Neustadt Durchsichtig, strahlend, berückend schön

Neustadt. Wie üblich zeigte sich das „Mandelring Quartett“ auch am Sonntag beim zweiten Saisonkonzert seiner Kammermusikreihe im Saalbau allen Herausforderungen mehr als gewachsen. „Genie und Wahnsinn“ lautete der Titel des Programms mit Werken von Mozart, Ullmann und Schumann.

Dabei war die Auswahl der Werke wieder einmal originell und bestens austariert. Der Abend begann fröhlich mit Mozarts „Jagdquartett“, wurde dann in fahles Licht getaucht mit Ullmanns 3. Quartett und fand seinen Höhepunkt im Finale von Schumanns letztem Quartett in A-Dur. Mozarts „Jagdquartett“, seinem Lehrer Haydn gewidmet, ist ein eher lyrisches Stück, das im Sechs-Achtel- Takt anmutig tänzelt, im Adagio anrührend sentimental wird und im Finale die Stimmung eines vergnüglichen Divertimentos verbreitet. Der Name leitet sich ab von einer „Jagdfanfare“, die im Kopfsatz aufscheint. Die vier Musiker gingen das Stück gewohnt energisch an. Im Kopfsatz zwitscherten die Triller, beim Menuett war man versucht mitzuwippen, das Adagio kam ernst und feierlich daher, und im fröhlichen Schlusssatz erinnerten einzelne Motiv an Opernarien. Insbesondere Osmin tauchte kurz erkennbar auf. Ein perfekter Einstieg in den Abend – Mozarts bezaubernde Musik hatte kaum angefangen, da war sie schon vorbei. Viktor Ullmann war ein jüdischer Komponist, der hauptsächlich in Prag lebte und arbeitete. Seine Lehrer waren unter anderem Schönberg und Zemlinsky. Man verortet Ullmann also richtig, wenn man ihn auf die Bruchlinie zwischen Spätromantik und Moderne setzt, wobei er eher der atonalen Tradition des späten Schönberg zuneigte. 1942 wurde er ins KZ Theresienstadt deportiert. Dort gestaltete er das Musikleben und schuf einen Großteil seiner Werke. Bemerkenswert nicht nur durch das Umfeld des Konzentrationslagers, sondern auch, weil diese Musik für die Nazis als „entartet“ galt. 1944 wurde er in Auschwitz ermordet. Ullmanns 3. Streichquartett (op. 46) aus dem Jahr 1943 ist an sich eine einsätzige Komposition mit unterschiedlichen Tempi, obwohl es vierteilig, also ganz klassisch daherkommt. Ein sehr reifes, meisterhaft gesetztes Werk, das in den beiden ersten „Sätzen“ stets nach innen gekehrt wirkt. Das erste Motiv ist gleichsam ein Seufzer. Später wird das Stück deutlich forscher und „expressiver“, bleibt aber immer melancholisch, nachdenklich, ohne bitter zu sein, wie man es erwarten würde, wenn man den Wahnsinn des kompositorischen Umfelds bedenkt. Das „Mandelring Quartett“ gestaltete diese zutiefst beeindruckende Musik gewohnt intensiv und wie immer äußerst präzise. Einmal mehr zeigte sich: eines der besonderen Verdienste der Neustadter ist es, den Werken der Quartettliteratur des 20. Jahrhunderts Leben, emotionale Nähe und Verständlichkeit zu verleihen. Und dann kam Schumanns Quartett in A-Dur op. 41 Nr. 3 und verscheuchte gleichsam die bedrückte Stimmung. Schumann hatte das Werk seinem Freund Felix Mendelssohn gewidmet. Ein Werk auch, das ein jeder, der sich mit Kammermusik befasst, kennt und sicher auch schätzt. Schon allein wegen des begeisternden Rondo-Finalsatzes, obwohl es durch die anspruchsvollen metrischen Verschiebungen sowie die vielen synkopischen Staccati nicht eben einfach zu hören ist. Außerdem fehlt dem Werk ein „griffiges“ Thema, lediglich ein Hauptmotiv, eine fallende Quinte, beherrscht die Komposition. Also alles andere als leichte Kost. Das „Mandelring Quartett“ ging es auch hier frontal an, wühlte sich förmlich in die Partitur und wurde der Vortragsangabe des Kopfsatzes „espressivo“ mehr als gerecht! Das rhythmisch Vertrackte wurde quasi im Sturm genommen. Der zweite Satz avancierte zum „parlando“, das Adagio war ungewöhnlich schnell, aber zu keiner Zeit gehetzt. Der Schlusssatz, das Allegro-Rondo, strebte zügig und geradezu erregt pulsierend dem strahlenden Ende in der Tonika zu. Das hatte schon internationale Klasse, was da geboten wurde: große Transparenz, besonders im komplizierten Kopfsatz, gepaart mit intensiver Dynamik und einem berückend schönen Klang! So durchsichtig und strahlend hat man Schumann selten gehört. Das Publikum, aus dem schon nach dem Mozart-Quartett Bravo-Rufe zu hören waren, erklatschte sich restlos begeistert eine Zugabe.

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