Ludwigshafen „Löwe und Maus“ und andere Geschichten

Es gab eine Unterschriftensammlung empörter Eltern, und es gab sogar Kinder, die Protestplakate in die Höhe reckten. Es gab die Befürchtung, der neue Intendant am Theater im Pfalzbau werde das Kinder- und Jugendtheater abschaffen. Solche Ängste hat Tilman Gersch gestern genommen. Er kündigte im Gegenteil eine Ausweitung der Kinder- und Jugendarbeit an und stellte die neuen Projektleiter vor.

Vom Jugendclub kritisches Theater mit den Regisseuren Mathias Wendel und Rainer Escher, vom Jungen Spieltheater (JUST), verschiedenen Workshops und der Medienschule mit Éva Adorján bleibt nur die Medienschule erhalten. Éva Adorján, die Frau des scheidenden Intendanten Hansgünther Heyme, wird diese Gruppe, die sich kritisch mit Medien auseinandersetzt, auch unter dem neuen Intendanten weiterführen. Alles andere wird anders. Es wird einen Schreib- und Theaterworkshop mit der Autorin und Regisseurin Luise Rist für Menschen mit Fluchterfahrung geben. Es wird einen Kinderclub ab acht und einen Jugendclub ab 13 Jahren geben, eine Gruppe für Kinder ab dem ersten Lebensjahr und eine ab drei Jahren, ein Theaterprojekt in deutscher und türkischer Sprache, eine Inklusionsgruppe, in der Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen zusammen ein Stück einstudieren, und eine Musical-Gruppe. Der neue Intendant selbst wird mit Jugendlichen ab 13 Jahren ein Stück nach Sophokles’ Tragödie „Ajax“ einstudieren. Die Jugendlichen werden sich dabei mit Fragen des männlichen Selbstwerts, mit Begriffen wie Ehre, Macht und Unterwerfung auseinandersetzen. Ursprünglich war eine Zusammenarbeit mit dem Ludwigshafener Haus des Jugendrechts vorgesehen. Tilman Gersch wollte eine Bühnenfassung mit Jugendlichen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, erarbeiten und im Herbst nächsten Jahres vorstellen. Dieser Plan hat sich zerschlagen. Jetzt können sich Schüler der Klassenstufen neun bis zwölf um eine Teilnahme an dem Kurs bewerben. „Es hat nie einen Zweifel daran gegeben, dass die Kinder- und Jugendarbeit am Theater im Pfalzbau fortgeführt wird“, betonte Kulturdezernentin Cornelia Reifenberg. Es sei schon nach dem Vorstellungsgespräch mit Tilman Gersch klar gewesen, dass er möglichst frühzeitig schon Kinder an das Theater heranführen möchte. Es bleibe einem neuen Intendanten aber unbenommen, neue Akzente zu setzen. Gersch reagiere mit seiner Neustrukturierung auch auf die vielen Migrantenkinder in der Stadt. Leiterin der Gruppe Junger Pfalzbau wird mit der Dramaturgin Carolin Grein zusammen Friederike Hartung. Die aus dem Odenwald stammende Theaterpädagogin war unter anderem 2011 im Mannheimer Schnawwl tätig. Sie wird in einem Kurs für Acht- bis Zwölfjährige ein detektivisches Stück entwickeln und im Jugendclub mit Teilnehmern ab 13 Jahren ein Stück zum Thema Jugendgewalt erarbeiten. Die Pfalzbau-Flöhe (ab einem Jahr) wird die Opernregisseurin Nelly Danker, die erst kürzlich für ihre Inszenierung von Mozarts „Zauberflöte“ mit einem Preis ausgezeichnet wurde, anleiten, ebenso die Pfalzbau-Füchse (ab drei Jahren). Vorlage sind einmal Wimmelbücher zu den vier Jahreszeiten, zum anderen das Bilderbuch „Der Grüffelo“. Die Choreographin Iris Limbarth wird mit Jugendlichen ab 15 Jahren und jungen Erwachsenen bis 28 Jahren ein Musical einstudieren. Die türkischstämmige Berlinerin Gülhan Akin, Hansgünther Heymes Regieassistentin bei dessen „Gilgamesch“-Produktion, wird das deutsch-türkische Genç Tiyatrom („Mein junges Theater“) leiten und mit Kindern ab sechs Jahren ein Stück nach der altägyptischen Fabel „Der Löwe und die Maus“ entwickeln. Jan-Erik Werbelow schließlich, mit Theatererfahrung am Theater an der Weinstraße in Bad Dürkheim, am Schnawwl in Mannheim und am Theater im Pfalzbau, bietet einen Inklusionskurs an. Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen ab zehn Jahren studieren ein Stück mit Musik nach dem Buch „Ritter Rost und die Hexe Verstexe“ ein.

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