Neustadt „Beides produziert heiße Luft ...“

Konnte gleich zwei Kindheitsträume verwirklichen: Ralf Rudolph.
Konnte gleich zwei Kindheitsträume verwirklichen: Ralf Rudolph.
Herr Rudolph, das Wichtigste vorneweg: Was ist der Unterschied zwischen einer Tuba und einer Lok?

(braucht eine Zeit, um sich vom Lachen zu erholen) Mit einer Tuba kann man nicht rumfahren. Beide erzeugen Töne, beide erzeugen Geräusche, beides muss gelernt werden, beides muss geübt werden – ich bin bei den Gemeinsamkeiten. Ist ja auch schön, wenn es mehr Gemeinsames als Unterschiede gibt ... Genau! Auch ist beides aus Metall, das ist ganz wichtig. Beides produziert zudem heiße Luft (wieder eine kleine Lachpause). Und beides macht Ihnen Spaß! Meistens ja. Beim Kuckucksbähnel heißt es oft, dass es gemächlich durch die Landschaft rollt. Welchem Musiktempo würde das entsprechen? Andante sostenuto. Was heißt? Ein gemächliches Gehen, ein getragenes Gehen. Entspricht das auch dem Wesen einer Tuba? Das ist die landläufige Meinung dazu, was eine Tuba kann, schwerfällig, einfältig und so weiter. Aber die Anforderungen an eine Tuba im Orchester oder auch im solistischen Quintettspiel sind ganz andere. Kurz, die Anforderungen an eine Tuba sind genau so hoch wie an die anderen Instrumente. Sie wollten als Kind Lokführer und Musiker werden. Fühlt es sich immer noch gut an, dass sich gleich beide Träume erfüllt haben? Ich bin privilegiert, wenn man so will. Zuerst musste ich mich ja entscheiden. Ich hab’ dann gesagt, okay, ich mache erst mal Musiker, und wenn das nicht klappt, kann ich immer noch zur Bahn. Weil man als Musiker eben eine gewisse Jugend mitbringen muss, wenn man da einsteigt. Und es hat geklappt. Dann habe ich eine Familie gegründet, und konnte mich dann dem nächsten Ziel widmen, der Eisenbahn. Aber Sie waren doch ab 1975 dabei? Das schon, aber es gab eben eine Pause von 1980 bis 1988. Danach bin ich wieder eingestiegen und kam ganz schnell in den Fahrdienst, weil ich handwerklich nicht ganz unbegabt bin, was an meinen Vorfahren liegen dürfte. Im Fahrdienst lernt man Heizer, macht seine Prüfung mit viel Herzklopfen, und hat dann einen verständnisvollen und guten Lehrmeister als Lokführer – in meinem Fall den Werner Senftleben aus Lambrecht. Der hat dann mal gesagt, „Komm, fahr’ du mal“, und das war anscheinend auch gar nicht so schlecht. 1995 war ich dann vier Monate auf der Lokfahrschule der Bahn in Güstrow, um den Dampflokführerschein zu machen. Und seither bin ich hier in Amt und Würden. Haben Sie denn heute noch Herzklopfen beim musikalischen Auftritt und/oder beim Lokfahren? Da gibt’s eine Faustregel: Kein Konzert ist gleich, und das gilt ebenso für eine Zugfahrt, auch wenn wir meist nur nach Elmstein und zurück fahren. Auch da gibt es immer wieder Neues oder Unwägbarkeiten, da funktioniert mal dies, mal das nicht, dann hat die DB ein Problem, und wir müssen uns drauf einstellen. Also bleibt es, bei aller notwendigen Routine, immer spannend, egal, ob im Konzertsaal oder auf dem Gleis. Dass Sie sich für die Tuba entschieden haben, hing das mit Ihrem Herz für die Eisenbahn zusammen, oder hätte es auch Klavier sein können? Nein, ich hab’ ja mit Klavier angefangen, war dann an der Klarinette in der Kolpingskapelle Hambach und schließlich neugierig auf die Tuba gewesen. Da war ich 16. Fahrten mit dem Kuckucksbähnel sind oft von Musik begleitet und dann noch schneller ausverkauft, sei es mit dem Rennquintett, bei der „Rollenden Weinprobe“ oder Sonderfahrten. Was ist denn Ihr Favorit als Eisenbahnbegleitung jenseits von „Uff de Schwäbische Eisebahne“? Am ehesten der „Chattanooga Choo Choo“ von Glenn Miller. Der hat eine gewisse Leichtigkeit. Ebenso wichtig: Essen und Trinken. Mit Richard Lutz, dem neuen DB-Chef, soll es wieder in jedem ICE ein Bordrestaurant geben. Beim Kuckucksbähnel war das doch schon immer selbstverständlich? Da haben Herr Lutz und ich einiges gemeinsam. Wir lassen unsere Kuckucksbähnel-Schänke auch nur im Ausnahmefall weg, zum Beispiel, wenn sie bei privat gebuchten Sonderfahrten nicht gewünscht wird. Schwerere Kost ist da schon die „Gelebte Physik“, von der Sie oft sprechen. Für mich als Naturwissenschafts-Idiot: Was ist das denn? Ganz einfach das, was man in der Schule lernt. Ob das jetzt die Hebelgesetze sind oder die thermodynamischen, Stichwort