Ludwigshafen Saxophonfeuer und Rap-Reime

Der Saxophonist Archie Shepp als dritte Stimme zum Rap.
Der Saxophonist Archie Shepp als dritte Stimme zum Rap.

Beim Festival Enjoy Jazz werden traditionell auch Randgebiete des Jazzsektors ausgeleuchtet. Das bringt Überraschungen und als Deutschlandpremiere die Anarchist Republic of Bzzz nach Mannheim. Bei dem von zwei Rappern dominierten Stilmix mischte auch Jazzaltmeister Archie Shepp mit.

Die große Halle der Alten Feuerwache war leer geräumt, der Bereich vor der Bühne abgeriegelt wie bei einem Rockkonzert. 1000 Leute hätten hier dicht gedrängt stehen können, jetzt warteten hier kaum mehr als 200 auf das, was da kommen mochte. Es war eher älteres Publikum, das vermutlich der Name Archie Shepp angelockt hatte, die jüngeren Hip-Hop-Fans hatte das Label Jazz dafür offensichtlich vom Besuch abgehalten. Die hatten dann am Ende was verpasst, die Jazzfreunde aber durchaus ihren Spaß. Auf jeden Fall lässt sich die Anarchist Republic of Bzzz nicht so einfach verorten. Gegründet hat das Ensemble vor sieben Jahren der französische Gitarrist Seb El Zin, ansonsten Sänger der Ethno-Punk-Band Ithak. Beim Debütalbum waren neben den Rappern Mike Ladd und Sensational auch die beiden Noise-Jazz-Gitarristen Marc Ribot und Arto Lindsay dabei, die bekanntlich für jedes avantgardistische Versuchsprogramm zu haben sind. Das Plattencover zierte ein psychodelisch verfremdeter Osama bin Laden. Der nicht minder schräge Musikmix bestand aus Art-Rock, No-Wave-Jazz, politisch aufgeladenem Hip-Hop und einem Touch folklorefreier Weltmusik. Heute hat sich das Ganze noch mehr in die Ethno-Richtung entwickelt, beim Konzert in Mannheim spielte Seb El Zin neben E-Gitarre auch die persische Rohrflöte Nay, und die beiden türkischen Perkussionisten Onur Secki und Thomas Ballarini sorgten auf Rahmen- und Bechertrommel, Elektronik-Pads und weiterem Schlagwerk für polyrhythmische Intensität. Für elektronische Effekte war die Niederländerin Nora Mulder zuständig, die ansonsten ein elektrisches Hackbrett bearbeitete. Die Französin Fanny Lasfargues spielt die vermutlich lauteste akustische Bassgitarre der Welt und hatte auch noch eine glockenhelle Singstimme zu bieten. Als zweiter Rapper neben dem als Spoken-Word-Performer bekannten Mike Ladd war Juice Aleem dabei. Und bei ein paar Stücken stieß Archie Shepp mit seinem Saxophon dazu. Der 81-Jährige ist ja diesmal Artist in Residence bei Enjoy Jazz und bei drei Konzerten zu erleben. Die erste Komplettaufführung seines legendären Albums „Fire Music“ von 1965 fand im Mannheimer Opernhaus statt, ein Duo mit dem Pianisten Jason Moran folgt am Freitag in der Alten Feuerwache. Dazwischen nun der Gastauftritt bei Sab El Zin und Kollegen, die sichtlich stolz waren, eine solche Berühmtheit dabei zu haben. Dem beim Gehen etwas wackeligen Altmeister wurde ein Stuhl auf die Bühne gestellt, und man half Saxophone zu tragen. Da saß Shepp dann wie gewohnt im tadellosen Anzug inmitten dieser wilden Truppe mit ihren gesellschaftskritischen Rap-Reimen und atonalen Gitarrenriffs und schoss seine lodernden Saxophonlinien dazwischen. Manchmal wirkten diese wie eine dritte Gesangsstimme, die sich den beiden Rappern beimischte und deren Botschaften, die zwischen politischer Agitation und esoterischem Nebel mäandern, noch einen Tick dringlicher machte. Das erinnerte an die vielstimmigen Free-Jazz-Ensembles der 1960er-Jahre, als der Rap noch nicht erfunden war, die Wut über die politischen Verhältnisse sich aber ein musikalisches Ventil suchte.

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