Über den Kirchturm hinaus Schweigen ist keine Option

Für Frieden einsetzen: Zu Krieg und Terror sollen Christen nicht schweigen, finden Georg Weber.
Für Frieden einsetzen: Zu Krieg und Terror sollen Christen nicht schweigen, finden Georg Weber.

Eine merkwürdige Erfahrung zum Thema: „Haltet euch als Kirche gefälligst aus der Politik raus!“ Ein Pfarrkollege, der bei einer „Demo gegen rechts“ erklärt, Christen hätten den Auftrag, aus Liebe zu handeln, bekommt zu hören, das dürfe er nicht sagen. Denn das hieße, dass Nichtchristen nicht aus Liebe handelten.

Putin führt mit der Zustimmung seines obersten christlichen Hirten, dem Patriarchen Kyrill I., derzeit einen Angriffskrieg gegen seine ukrainischen Nachbarn. Jetzt wird mit Recht gefordert: Zu Krieg und Terror könnt ihr als Christen doch nicht schweigen. Da müsst ihr doch Stellung beziehen.

Von Martin Luther wird der Satz überliefert: „Das Wort Gottes muss Widerstand haben.“ Gemeint ist damit, das Wort Gottes muss mich treffen, ich muss es spüren. Eine Welt, in der das Wort Gottes nicht mehr für Ärger sorgt, wäre eine traurige Welt. Und den Ärger mag es gern auch immer wieder in der Kirche erregen. Man darf erwarten, dass es bei meinem Handeln einen Unterschied macht, ob ich Christ sein will oder nicht.

Darum sind mutige Worte in dieser Welt nötig. Worte, wie die von Dietrich Bonhoeffer, der öffentlich Adolf Hitler und seine Partei als den Teufel gebrandmarkt hat, dem man nicht gehorchen dürfe.

Georg Weber
Georg Weber

Im Oktober 1945 musste die Evangelische Kirche in Deutschland erklären: „Mit großem Schmerz sagen wir: Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. Was wir in unseren Gemeinden oft bezeugt haben, das sprechen wir jetzt im Namen der ganzen Kirche aus: … wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt haben.“

Politische Stellungnahmen von Kirchen sind notwendig, als Teil unseres Auftrags, die Nachricht weiterzusagen, von einem Gott, der alle Menschen gleichermaßen liebt und glücklich sehen will.

Mit einem imperialistischen Russland zu liebäugeln, weil von dort das Gas billiger kommt, kann genauso wenig richtig sein, wie Rüstungsgeschäfte mit den Despoten dieser Welt.

Hier bei uns halte ich es als Christ für unzulässig, eine Partei zu wählen, in der Spitzenvertreter offiziell als Faschisten und Nazis bezeichnet werden können. Christen müssen widersprechen, wenn unterschieden wird zwischen deutschem Staatsvolk und einem propagierten Volkskörper, den wir von Undeutschem rein halten sollten. Christen können nicht schweigen, wenn unter dem Deckmantel von Meinungsfreiheit immer mehr Argumente gegen Menschlichkeit und Demokratie oder gar Antisemitismus salonfähig werden.

Gott behüte, dass wir demnächst aufs Neue feststellen, es wäre nötig gewesen, wir hätten mutiger bekannt.

Der Autor

Georg Weber, 63, ist Seelsorger in der BG Unfallklinik.

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