Heizer, oder überhaupt die Reibungskräfte. Oder der größte Feind des Eisenbahners, die Korrosion, also Rost und seine Folgen. All jene Sachen, bei denen man sich als Schüler fragt: Wofür brauche ich das mal im Leben? Kommen auch Schulklassen ins Museum, die mal Spaß haben wollen im Physikunterricht? Schulklassen kommen immer wieder, und die führe ich auch gern mal selbst. Wir stehen dann vor genau dieser Lok, und ich erkläre, dass sich die Räder aus physikalischen Gründen nur bis zu einer gewissen Geschwindigkeit drehen können, weil sonst die Fliehkräfte zu groß wären. Ein Rad habe einen Durchmesser von 1,87 Meter, und die zulässige Höchstgrenze seien etwa 6,6 Radumdrehungen pro Sekunde. Dann will ich wissen, wie schnell die Lok fährt. Die Schüler sagen dann „Uff“, die Lehrer freuen sich über ein Praxisbeispiel für den nächsten Test ... Haben Sie denn Nachwuchssorgen beim Verein? Wir können immer Leute gebrauchen, auch junge, obwohl wir einige haben, in deren Ausbildung wir auch gerne investieren. Schwierig ist aber, dass bei jungen Leuten die Ablenkung sehr groß ist. Dann gehen sie wieder, und wir gucken in die Röhre. Generell ist es so, dass die Nachfrage an Fahrten viel größer ist, als das, was wir mit unserem ehrenamtlichen Team leisten können. Ein Schmuckstück hier ist die „Pfalz“-Lok, die dem Verkehrsmuseum Nürnberg gehört. Im Fünf-Jahreswechsel sollte sie hier und im Technikmuseum Berlin stehen. Das hatte der Verein sozusagen abgebogen, aber nicht endgültig. Steht schon fest, wie es mit ihr weiter geht? Wir waren immer gegen den Wechsel, weil dieses Exemplar in der Pfalz bleiben sollte, der Transport ihm nicht gut tut, und die Berliner gar keinen Platz haben. Hinzu kommt: In den 80er Jahren hatte uns der damalige Oberbürgermeister Ohnesorge unterstützt, indem er den Lokschuppen kurzerhand unter Denkmalschutz stellte. Immerhin ist es der älteste erhaltene Lokschuppen, der noch als solcher genutzt wird. Bundesweit? Ich denke mal weltweit. Allerhöchstens in England könnte es noch einen geben. 1847 ist unserer gebaut worden, die „Pfalz“-Lokomotive stammt von 1853, ein Wagen von 1872: Wer kann denn mehr Geschichte auf einem Haufen bieten? Deshalb sollte das Ensemble nicht auseinandergerissen werden. All das ist aber vertraglich nicht geklärt. Noch nicht. Wie stehen die Chancen? Das Technikmuseum Berlin hat einen neuen Chef, den ich schon kontaktiert habe. Wir können gut miteinander, zumindest nach dem bisherigen Eindruck. Wir treffen uns demnächst in Neustadt und dann wird man sehen. Spielt er ein Instrument? (lacht) Ah, das weiß ich nicht. Neustadt hat sich ja dem barrierefreien Tourismus verschrieben. Das ist hier eher schwierig. Kein Zugang über den Hauptbahnhof, nur der Treppenweg von der Schillerstraße. Das ist unser großes Problem. Zum Glück besteht wenigstens beim jährlichen Kinderfest am 3. Oktober die Möglichkeit, über Gleis 5, also den Hauptbahnhof, reinzukommen. Da ist dann extra ein Sicherheitsposten da, der alles regelt, damit die hohen gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. Diesen niveaugleichen Übergang können wir aber auch nur beim Kinderfest finanzieren. Ein Fahrstuhl vielleicht? Darüber haben wir schon oft nachgedacht, können das aber derzeit nicht bezahlen. Wir machen jetzt erst einmal eine museumsdidaktische Neuausrichtung im nächsten Jahr, bieten also eine Museumsführung auch speziell für Kinder an. Das kostet einiges an Geld, es gibt aber auch Zuschüsse. Bliebe Ihre Frage an mich ... Wann fahren Sie mal mit im Kuckucksbähnel? Dieses Jahr noch! Dann darf ich Sie zur „Rollenden Weinprobe“ am 26. August einladen, da hab’ ich noch ein bissel Platz. Da bin ich in Urlaub. Früher zurückkommen! Zur Person Ralf Rudolph, 1962 in Neustadt geboren und in Hambach lebend, wurde noch während seines Musikstudiums Mitglied der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz mit Sitz in Ludwigshafen. Heute ist er dort erster Tubist. Rudolph tritt auch in anderen Ensembles auf, Beispiel Rennquintett, und lehrt als Professor an der Musikhochschule Saarbrücken. Seit 1975 ist er Mitglied beim Eisenbahnmuseum Neustadt, 2011 übernahm er den Vorsitz. Sein Dampflokführer-Führerschein stammt von 1996. Internet: www.eisenbahnmuseum-neustadt.de

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