Ludwigshafen Ludwigshafener Grüne: „Das Tischtuch ist zerschnitten“

Im Redaktions-Gespräch mit Steffen Gierescher: Monika Kleinschnitger und Hans-Uwe Daumann.
Im Redaktions-Gespräch mit Steffen Gierescher: Monika Kleinschnitger und Hans-Uwe Daumann.

Meinung am Montag: Die Grünen sind sich nicht grün – und stellen zwei Fraktionen im Stadtrat, der sich heute konstituiert. Das Quintett „Grüne Ludwigshafen und Piraten“ führen Raik Dreher und Nesrin Akpinar an, das Sextett „Die Grünen im Rat“ Monika Kleinschnitger und Hans-Uwe Daumann. Für beide ist Raik Dreher der Spaltpilz. Als Parteivorstand habe er versagt.

Raik Dreher erwartet als Voraussetzung für eine künftige Annäherung eine „bedingungslose Entschuldigung“ von Ihnen. Bekommt er die? Kleinschnitger:

Von mir nicht. Daumann: Ich sehe keinen Anlass. Dreher sagte im RHEINPFALZ-Interview, Sie beide hätten ihm und Nesrin Akpinar am 11. Juni bei der konstituierenden Fraktionssitzung ohne Vorwarnung den Stuhl vor die Tür gesetzt. Er spricht von einer beispiellosen Herabwürdigung. War es so? Kleinschnitger: Ich habe zu Beginn eine persönliche Erklärung abgegeben, in der das Thema Vertrauensbruch klar formuliert war. Für mich gibt es keine Schnittmengen mehr für grüne Politik mit Herrn Dreher. Dreher sagte, er hätte mit Ihnen vorab telefoniert und sei von seiner Ausbootung völlig überrascht gewesen. Kleinschnitger: Das war ein kurzes Telefonat in der Woche davor, ohne inhaltlichen Bezug. Bis auf Drehers Ankündigung, er hätte den Piraten Heinz Zell zur Sitzung eingeladen. Was hat das Verhältnis zu Dreher dermaßen zerrüttet? Daumann: Es gibt eine lange Reihe von Vertrauensbrüchen und viele Situationen in Sitzungen oder Versammlungen, in denen es Herr Dreher mit der Wahrheit nicht so ganz genau genommen hat. Das hat innerhalb unseres Sextetts den starken Eindruck hinterlassen, dass es keinen Sinn ergibt, mit ihm zusammen Politik zu machen. Das Tischtuch ist zerschnitten. Und die Schere hält Herr Dreher in der Hand. Noch vor der Kommunalwahl haben Sie beide wie auch Dreher betont, eine Spaltung sei ausgeschlossen. Warum kam es dennoch zum Bruch? Kleinschnitger: Dreh- und Angelpunkt der Veränderung war die Listenaufstellung für den Stadtrat am 9. Februar. Dass ich mich auf Platz 1 durchgesetzt habe, war überraschend. Danach war für mich klar, konsensorientiert zu arbeiten, weil ich vom Typ her so bin und auch Politik so verstehe. Unser Wahlkampf war sehr erfolgreich. Als dann klar war, dass ich und Herr Daumann als Kandidaten mit den meisten Personenstimmen die Doppelspitze der Fraktion bilden, hat sich der Konflikt mit dem Dreher-Lager verschärft. Dreher bildet mit Petra Mazreku die grüne Vorstandsspitze. Sie sagen, beide haben der Partei geschadet. Was werfen Sie ihnen konkret vor? Daumann: Zum Beispiel hat das Vorstandsduo Dreher/Mazreku die Liste der Piratenpartei wesentlich gestaltet. Sie haben den Piraten die Hälfte der Bewerber geliefert. Wie bitte? Daumann: Da sind grüne Mitglieder auf der Piratenliste gelandet. Beide haben dieses Vorgehen vor ihrer Partei geheim gehalten. Der absurde Höhepunkt war die jüngste Mitgliederversammlung, bei der Herr Dreher seine eigene Schwägerin – grünes Mitglied, aber auch Piratenkandidatin – nicht erkennen wollte und sie zunächst als flüchtige Bekannte bezeichnete. Er musste sich erst sehr stark erinnern … Kleinschnitger: Man muss sich das einmal vorstellen: Grünen-Mitglieder tauchen auf einer konkurrierenden Liste auf, der grüne Vorstand hat das ermöglicht, und in der Folge schafft es mit Heinz Zell ein Pirat in den Stadtrat. Das heißt im Umkehrschluss, dass den Grünen ein Sitz verloren gegangen ist. Das zeigt, in welchen strategischen Untiefen sich der grüne Vorstand verirrt hat. Vor der Wahl war das wirklich nicht absehbar? Daumann: Nein. Davon sind wir völlig überrascht worden. In der letzten Mitgliederversammlung wurde das heftig kritisiert. Herr Dreher und Frau Mazreku hat das aber nicht daran gehindert, auf dem Parteitag der Piraten am 16. Juni mit auszuhandeln, wie die Zusammenarbeit mit der Grünen-Fraktion aussieht. Das sind einfach Grenzüberschreitungen, die man weder akzeptieren noch tolerieren kann. Nur noch mal zum Verständnis: Dreher und Mazreku haben hinter Ihrem