Neustadt Aus Geschichte lernen: Gedenkfeier für nach Gurs verschleppte Jüdinnen und Juden

Nicht vergessen: Die Schüler Georg Degen (KKG Neustadt) und Sophie König (MSG Landau) skizzierten die Lebensgeschichten mehrerer
Nicht vergessen: Die Schüler Georg Degen (KKG Neustadt) und Sophie König (MSG Landau) skizzierten die Lebensgeschichten mehrerer jüdischer Weinhändler, die den Nazis zum Opfer fielen.

Knapp 70 Menschen sind am Sonntagabend ins Casimirianum gekommen, um der Jüdinnen und Juden zu gedenken, die 1940 von Neustadt ins südfranzösische Internierungslager in Gurs deportiert wurden. Auch der jüngst wieder eskalierte Nahost-Konflikt kam zur Sprache.

Vor der Tür des Casimirianums steht ein Streifenwagen. Zwei Polizisten stehen nahe der Eingangstür und haben jeden im Blick, der sich dem Veranstaltungsort nähert. Es ist der 22. Oktober, der Tag, an dem vor 83 Jahren das jüdische Leben in der Pfalz quasi beendet wurde: Bei der Wagner-Bürckel-Aktion, benannt nach den Gauleitern Robert Wagner und Joseph Bürckel, wurden mehr als 6500 Jüdinnen und Juden aus der Pfalz, der Saarpfalz und Baden in das südfranzösische Internierungslager in Gurs verschleppt. Mehr als 50 Männer, Frauen und Kinder aus Neustadt waren unter ihnen, viele verhungerten bereits auf dem Weg. Als Symbol für die plötzliche Massenverschleppung stehen am Sonntag mehrere Koffer im Hintergrund der Gedenkfeier.

„Es ist nicht die Zeit, um an die Ursachen für Krieg denken“, betonte Eberhard Dittus, Beauftragter der Evangelischen Kirche der Pfalz für Gedenkstättenarbeit, zu Beginn der Feier, „es ist die Zeit zum Nachdenken, Gedenken und zum Trauern.“ Rebecca Rust (Cello) und Friedrich Edelmann (Fagott) aus Rhodt spielten berührende Stücke, unter anderem von Laurence Sherr, dem Sohn eines Holocaust-Überlebenden.

Jüdische Weinhändler im Visier

Dittus erinnerte an die Vorgeschichte des 22. Oktober 1940, an die Machtergreifung der Nazi 1933, an die Nürnberger Gesetze von 1935, die die Juden aus der Gesellschaft ausgrenzten und die Reichspogromnacht 1938, bei der jüdische Geschäfte, die Synagoge und ein Altenheim in Neustadt brannten. Entscheidend war Dittus zufolge aber auch die Eröffnung der Deutschen Weinstraße 1935, mit der die systematische Verfolgung sich auch auf die jüdischen Weinhändler konzentrierte.

Die Geschichten von sechs dieser Familien hatten Georg Degen (Käthe-Kollwitz-Gymnasium Neustadt) und Sophie König (Max-Slevogt-Gymnasium Landau) gemeinsam mit ihren Lehrkräften aufgearbeitet, Sie berichteten von Ausgrenzung, Bedrohung, Verfolgung, Enteignung und Verschleppung der Familien Dornberger (Bad Dürkheim), Rosenstiel, Mayer und Kern (Neustadt) sowie Samson (Edesheim) und Levy (Landau) im Dritten Reich.

Bogen zur Gegenwart

Gegen Ende der Feier wurde die Musik lebhafter, und die Gedanken richteten sich in die Zukunft. Dittus rief mit Blick auf den Krieg zwischen Israel und der Hamas dazu auf, „sich dem Terror entgegenzustellen und dabei zwischen den Terroristen und der palästinensischen Zivilbevölkerung zu unterscheiden“. Das Gedenken an die Vergangenheit könne ein Anfang für einen neuen Friedensprozess sein, der beiden Völkern erlaube, in Frieden zu leben.

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