Ludwigshafen Samurai des Schlagwerks

„Schlagzeug ist für mich alles“: Für Martin Grubinger haben schon viele prominente Komponisten Stücke geschrieben.
»Schlagzeug ist für mich alles«: Für Martin Grubinger haben schon viele prominente Komponisten Stücke geschrieben.

Man muss diesen Martin Grubinger gesehen haben. Beim Musik machen. Beim Schlagzeug spielen. Zum Beispiel bei „Speaking Drums“ von Peter Eötvös. Eine gut 20 Minuten lange Komposition für Sinfonieorchester und Schlagwerk. Da steht er vor dem großen Orchester, seine Trommeln, Marimbas und Dutzende weiterer Schlaginstrumente über die ganze Bühnenbreite verteilt. Er springt zwischen den Instrumenten umher, lässt die Sticks wirbeln, schabt über Felle, klöppelt auf Glocken, schaut, schreit mit verzerrtem Gesicht, wirbelt herum, reckt die Arme, als gäbe es keine Partitur und er selbst müsse jeden Einsatz geben. Hände, Stimme, Körper, alles ist hier Aktion, ein einziger Rhythmus. Grubinger ist Frontman, Leader, obwohl es noch einen Dirigenten gibt. Aber er ist der Motor, der Motivator, der wahre Anführer, Kriegsherr auf einem Schlachtfeld aus Tönen und Rhythmen, ein wilder Samurai, dessen bubenhaftes Gesicht bei aller Anstrengung von einem unfassbaren Glück erzählt. „Schlagzeug ist für mich alles“, hat Martin Grubinger kürzlich dem Bayerischen Rundfunk in einem Interview gesagt, Der 35-Jährige stammt aus dem schönen Salzkammergut, aus dem Zweieinhalbtausend-Seelenort Neukirchen, einem Fleckchen Erde wie aus dem Tourismusprospekt. Der örtliche Musikverein begleitet dort seit 1840 die Fronleichnamsprozession, nur die Nazis konnten dies für ein paar Jahre verhindern. Musik gemacht hat Martin schon als Kind, seit er zehn ist, trommelt er. Mit 15 hat er die Schule verlassen, die Matura entgegen allseitigem Rat sausen lassen und Tag und Nacht geübt. Bis zu 14 Stunden. Dazu kam noch ein Fitnessprogramm zum Muskelaufbau. Talent und Ehrgeiz sind hier auf einen perfekten Nährboden gefallen. Vater und Mutter haben ihn unterstützt, Grubinger senior ist selbst Musiker und Schlagzeuglehrer am Mozarteum in Salzburg. Von ihm bekam der Junge den ersten Unterricht, in Linz und später in Salzburg hat er dann studiert. Schon als Jugendlicher war er bei internationalen Wettbewerben erfolgreich, als Teenager begann er, Solokonzerte zu geben. Prominente Komponisten wie Tan Dun, Friedrich Cerha, Bruno Hartl und Peter Eötvös schrieben Stücke für ihn. Dass es heute Kompositionen für Schlagzeug als Soloinstrument gibt, hat ganz entschieden mit Martin Grubinger zu tun. Heute gibt er jedes Jahr weltweit 70 bis 80 Konzerte. Er tritt mit großen Sinfonieorchestern auf, aber auch mit kleineren Ensembles und reinen Perkussionsprogrammen. Und gern lässt er sich auf Crossover-Projekte ein, spielt nicht bloß zeitgenössische Werke von Rihm, Stockhausen oder Xenakis, sondern auch Musik von Astor Piazzolla oder der Hip-Hop-Band Blumentopf. Auf seinem Debütalbum mit dem Titel „Drums ’n’ Chant“ benutzte er die gregorianischen Gesänge der Benediktinermönche von Münsterschwarzach als Ausgangsmaterial und legte darüber zwölf Tonspuren mit Perkussion, E-Bass, türkischem Gesang und der Oboe des Klassikkollegen Albrecht Mayer. Vielleicht fällt einem Schlagzeuger solch stilistische Offenheit besonders leicht. Schließlich spielt er ein Instrument, das in der klassischen Musik auf keine besondere Tradition zurückblickt, immer nur für ein paar lautstarke Effekte zuständig war. Gleichzeitig spielt die Perkussion in vielen anderen Musiktraditionen eine viel wichtigere Rolle, prägt auch die neuen westlichen Sounds von Blues, Jazz, Rock bis hin zur elektronischen Musik. „Perkussion ist ein wahnsinnig vielseitiges Instrument“, sagte Grubinger dem Musikmagazin „Music Austria“. „Ein Instrument, das mit dem 21. Jahrhundert assoziiert wird.“ Deshalb hat er auch zur zeitgenössischen E-Musik eine dezidierte Meinung: „Ich glaube, dass wir Emotionen vermitteln müssen. Besonders die jüngere Generation will auf musikalische Reisen mitgenommen werden, will Neues entdecken.“ Ein kluger Kopf ist dieser Martin Grubinger also auch noch. Und ein überaus eloquenter Entertainer. Das hat man 2010 auch beim Bayerischen Fernsehen bemerkt und lässt den lustig-lockeren Typen mit den klaren Ansichten seither im Wechsel mit Starcellistin Sol Gabetta das Musikmagazin „KlickKlack“ moderieren. Da gibt es nicht nur Einblicke in die Klassikszene, da werden auch Jazzmusiker wie der Pianist Tigran Hamasjan vorgestellt oder eine „World Super-Drummer Convention“ veranstaltet mit vier prominenten Schlagzeugern aus Funk und Rock. Angesichts solcher Offenheit anderen Musikstilen und Kulturen gegenüber ist es für den mit der türkischstämmigen Pianistin Ferzan Önder verheirateten Grubinger eine Selbstverständlichkeit, sich für Offenheit und Toleranz auch in der Gesellschaft einzusetzen. Als in Kärnten die FPÖ 2010 eine Koalition mit der rechtspopulistischen BZÖ einging, sagte er alle Auftritte in dem Bundesland ab. „Ich will in einem Land leben, das sich den humanistischen Grundprinzipien verschreibt: Multikulturalität, Chancengleichheit, Gerechtigkeit, Freiheit“, sagt Grubinger. Da ist natürlich kein Platz für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Ins BASF-Feierabendhaus kommt er nun mit einem Ensemble, dem neben dem Pianisten Per Rundberg nur Schlagzeuger angehören: Slavik Stakhov, Rainer Furthner, Leonhard Schmidinger, Alexander Georgiev und natürlich Martin Grubinger. Von diesem stammt auch eines der Stücke auf dem Programm. Die anderen haben Maki Ishii, Kalevi Aho und John Psathas komponiert. Termin Am Donnerstag, 7. März, um 20 Uhr im BASF-Feierabendhaus in Ludwigshafen.

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