Neustadt Am Rande der Bande:

91-83682051.jpg

Schenkt man den Angaben des Schiedsrichters im Spielbericht Glauben, waren vor einer Woche lediglich elf Zuschauer Zeuge, als die Fußball-D-Junioren des FSV Mainz 05 ihr Verbandsligaspiel gegen den TSV Königsbach mit 3:0 gewannen. Etwas besser sah es im benachbarten Bruchwegstadion aus. Als um 13 Uhr auf dem Kunstrasenplatz das Juniorenspiel angepfiffen wurde, waren nebenan bereits die meisten der 2198 Besucher im Stadion, um sich auf das eine halbe Stunde später beginnende Drittligaspiel zwischen dem FSV Mainz 05 II und dem FC Hansa Rostock einzustimmen. Anfeuerungsrufe für die Nachwuchskicker wurden deshalb oft vom aus dem Stadion herüberschwappenden Lärm übertönt. Königsbachs Trainer Marco Stoll sah dies trotz der Niederlage seines Teams jedoch nicht negativ. „Die Rostocker Fans waren enorm lautstark. Es kam uns so vor, als würden sie uns anfeuern“, meinte er. Geholfen hat die Unterstützung jedoch dem FC Hansa ebenso wenig wie dem TSV-Nachwuchs: Die Gäste von der Ostsee, die 1991 letzter Meister und Pokalsieger des ehemaligen Fußballverbandes der DDR geworden waren, verloren bei der zweiten Mainzer Garnitur mit 0:4. (dil) Die Ansage kommt unmissverständlich über Funk: „Jamie, Box, Box, Box!“ Darauf biegt das orangefarbene Auto rechts von der Rennstrecke ab in die Boxengasse. Ziemlich in der Mitte warten schon 14 Männer in rot-schwarzen Overalls und silbernen Helmen auf das Fahrzeug mit der Startnummer 53, das schleichend angefahren kommt. Ein scharfes Lenkmanöver nach rechts, sofort wieder links – Jamie Green hat seinen Audi RS5 millimetergenau in der Gasse geparkt. Dann geht alles ganz schnell. Mit einem Ruck hebt sich das Fahrzeug an, dann surren Schlagschrauber. Reifen fliegen nach hinten weg. Neue Räder werden in die Radhäuser gewuchtet. Wieder surren Schlagschrauber. Und während das Auto runterfällt, schwenkt eine Tafel nach oben. Das ist das Signal für Jamie Green, dass er wieder losfahren und Gas geben kann. Etwa drei Sekunden dauert der Wechsel der vier Räder im Normalfall. So schnell würde sich jeder Autofahrer den Wechsel von Winter- auf Sommerreifen oder umgekehrt wünschen. Doch die Choreografie, die so leicht ausschaut, ist für die Mechaniker harte Arbeit. Und Stress pur. „Allein bei der Ankündigung eines Boxenstopptrainings geht bei den Jungs der Puls nach oben“, sagt Arno Zensen, Chef beim Neustadter Team Rosberg. Wann haben die Mechaniker dann überhaupt Ruhepuls? In jedem Raum in der Rosberg-Zentrale hängt ein Hinweis an der Wand: „Boxenstopp-Training: 9 Uhr, 12 Uhr, 14 Uhr, 16 Uhr“. Zehn Radwechsel umfasst eine Übungseinheit. Macht 200 pro Woche. Das ganze Jahr. „In der DTM geht es so eng zu, da kommt es auf jede Kleinigkeit an“, erklärt Arno Zensen diesen Aufwand. Und Rennen können zwar an der Box nicht gewonnen werden, aber durchaus verloren. Neuzugänge werden langsam an die anspruchsvolle Aufgabe herangeführt. Schon allein das Heben der Geräte ist eine Herausforderung. Das Rad wiegt trotz Leichtmetallfelge etwas mehr als 20 Kilogramm, der Schlagschrauber ist nicht wesentlich leichter. Ohne Belastung dreht sich der durch Druckluft angetriebene Schrauber mit 18 000 Umdrehungen pro Minute, entwickelt 2000 Newtonmeter Drehmoment. Der erste Schritt ist das Üben an einem ruhenden Rad. Keine Bewegung, weder in horizontaler noch in vertikaler Richtung. Danach wird der Rennwagen über die eingebauten drei Stempel aufgebockt und wieder abgelassen. „Irgendwann wird das Auto gefahren“, sagt Zensen. Doch das ist nicht irgendein Auto. „Wegen des Lärmschutzes dürfen wir nicht mit den Rennwagen fahren“, erklärt der Teamchef. Deshalb haben die Mechaniker vor ein paar Jahren „Marianne“ gebaut. Einen Piaggio-Kleintransporter haben sie mit den Teilen des Audi RS5 aufgerüstet. Auch wenn Stammpilot Jamie Green im Werk in der Nachtweide 35 ist, „Marianne“ wird immer von Teammanager Kimmo Liimatainen gefahren. Der parkt aber nicht immer so exakt an der mit Klebestreifen markierten Position ein. „Kimmo, du stehst nicht gerade“, ruft Green in das Surren der Schrauber. „Ich stehe wie ihr“, schreit der Teammanager zurück. Worauf der Rennfahrer antwortet: „Nein, das stimmt nicht.“ Doch Liimatainen parkt absichtlich schräg: „Die Jungs müssen auf kleine Veränderungen schnell flexibel reagieren.“ „Marianne“ hüpft nach oben, vier Mechaniker setzen gleichzeitig den Schlagschrauber an. Dann greifen sie sich mit einer Hand das Rad, werfen es links hinter sich, wo es ein Fänger in Empfang nimmt. Während der Mechaniker die Drehrichtung am Schlagschrauber ändert, kommt von rechts ein Kollege und steckt das Rad auf die Nabe. Wieder surren die Schlagschrauber. Drei Leuchtdioden auf dem Werkzeug zeigen an, wann das Rad fest sitzt. Ist dies bei allen vier Rädern der Fall, schwenkt der Lollipop, ein Stopp- und Startschild, automatisch nach oben. Nach jedem Wechsel schauen alle Mechaniker gebannt auf einen Bildschirm. Da steht dann schwarz auf weiß, wer wie schnell war. „Jungs, das geht besser“, ruft Armin Joerß. Der Chefmechaniker von Jamie Green hält mit 1,98 Sekunden den Hausrekord. Um den Wettbewerb ein wenig anzufeuern, gibt Liimatainen aus seiner Fahrerkabine die nächste Anweisung: „Nächstes Mal volle Konzentration, da kommen beide Autos hintereinander.“ An der Rennstrecke beobachtet zusätzlich ein Mechaniker den Verkehr in der Boxengasse. Er greift ein, sollte es zu einer Kollision kommen können. Denn bei „Unsafe Release“ kennt die Rennleitung keine Gnade, bestraft diese gefährlichen Situationen in der Boxengasse sofort. Doch diesmal ist alles glatt gelaufen. Jamie Green biegt gefahrlos von der Working-Line in die Fast-Line ab. Die Mechaniker haben ihren Teil für ein erfolgreiches Rennen getan. Die Anspannung jedoch bleibt, bis ihr Pilot die Zielflagge gesehen hat. (jok)

91-83819585.jpg
x