Neustadt Die Türmerwohnung: Warum die Stiftskirche ihr Kleinod aufpolieren will

Im Laternenaufsatz des Südturms hängt seit Sommer 2021 wieder die Sturmglocke. Darunter liegt die zweigeschossige Türmerwohnung.
Im Laternenaufsatz des Südturms hängt seit Sommer 2021 wieder die Sturmglocke. Darunter liegt die zweigeschossige Türmerwohnung.

Seit über zwei Jahrzehnten dämmert die Türmerwohnung der Stiftskirche vor sich hin. Dabei besitzt sie das Potenzial, ein weiterer touristischer Quotenbringer zu sein. Auch viele Neustadter Herzen schlagen für dieses Kleinod. Wie sehr, können sie nun beweisen.

184 Stufen – auf einer steinernen Wendeltreppe, gefolgt von Holzstiegen. Für ältere Frauen, die unter Höhenangst leiden, nicht einfach an diesem Freitagmorgen. Doch dann ist es – wieder mal – geschafft. Pfarrer Oliver Beckmann öffnet die Tür zu einem Kleinod, das die Strapaze lohnt. Und das zu den ganz wenigen bundesweit gehört. Die Türmerwohnung. Genau gesagt: Die zweigeschossige barocke Türmerwohnung aus dem Jahr 1736 im Südturm der Neustadter Stiftskirche.

Sturmglocke und Lautsprechrohr, wie es der letzte Türmer Heinrich Hayn hier demonstriert, hatten ausgedient, als 1895 eine Rufle
Sturmglocke und Lautsprechrohr, wie es der letzte Türmer Heinrich Hayn hier demonstriert, hatten ausgedient, als 1895 eine Rufleitung zum Polizeiamt installiert wurde.

Eng muss es damals zugegangen sein, als die Familie Hayn hier wohnte. Vater, Mutter, zwei Kinder, deren Spielplatz der Marktplatz war. Mit Vater Heinrich Hayn starb dann 1970 der letzte Türmer der Stiftskirche – 215 Jahre lang war dieses Amt bis dahin immer einem Hayn vorbehalten gewesen. Seine Ehefrau lebte noch bis 1979 hoch oben, danach mietete der Lehrer und Organist Ulrich Loschky die Zimmerchen.

2000 Besucher jährlich

Weil ein zweiter Rettungsweg fehlt, war nach Loschkys Auszug 1995 Schluss. Seither kann die Türmerwohnung nur noch gezeigt werden – zum Beispiel jenen 2000 Besuchern, die jährlich den Südturm samt Glocken besichtigen, den seit Juni 2021 auch wieder die Sturmglocke ziert. Diese musste der Türmer früher bei Feuer schlagen – oder wenn Feinde nahten.

Dass der Zahn der Zeit seither an der Türmerwohnung nagt, liegt auf der Hand. Es sind vor allem die Holzfenster, die Pfarrer Beckmann Sorgen bereiten. Doch auch der Putz hat schon bessere Zeiten gesehen, Tapeten lösen sich von der Wand, die Elektrik erweckt nicht unbedingt Vertrauen. Elektroöfen, mit denen zuletzt geheizt wurde, stehen noch herum, warten darauf, dass sie entsorgt werden.

Auf eine Zeitreise

Und doch hat die Wohnung mit ihren kleinen Zimmern, dem Stuck aus ganz alter Zeit und den Resten einer Badezimmer-Möblierung aus den 1970er-Jahren unglaublich viel Charme. Ergänzt durch den atemberaubenden Ausblick versteht jeder Besucher sofort, dass die Stiftskirchengemeinde und ihr Bau- und Förderverein ihr Kleinod erhalten wollen. Doch geht es nicht einfach nur ums Renovieren.

Ein Sorgenkind von Pfarrer Oliver Beckmann: die vom Wetter gezeichneten Holzfenster.
Ein Sorgenkind von Pfarrer Oliver Beckmann: die vom Wetter gezeichneten Holzfenster.

Presbyter Thomas Gottschalk habe die Idee gehabt, sagt Beckmann. Wer künftig die Türmerwohnung besichtigt, soll auf eine Zeitreise entführt werden. Im Erdgeschoss der Wohnung in deren barocke Erstfassung, ergänzt durch noch erhaltene „Arbeitsmittel“ von Heinrich Hayn, wie Fahne, Leuchte und Tröte. In den darüberliegenden Zimmern wiederum sollen Originalmöbel aus den Zeiten Hayns und Loschkys eine Vorstellung davon geben, wie das Leben in dieser Türmerwohnung in den 1950er- und 1970er-Jahren war.

Nicht nur Geld gefragt

Auf rund 100.000 Euro schätzt die Stiftskirchengemeinde den Betrag, der aus diesem Grund in den nächsten Jahren in die Türmerwohnung investiert werden muss. Geld, das sie durch eine Fundraising-Aktion zusammenbekommen will, die am Samstag, 9. Dezember, um 12 Uhr im Anschluss an das Marktkonzert gestartet wird. Der Bau- und Förderverein, so Pfarrer Beckmann, werde diese in den nächsten Jahren unterstützen. Allerdings geht es nicht allein ums Geld: Wer Gegenstände spenden will, die zu den künftigen Interieurs passen, oder aber Erinnerungsstücke, ist ebenso willkommen.

Info

Wer spenden will, kann das über folgende Bankverbindung tun, eine Spendenquittung wird ausgestellt: Vereinigte VR-Bank Kur- und Rheinpfalz, Speyer, Bau- und Förderverein Stiftskirche Neustadt, IBAN: DE13 5479 0000 0001 8875 80

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