theatermann aus einem reichen Anekdotenschatz. Den „Urgötz“, Goethes erste Fassung des Stoffes, die der 22-jährige Jungdichter 1771 anhand einer erst 40 Jahre zuvor erschienenen „Lebens-Beschreibung“ des Ritters mit der eisernen Hand und mit viel Shakespeare-Begeisterung niederschrieb, hat Heyme 1990 in Recklinghausen gegeben, als er die Ruhrfestspiele übernahm. In seiner Fassung des ungebärdigen Sturm-und-Drang-Dramas über den Freiheitshelden aus dem 16. Jahrhundert konnte er damals auch noch sein Pferd unterbringen. Nun, fast 30 Jahre später in Jagsthausen, wird er auf Pferde verzichten. Die Titelrolle spielt Tim Grobe vom Hamburger Schauspielhaus. Bis vor einem Monat, als die Proben begonnen haben, kannte Heyme ihn ebenso wenig wie die anderen Schauspieler. Die zweite Fassung des Schauspiels, die nunmehr die Vorlage bildet und die Goethe nach einer vernichtenden Kritik seines Jugendfreundes Herder zwei Jahre nach der ersten erstellt hat, ist zahmer und straffer. Sie sieht aber immer noch ein enormes Darstelleraufgebot vor. 14 Schauspieler allein auf der Bühne, zusätzlich 20 Laien muss Heyme dirigieren. Um einen raschen Wechsel der Darsteller zu ermöglichen, hat der Regisseur eine „Shakespeare-Bühne“ entworfen, wie er sie nennt. Die vier mal acht Meter große Bühne („Ganz toll!“) wird im Schlosshof von Jagsthausen vor der historischen Burgfassade aufgestellt. Sein Vorhaben sei bei der Festspielleitung zunächst auf „Riesenwiderspruch“ gestoßen, erzählte Heyme, weil das Schloss nicht genügend zur Geltung käme. Doch der Spielleiter hat sich durchgesetzt, denn länger als eine Stunde 50 Minuten darf die Inszenierung nicht dauern. Da drängt die Zeit, ständig wechseln die Darsteller, und weil viele Schauspieler gleich mehrere Rollen spielen, müssen sie sich häufig umziehen. Heymes „Shakespeare-Bühne“ bedeutet Zeitersparnis. Auch seine Kostümentwürfe wurden anfangs skeptisch aufgenommen. Erst als er sorgfältig Werkzeichnungen für die Schneiderinnen angefertigt habe, sei er mit seinen Vorstellungen durchgedrungen, erzählte der Regisseur, Kostüm- und Bühnenbildner in Personalunion. Uniformen und antikisierende Masken herrschen vor, „Rüstungen und nicht Allongeperücken“, verspricht Heyme. Seinen Götz hüllt der Regisseur in einen australischen Reitermantel, der den Schauspieler gegebenenfalls auf der Freilichtbühne vor Wind und Regen schützen, aber bei jedem Wetter „eine ungeheure Bühnenwirkung“ entfalten wird, schwärmt Heyme vorab. Wenn die Rede auf seine Interpretation des Dramas kommt, sagt der Regisseur, er sehe im „Götz“ vor allem eine Utopie, eine Freiheitsutopie, die allerdings erst später in Goethes „Egmont“ voll ausgereift zum Tragen gekommen sei. Auf keinen Fall aber, so Heyme abschätzig über aktualisierende Inszenierungen mit der Brechstange, auf keinen Fall werde er Trump, Putin, Merkel auf die Bühne bringen. Stattdessen will er Gustaf Gründgens’ Rat beherzigen: „Man muss in Stücke hineinstreichen statt hinausstreichen.“ Die Anweisung des großen Regisseurs will er aber allein auf Goethes Sprache bezogen wissen. Eine „subtile Behandlung der Sprache“ sei ohnehin das Wesentliche, was Theater im Verhältnis zur Gesellschaft heute zu sagen habe, spricht er seine tiefe Überzeugung aus. So trete das Theater der „medialen Verblödung, die um sich greift“, entgegen. So leiste das Theater einen Beitrag, damit das Publikum „Wahrheiten von Propaganda zu unterscheiden“ lerne. Mit der sprachlichen Bearbeitung des „Götz“ hat Heyme sich viel vorgenommen. Goethes Sturm-und-Drang-Drama ist nämlich ein Potpourri aus altem Luther-Deutsch und der zur Zeit Goethes gebräuchlichen Umgangssprache, die französische Fremdwörter nicht scheute. Aber den derben Satz, mit dem Götz von Berlichingen sprichwörtlich geworden ist, den versteht immer noch jeder. Termin Premiere am Samstag, 23. Juni, um 20.30 Uhr. Karten unter Tel. 07943/912345. Weitere Informationen im Internet unter www.burgfestspiele-jagsthausen.de

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