Ludwigshafen Reinfall zwischen Kilometer 427 und 432

Lästert in Mannheim über Speyer: Elke Heidenreich.
Lästert in Mannheim über Speyer: Elke Heidenreich.

Exakt 552 Schritte liege der Rhein von ihrer Kölner Haustür entfernt, behauptet Elke Heidenreich. Täglich gehe sie mit ihrem Hund am Ufer spazieren, berichtet die Autorin, Literaturkritikerin und Moderatorin. Nun hat sie den Strom in seiner vollen Länge, von der Schweiz bis an die Nordsee, bereist. Aus ihrem neuen Buch „Alles fließt - Der Rhein“ las sie in der Thalia-Buchhandlung auf den Mannheimer Planken.

Auf ihrer Reise, im Frühjahr und Sommer 2017, begleitete sie der Fotograf Tom Krausz, mit dem Heidenreich bereits Bücher über Giuseppe Verdis Italien oder Dylan Thomas’ Wales gestaltet hat. „Weißt du, lass’ uns mal vor der Haustür gucken“ habe sie vor der jüngsten Fahrt gemeinsam mit ihm beschlossen. „Wir machen mal den Rhein.“ Nach Mannheim ist Krausz nun nicht mitgekommen. Heidenreich zeigte auch keine seiner Fotografien, die doch einen Gutteil des über 250 Seiten starken Buchs ausmachen, sondern konzentrierte sich ganz auf das Lesen. Wie abzusehen, erwies sich die 75-jährige ehemalige Talkmasterin und Kabarettistin dabei als geübte, unterhaltende Rednerin, die nie Wort für Wort an ihren Zeilen klebte, sondern lebendig las und frei erzählte, Akzente und Dialekte, denen sie auf ihrer Tour begegnet war, nachzuahmen verstand und wenigstens andeutungsweise sang: „Warum ist es am Rhein so schön?“ Ihr Großvater habe sich immer wieder gewünscht, dass sie ihm dieses Volkslied auf dem Kinderakkordeon vorspiele, erinnerte sich Heidenreich, die in Hessen geboren wurde und in Essen aufwuchs, bevor sie mit 15 Jahren an den Rhein, zuerst nach Bonn, kam und seit mittlerweile drei Jahrzehnten in Köln zu Hause ist. So sei ihr der Fluss vertraut: „Mein Rhein, er weiß viel von mir.“ „Wir sind am Rhein entlang gewandert, mit dem Auto gefahren, wir haben ihn von Basel bis Amsterdam per Schiff bereist, wir waren ihm auf der Spur, von seinen beiden Quellen bis zu seinen beiden Mündungen“, beschreibt sie die Strecke und die Fortbewegungsmittel 2017. „Und wir hatten einige der zahllosen Bücher im Gepäck, die über Vater Rhein schon geschrieben wurden: wann er entstand, wie er begradigt wurde, was er an Kriegen, Eroberungen, Kämpfen erlebt hat.“ Das Resultat ist ein dickes, reich bebildertes Reisebuch, das Geschichte(n) erzählt, Wissen und persönliche Eindrücke vermittelt. „Speyer ist sehr schön und sehr langweilig“, meint Heidenreich in Mannheim. Dass die Krypta im Dom die Gräber deutscher Kaiser und Könige beherbergt und der im vergangenen Jahr verstorbene Bundeskanzler Helmut Kohl umzäunt und von einer Videokamera überwacht auf dem Domkapitularischen Friedhof liegt, bringt sie auf die Idee: „Ich denke, man müsste auch mal über Witwen ein Buch schreiben.“ „Wenn man mit dem Schiff an Mannheim vorbeifährt, sieht man nur Industrie“, berichtet sie. „So grausam wie vom Rhein aus, sieht man das Chemie- und Raffinerieelend sonst nie“, schreibt Elke Heidenreich in Bezug auf Ludwigshafen. „Kein Amazonasgefühl mehr, keine Bäume, keine Schwäne, gar nichts. Von Rheinkilometer 427 bis Rheinkilometer 432 kann man die Farbe Grün, das Wort Natur vergessen.“

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