Rücken mit den Piraten gekungelt? Daumann: Sowohl vor als auch nach der Missbilligung dieser Vorgehensweise durch die Mitglieder. Ihre Anhänger haben in Unkenntnis davon dennoch eine Partei und nicht zwei Fraktionen gewählt. Mit der Grünen-Spaltung wird die AfD mit acht Sitzen drittstärkste Kraft im Stadtrat. Die Außenwirkung ist fatal. Kleinschnitger: Was die AfD-Zugewinne angeht, sind mehrere im Boot. SPD und CDU haben jeweils fünf Sitze verloren. Das ist kein grünes, sondern ein demokratisches Problem. Mir ist es jetzt auch zu banal, die Motivlage von Herrn Dreher zu eruieren und mich mit seinem Psychogramm zu beschäftigen. Für die Gesamtpartei ist es in höchstem Maße erschreckend, zu welchen Mitteln er gegriffen hat und was das für das grüne Image bedeutet. Ich sehe unsere Fraktion als diejenige an, die vom Wähler den Auftrag erhalten hat, grüne Politik zu gestalten. Genau das haben wir jetzt vor. Dreher will den grünen „Kuschelkurs der letzten zehn Jahre“ beenden. Waren Sie zu brav in der Opposition? Daumann: Es ist selten in sich schlüssig, was Herr Dreher medial verbreitet. So hat er etwa klare Parteibeschlüsse ignoriert, wie beim Thema Öffnung der Bismarckstraße. Da vertritt die Partei den konsequenten Oppositionskurs, dass das eine Fußgängerzone bleiben muss. Und Herr Dreher kündigt dann über die Zeitung an, dass er sich daran nicht gebunden fühlt. Hätten Sie Ihren Parteisprecher nicht früher einnorden müssen? Kleinschnitger: Dass es Dreher im Februar nicht gelungen ist, die Liste nach seinen Wünschen aufzustellen, hat bei ihm neue Kräfte freigesetzt, um eine Spaltung voranzutreiben. Wir haben ernsthaft versucht, in einem Mediationsverfahren eine gemischte Liste hinzubekommen. Daran hatte Dreher kein Interesse. Er wollte sein Team durchboxen. Aber das funktionierte nicht. Und zum Stichwort Kuschelkurs: Herr Dreher ist bei uns schon zehn Jahre in Verantwortung und hat diesen Kurs jenseits persönlicher Eskapaden mitgetragen. Jetzt einen anderen Stil einzufordern, ist doch absurd. Ich muss mich jedenfalls nicht verstecken mit meinem Wahlergebnis. Dreher ist um drei Positionen zurückgewählt worden. Welcher Fraktion wird die Mitgliederversammlung am Dienstagabend ihr Mandat erteilen? Kleinschnitger: Wir verstehen uns als die Stimme der Grünen im Rat, insofern kann man uns kein Mandat entziehen. Priorität hat sowieso die Wahl des neuen Vorstands. Daumann: Wir kennen eine Reihe von Leuten, die Brücken bauen und Akzente setzen können, um die Partei wieder teamfähig zu machen. Schließen Sie es derzeit aus, wieder zu einer Fraktion zu fusionieren? Kleinschnitger: Nein. Das Angebot von uns an Kathrin Lamm und Jens Brückner steht. Nesrin Akpinar müsste sich erst wieder den Rückhalt in der Partei holen. Dann werden wir keine Tür zuschlagen. Aber für Raik Dreher ist die Tür zu? Kleinschnitger: Meine Tür ist zu. Daumann: Das Fass ist irgendwann übergelaufen. Wohl auch wegen der Plakat-Affäre. Gegen Sie, Herr Daumann, und eine Parteikollegin wird wegen Diebstahlverdachts ermittelt. Kleinschnitger: Die Beschlüsse, nicht mit Kopfplakaten zu werben, kannte jeder. Sie waren eindeutig. Diese anders zu interpretieren, wie Herr Dreher und Frau Akpinar das getan haben, ist unlauter. Der Vorstand hat weder das Votum der Wahlkampfkommission noch der Mitglieder umgesetzt. Das betrifft ganz konkret Herrn Dreher und Frau Mazreku. Sie haben sich geweigert und damit als Vorstand versagt. Welche Fehler haben Sie gemacht? Daumann: Die Beschuldigung gegen mich wegen Plakatdiebstahls und die Spaltung der Fraktion haben weit über die Stadt hinaus Wellen geschlagen. Bisher sind wir nicht mit Kritik in die Öffentlichkeit gegangen, um genau das zu vermeiden und um Schaden von den Grünen insgesamt abzuhalten. Der ist inzwischen groß. Das tut uns leid, aber wir können nichts dafür. Wie gehen Sie persönlich mit dem Vorwurf des Plakatdiebstahls um? Daumann: Das ist der Höhepunkt eines Mobbingvorgangs, der nach der Wahl mit etwas Verzweiflung und viel Dummheit in Gang gesetzt wurde. Für mich ist das eine Rufschädigung, die niemand wieder gutmachen kann. Wer das inszeniert hat, kann nicht ermessen, welchen Schaden er den Grünen zugefügt hat.

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