Ludwigshafen Musik, die Herz und Verstand anspricht

Seit 20 Jahren spielt und konzertiert in unveränderter Besetzung das von Jacques Mayencourt gegründete Ensemble Huberman erfolgreich im In- und Ausland zusammen. Neben dem Solobratschisten der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz Jacques Mayencourt gehören zur Stammformation Erika Kilcher (Klavier), Eckhard Fischer (Violine), beide Professoren an der Detmolder Musikhochschule, und Mario de Secondi (Cello), Hochschulprofessor in Trossingen.

Als Basis ihrer künstlerischen Arbeit, nennt Mayencourt das kammermusikalische Miteinander „vier unzertrennlicher, sogar mehr als unzertrennlicher Freunde. Die Geschichte unseres Ensembles ist auch die einer großen musikalischen Freundschaft.“ Diese Klavierquartett-Formation (die eingeschworene Gemeinschaft der „Unzertrennlichen“) wird regelmäßig erweitert durch einen Vorrat von Mitspielern, um ein möglichst weit gefächertes Repertoire abzudecken. In seinen variablen Besetzungen wartet das Ensemble Huberman mit einem Werkangebot aus unterschiedlichen Epochen und Stilrichtungen auf, von der Kunst der Fuge bis zu Arvo Pärt. Die Initialzündung zur Gründung gab 1989 ein Konzert zum Andenken des prominenten französischen Cellisten André Navarra an der Detmolder Musikhochschule. Dort war Mayencourt zuvor Student und Assistent des legendären ungarischen Violinisten Tibor Varga gewesen, mit dem er später auch beim Festival von Sion in der französischen Schweiz zusammenarbeitete. Dem Musikfest in seiner Heimatregion ist der Bratschist übrigens bis heute verbunden geblieben. Auf das Konzert in Detmold folgte dann bald eine Einladung in den Libanon; damit, so Mayencourt, sei das Ensemble zementiert worden. „Unser Engagement gilt der Pflege des großen Standardrepertoires, gepaart mit der Freude an Entdeckungen“, erklärt der Bratschist. „In Vergessenheit geratene wertvolle Musik erneut zur Diskussion zu stellen, ist eines unserer Hauptanliegen.“ Dazu gehören unter anderen Arbeiten der französischen Komponistin Louise Farrenc (1804-75) und des in Mannheim geborenen und in Berlin wirkenden, nach der nationalsozialistischen Machtübernahme nach Amerika geflüchteten Robert Kahn, dessen Klavierquartette das Ensemble Huberman in Israel und in Mannheim zyklisch aufgeführt hat. Sein a-Moll-Quartett spielte es übrigens im vergangenen Herbst auch in Schifferstadt im Club Ebene eins, mit dem die vier Musiker in freundschaftlichem Kontakt stehen. Oder Carl Reinecke: seinerzeit bedeutend für die Entwicklung der romantischen Musiksprache. Und reizvolle Impulse ließen sich auch bei Gordon Jacob (1895-1984), einem Vertreter der gemäßigten Moderne in England, oder bei dem zeitgenössischen libanesischen Komponisten Khuri Utaf finden. Auf hohe Wertschätzung trifft beim Ensemble Huberman andererseits Richard Strauss` heute weitgehend vernachlässigtes kammermusikalisches Frühwerk. „Wir sind überzeugte Anhänger der großen Romantik“, fährt Mayencourt fort. „Und wir begeistern uns für Werke, die Herz und Verstand ansprechen. Ist doch Musik eine Mischung aus Vernunft, Vision und Verrücktheit.“ So etwa die Schönbergs, Bergs und Weberns zweiter Wiener Schule, deren Wurzeln eigentlich bis ins 19. Jahrhundert, zu den Antipoden Brahms und Bruckner, zurückreichten. Besonders wichtig unter den Komponisten des 20. Jahrhunderts sind dem Ensemble Huberman außerdem Bartók und Schostakowitsch. Und die Musik der Gegenwart? „Komponisten, deren Musik uns etwas zu sagen hat, helfen wir immer gerne. Was beispielsweise bei dem vor elf Jahren gestorbenen Mannheimer Tonsetzer Hanno Haag der Fall war, dessen pädagogische Kompositionen wir nach wie vor reizvoll finden.“ In den Programmen des Ensembles stehen übrigens in der Regel einem Klassiker zwei weniger oder gar nicht bekannte Stücke, moderne Kompositionen oder Ausgrabungen gegenüber. Die Werkvorschläge kommen meistens von Mayencourt, der als künstlerischer Leiter der Gruppe fungiert, und werden dann kollegial besprochen. Anregungen kämen freilich auch von den anderen Stammmitgliedern. Auch bei dieser kammermusikalischen Vereinigung ist der Name Programm. Mit ihm huldigt sie dem polnisch-jüdischen Geiger Bronislaw Huberman (1882-1950), einem der wichtigsten Vertreter seines Instruments im 20. Jahrhundert. Inspiriert von seiner Vision eines vereinten Europa, wirkte der glühende Menschenfreund unerschrocken als Friedensstifter und Vorkämpfer für Völkerverständigung. 1936 gründete er aus jüdischen Musikern das Palestine Orchestra, aus dem nach der Unabhängigkeitserklärung das Israel Philharmonic wurde. Das erste Konzert am 26. Dezember 1936 in Tel Aviv leitete Arturo Toscanini. Über das Orchester verschaffte Huberman während der Nazizeit fast tausend Verfolgten Asyl.

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